Die Hamas will den Entführten freilassen. Der Gefangenentausch erhitzt die Gemüter im Nahen Osten. Auch Mörder kommen frei.

Jerusalem. In Nahost steht dem größten Gefangenenaustausch seit mehr als einem Vierteljahrhundert nichts mehr im Wege. Das oberste Gericht in Israel wies am Montag in Jerusalem alle Klagen gegen den Austausch zurück. Damit kann der israelische Soldat Gilad Schalit an diesem Dienstag nach fünf Jahren Gefangenschaft wie geplant in seine Heimat zurückkehren.

Der umfassende Häftlingsaustausch in Nahost wird von einer großen Mehrheit der Israelis befürwortet. Dies geht aus einer Meinungsumfrage hervor, die die israelische Zeitung „Jediot Achronot“ veröffentlichte. 79 Prozent der Befragten sprachen sich den Angaben zufolge für den Austausch von insgesamt 1027 Palästinensern gegen den vor mehr als fünf Jahren entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit aus. Nur 14 Prozent der Befragten waren dagegen. Eine klare Mehrheit (65 Prozent) war der Meinung, man hätte den Gefangenenaustausch schon früher vereinbaren können. 44 Prozent gaben an, sie verspürten angesichts der am Dienstag erwarteten Freilassung Schalits Freude, nur drei Prozent verspürten Zorn und fünf Prozent ein Gefühl der Demütigung. Jeder zweite Umfrageteilnehmer (50 Prozent) äußerte die Sorge, nach der Freilassung der mehr als 1000 Palästinenser könnten israelische Bürger Anschlägen zum Opfer fallen. Dagegen meinten 48 Prozent, sie hätten keine Angst, sondern vertrauten den israelischen Sicherheitskräften.

Schalit war am 25. Juni 2006 von militanten Palästinensern unter Hamas-Kommando in den Gazastreifen verschleppt worden. Deutschland hatte lange zwischen Israel und der Hamas vermittelt, der Durchbruch gelang zuletzt mit ägyptischer Hilfe. Am Dienstag sollen in einem ersten Schritt 477 palästinensische Häftlinge freigelassen werden, darunter viele Drahtzieher von Anschlägen und Attentäter.

Der israelische Rundfunk meldete, wenn alles nach Plan verlaufe, solle der jetzt 25-jährige Schalit bis Dienstagnachmittag wieder zu Hause sein. „Das Wohl eines jeden Soldaten ist wie das Wohl des ganzen Staates Israel“, sagte Staatspräsident Schimon Peres. Nach Angaben aus Kreisen der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen ist die Übergabe um 11 Uhr (MESZ) geplant. Sie solle am Rafah-Übergang zwischen dem Gazastreifen und Ägypten erfolgen, vermutlich mit Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes.

Schalit soll über den Rafah-Grenzübergang nach Ägypten gebracht und dort an die ägyptischen Behörden übergeben werden. Anschließend solle der junge Mann nach Israel gebracht werden, meldete der Rundfunk. Am nahe gelegenen Grenzübergang Kerem Schalom solle er ärztlich untersucht werden und ein erstes Telefongespräch mit seiner Mutter führen. Ein Hubschrauber werde ihn von dort aus zum israelischen Militärflughafen Tel Nof südlich von Rechovot bringen. Dort wollten ihn seine Eltern Noam und Aviva in die Arme schließen. Auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Ehud Barak sowie Generalstabschef Benny Ganz wollten dabei anwesend sein.

Nach einer gründlicheren ärztlichen Untersuchung in Tel Nof soll Schalit dann mit seiner Familie mit dem Hubschrauber in seinen Heimatort Mizpe Hila im Norden Israels geflogen werden.

Das Oberste Gericht in Jerusalem muss zuvor noch über vier Klagen gegen den umstrittenen Gefangenenaustausch mit der radikalislamischen Hamas beraten. Die Terroropfer-Organisation Almagor sowie drei weitere Kläger warnen, die Freilassung von mehr als tausend palästinensischen Häftlingen für Schalits Freiheit sei unproportional und gefährde die Sicherheit israelischer Bürger, weil sie zu neuen Anschlägen oder Entführungen ermutigen könne. Noam Schalit, der Vater des entführten Soldaten, ist bei der Beratung ebenfalls anwesend. Die Mutter Aviva Schalit hatte am Sonntag gewarnt, jeder Aufschub des Gefangenenaustauschs könne das Leben ihres Sohnes gefährden.

Unter den inhaftierten Palästinensern sind 280 Straftäter, die zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden waren. Auch 27 Frauen sollen freigelassen werden. (dpa/abendblatt.de)