Bei WikiLeaks gibt es keinen Informantenschutz

Es war ein Riesen-Coup: Ende vergangenen Jahres veröffentlichte die Enthüllungsplattform WikiLeaks streng geheime Depeschen der US-Botschaften aus der ganzen Welt. Doch auf den Coup folgte das Desaster: Mittlerweile kursiert eine verschlüsselte Version der unredigierten Fassung der Depeschen im Internet. Das Passwort dieser Version hatte WikiLeaks-Gründer Julian Assange einem Journalisten des "Guardian" verraten, der sie bereits vor ein paar Monaten in einem Buch veröffentlichte. Nun kann die Datei von jedem User mit etwas technischem Sachverstand entschlüsselt werden.

Das ist fatal, weil in der unredigierten Fassung der Depeschen auch die Namen der Informanten stehen, von denen die US-Diplomaten ihre Nachrichten bezogen. Wenn deren Identität nun öffentlich wird, kann das für Informanten aus totalitär regierten Staaten lebensgefährlich werden.

Vor dem Hintergrund der unglaublichen Schlamperei, die zur Enttarnung der Informanten führte, muss die Bedeutung von WikiLeaks neu bewertet werden. Im Zwielicht steht aber nicht nur deren Gründer Assange, sondern auch ihr ehemaliger Sprecher Daniel Domscheit-Berg, der sich im Streit von der Enthüllungsplattform getrennt hat. Er soll es gewesen sein, so stellt es zumindest Assange dar, der öffentlich machte, dass das Passwort in dem Buch des "Guardian"-Redakteurs zu finden ist.

Die Möchtegern-Aufdecker haben sich gründlich diskreditiert. Das Thema Online-Enthüllungen hat sich damit aber nicht erledigt. Zwar dürfte es auf absehbare Zeit keine seriöse Plattform geben. Doch im digitalen Zeitalter lässt sich Hochgeheimes mit nur einem Mausklick kopieren. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die nächste Online-Enthüllung ansteht - auf welcher Site auch immer.