Der Präsident spricht von einem palästinensischen Frühling. Barack Obama und Israels Premier Netanjahu fürchten neue Eiszeit in Nahost.

Ramallah/Tel Aviv. Der feierliche Empfang war schon wie für einen echten Staatschef gemacht: Mit rotem Teppich und Blaskapelle wurde Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bei seiner Rückkehr von seinem historischen Gang zu den Vereinten Nationen in Ramallah euphorisch begrüßt. Mit seinem kompromisslosen Alleingang in New York hat der 76-Jährige neue Hochachtung bei seinem eigenen Volk gewonnen. Der ehemalige israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hatte ihn noch verächtlich als politisches „Küken“ bezeichnet. „Aus dem Küken ist jetzt ein Adler geworden“, hieß es am Wochenende in Ramallah.

Der Palästinenserführer verfolgt im Kampf um die eigene Staatlichkeit eine neue Strategie und versucht dabei, Israel und die USA zu umgehen. Der Antrag auf Vollmitgliedschaft bei den Vereinten Nationen ist dabei nur der erste Schritt. Die Niederlage ist zwar programmiert. Für Abbas ist jedoch wichtiger, dass er der palästinensischen Sache treu geblieben ist und sie wieder auf die internationale Bühne gehoben hat. Als zweiter Schritt wird erwartet, dass die Palästinenser sich in den kommenden Wochen bei der Uno-Vollversammlung um die Aufwertung zum sogenannten Beobachterstaat bemühen. Dort gilt der Erfolg als gewiss.

Bei seiner Ansprache vor Tausenden Palästinensern beschwor Abbas in Ramallah in Anlehnung an die Umwälzungen in der arabischen Welt auch einen „palästinensischen Frühling“. Viele Kommentatoren rechnen angesichts der politischen Hoffnungslosigkeit allerdings eher mit einer neuen Eiszeit in der Region.

Obwohl Abbas und der israelische Regierungschef Netanjahu in blumigen Erklärungen immer wieder ihren Friedenswillen beteuern, ist in der Sache keiner von beiden bereit, sich auch nur minimal auf den anderen zu zu bewegen. Deshalb werden einer neuen Friedensinitiative des Nahost-Quartetts aus Vereinten Nationen, Europäischer Union, USA und Russland auch nur sehr geringe Chancen eingeräumt. Sie fordert neue Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern binnen eines Monats und ernsthafte Fortschritte innerhalb eines halben Jahres.

Abbas scheint fest entschlossen, sich im Kampf um einen eigenen Staat nicht mehr von Israel unterbuttern zu lassen. Doch bei Netanjahu beißt er weiter auf Granit. Kommentatoren in Israel halten eine echte Bewegung im Friedensprozess auch angesichts der politischen Konstellation im jüdischen Staat gegenwärtig für ausgeschlossen. Netanjahu kann sich weitgehende Zugeständnisse an die Palästinenser aus innenpolitischen Erwägungen nicht leisten. Seine Koalition aus rechten und siedlerfreundlichen Parteien würde sofort auseinander brechen.

Nach zwei Jahrzehnten weitgehend erfolgloser Friedensverhandlungen haben die Palästinenser jegliches Vertrauen in die USA als Vermittler und in Israel als Gesprächspartner verloren. Drei Viertel der Palästinenser (74 Prozent) glauben nach einer jüngsten Umfrage, eine Rückkehr zu Friedensverhandlungen habe momentan keinen Sinn.

US-Präsident Barack Obama kommt als Motor für neue Bewegung in Nahost nicht mehr infrage, weil er vor der Neuwahl des US-Präsidenten im nächsten Jahr um die Stimmen jüdischer Wähler werben muss. Nach seiner pro-israelischen Rede vor den Vereinten Nationen verbrannten wütende Palästinenser in Ramallah Bilder von Obama. Einige davon zeigten ihn als „ersten jüdischen Präsidenten“ mit einer Kippa auf dem Kopf.

„Wir werden Obama nicht helfen, die Wahlen auf Kosten der palästinensischen Sache zu gewinnen“, sagte Delegationsmitglied Nabil Schaath. „Obama zieht es vor, der zionistischen Lobby nachzugeben, aber er wird dafür viel in der arabischen Welt verlieren“, meinte Schaath. US-Drohungen, Hilfsgeldern an die Palästinenser als „Strafe“ für den Uno-Alleingang zu kürzen, schlug er in den Wind. „Wir werden die palästinensische Sache nicht für ein paar Dollar aufgeben.“ (dpa)