„Spiegel“, „New York Times“ und andere warnen vor Gefahren für ihre Quellen. Die Datenpanne von WikiLeaks hat weltweite Auswirkungen.

London/Berlin. Nach ihrer Zusammenarbeit mit der Enthüllungsplattform WikiLeaks bei der Veröffentlichung von Geheimdokumenten haben vier Zeitungen und Magazine deren Offenlegung des gesamten Archivs an unredigierten US-Botschaftsdepeschen scharf kritisiert. Der „Spiegel“, die „New York Times“, „El País“ und der „Guardian“ erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme auf der Website des „Guardian“, sie missbilligten die Entscheidung von WikiLeaks. Dadurch könnten Quellen in Gefahr geraten. Die Enthüllungs-Plattform hatte kürzlich ihren gesamten Bestand an US-Depeschen veröffentlicht und erklärt, die Unterlagen seien bereits von anderen öffentlich gemacht worden und kursierten im Internet.

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Nach der Datenpanne bei WikiLeaks hat der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) Forderungen zurückgewiesen, die Strafvorschriften zum Geheimnisverrat zu verschärfen. „Das würde das Ende des kritischen Journalismus in Deutschland bedeuten“, sagte der DJV-Vorsitzende Michael Konken. Trotz der Datenpanne gebe es nicht den geringsten Grund, an der Gesetzeslage etwas zu ändern. Der CDU-Politiker Siegfried Kauder hatte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ gefordert, dass für klassische Medien wie auch für Internet-Plattformen jede Veröffentlichung tabu sein soll, die Menschen in Gefahr bringen kann. In schwerwiegenden Fällen müsse es möglich sein, gegen die Verantwortlichen zu ermitteln und auch abschreckende Strafen zu verhängen. „Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut, aber auch für sie gibt es Grenzen“, sagte Kauder.

Kauder, der auch Vorsitzender des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag ist, mache mit diesem Vorschlag Anleihen beim kürzlich verschärften Mediengesetz in Ungarn, kritisierte Konken. „Pressefreiheit und Informantenschutz sind unveräußerliche Rechtsgüter des demokratischen Staatswesens.“

Im Oktober 2010 hatte die Bundesregierung auf Initiative der FDP einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Pressefreiheit vorgelegt, nach dem Journalisten sich nicht mehr der Beihilfe zum Geheimnisverrat strafbar machen. Über den Entwurf wird zurzeit noch beraten. Nach einer öffentlichen Anhörung im Januar teilten die CDU-Politiker Günter Krings und Andrea Voßhoff mit, die Vorschläge der Bundesregierung müssten noch einmal überdacht werden. An der Notwendigkeit, die Pressefreiheit und den Schutz von Journalisten im Straf- und Prozessrecht zu stärken, bestünden erhebliche Zweifel.

Die Plattform WikiLeaks des schillernden Gründers Julian Assange hatte mit der Veröffentlichung von geheimen Botschaftsdokumenten aus dem US-Außenministerium für globale Aufmerksamkeit gesorgt. Auch in Berlin waren wegen der kritischen Einschätzungen zu Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle die Wogen der Erregung hoch. Nun haben sich offensichtlich auch die Bemühungen der Medienpartner von WikiLeaks erledigt, die sorgfältig darauf geachtet hatten, die Namen von Informanten aus Ländern wie Irak, Iran, China und Afghanistan unleserlich zu machen. Über das Online-Protokoll BitTorrent verteilten Assange und seine Helfer die 1,6 Gigabyte große Datei mit dem Namen „z.gpg-decrypted.7z“. In der Datei befinden sich alle 251.287 internen Berichte und Lagebeurteilungen der US-Botschaften an das US-Außenministerium.

Der mutmaßliche Informant von WikiLeaks, der US-Soldat Bradley Manning, sitzt ohnehin schon in Haft. Der „Whistleblower“ hatte sich Adrian Lamo, einem Informanten der US-Sicherheitsbehörden, in einem Chat anvertraut. Manning wurde im Mai 2010 festgenommen und wartet seitdem auf sein Verfahren. (dapd/epd/dpa)