Papst Benedikt XVI. reist in ein krisengeschütteltes Spanien und spricht der Jugend Mut zu. Bei Protesten gab es Ausschreitungen.

Madrid. Zehn Minuten vor zwölf und damit zehn Minuten früher als erwartet landete Papst Benedikt XVI. auf dem Madrider Flughafen Barajas und erwies damit der oft bemühten deutschen Pünktlichkeit alle Ehre. Bis zum Sonntag, exakt 79 Stunden, wird der Papst mit 1,5 Millionen Jugendlichen den 26. Weltjugendtag in der spanischen Hauptstadt begehen. Zum Empfang des Kirchenoberhaupts wartete nicht nur das Königspaar, die gesamte spanische Regierung und mehrere Tausend jubelnde Pilger, sondern auch eine halbe Hundertschaft von Kindern im Alter von acht bis 13 Jahren. Sie waren zu Ehren des Papstes in der Tracht der Schweizergarde erschienen. Der Papst fühlte sich trotz hoher Temperaturen sichtlich wohl und lächelte, als er in Begleitung des Königspaares zur Empfangshalle schritt.

Die Willkommenszeremonie verlief ganz nach Protokoll, allerdings musste sich der Monarch Juan Carlos nach seiner Knieoperation vom Juni auf einen Stock stützten. Beide Würdenträger waren sich bei ihren Ansprachen einig, dass die junge Generation eine schwere Krise durchlebt. "Die Jugend von heute steht vor vielen Herausforderungen, und sie braucht Werte, um aus der gegenwärtigen Krise zu finden", so der Papst bei seiner Rede, die er erstaunlich akzentfrei auf Spanisch hielt. Er rief die Katholiken auf, in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung und Gewalt bei ihrem Glauben zu bleiben. "Niemand kann euch den Frieden nehmen. Schämt euch nicht des Herrn." Seine Rede wurde immer wieder von Applaus unterbrochen. Bereits auf dem Flug nach Madrid hatte der Papst ein allein auf den Profit ausgerichtetes Denken in der Wirtschaft kritisiert. Das sei die Ursache für die derzeitige Krise. "Der Mensch muss im Mittelpunkt der Wirtschaft stehen", forderte Benedikt XVI., "und die Wirtschaft darf nicht nur auf Gewinnmaximierung aus sein, sondern muss auch das Wohl der Gemeinschaft berücksichtigen."

Sogar der sozialistische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero war zum Empfang erschienen. Bei der letzten Papstvisite in Barcelona vor neun Monaten hatte er Termingründe vorgeschoben, um der Begrüßung des Kirchenoberhaupts fernbleiben zu können. Immer wieder hatte die Amtskirche die Gesetze seiner Regierung, darunter die Einführung der Homo-Ehe, die Novellierung des Abtreibungsrechts oder die Blitzscheidung als "kirchenfeindlich" eingestuft. Jetzt schlugen beide Seiten versöhnliche Töne an. In der ersten Ansprache von Benedikt XVI. fehlte jeglicher Seitenhieb auf die Sozialisten. Die wiederum hatten das für diese Legislaturperiode geplante Gesetz zur Sterbehilfe auf die lange Bank geschoben, um Rom nicht unnötig zu provozieren.

Dennoch ist die Papstvisite, die dritte seit Beginn seiner Amtszeit, nicht frei von Dissonanzen. So protestierten am Vorabend seiner Ankunft mehr als 5000 Menschen, darunter auch Spaniens junge "Empörte" und die christliche Vereinigung Redes Cristianas gegen den kostspieligen Besuch. Weniger Religion und mehr Erziehung" stand auf den Plakaten der Papstgegner, die lautstark vor allem gegen die Verwendung von Steuergeld für Kirchenfeste protestierten. An der Puerta del Sol trafen Papstfans und Gegner zusammen. "Benedikt", riefen die einen, "das ist ein Nazi", die anderen. Beide Lager mussten mit einem Polizeikordon getrennt werden. Am Ende lösten die Sicherheitskräfte die Demonstration auf und ließen den Platz räumen. Es gab sieben Festnahmen und elf Verletzte.

Ein 24 Jahre alter Anschlagsverdächtiger ist wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Ein spanischer Untersuchungsrichter entließ den mexikanischen Chemiestudenten mit der Auflage, sich täglich morgens und abends bei der Polizei zu melden. Zudem zogen die Behörden den Reisepass des jungen Mannes ein und legten fest, dass er ständig persönlich und telefonisch erreichbar sein müsse.

Der Student räumte ein, Urheber einer Internetbotschaft zu sein, in der er unter dem Pseudonym "BAGMAN 69" drohte, "die schwulen Hunde bei ihrer Anti-Papst-Demonstration zu töten". Sein Anwalt machte geltend, dass sein Mandant keinerlei Substanzen für einen Anschlag mit Chlorgas oder ähnlichen Chemikalien besessen habe. Der Beschuldigte erklärte, es habe sich um einen "Scherz" gehandelt, um die Unterstützer des Protestmarschs einzuschüchtern. Der 24-Jährige war am Dienstag nach Hinweisen von Internetnutzern festgenommen worden. Er nahm als einer von 30 000 freiwilligen Helfern am Weltjugendtag teil.

Allerdings gehen die kritischen Stimmen unter. In der normalerweise im August verwaisten Innenstadt herrscht ausgelassene Stimmung, die Pilgertrupps in ihren gelb-roten Rucksäcken wollen einfach nur den Papst sehen. Dafür sind sie bereit, jede Strapaze auf sich zu nehmen. Picknick auf dem Gehsteig bei 35 Grad im Schatten, stundenlanges Anstehen für das offizielle Begrüßungspaket und wenig Zeit zum Ausruhen auf harten Turnhallenböden, das nehmen die jungen Leute gerne in Kauf.

Auch die 16 000 deutschen Pilger, die in der Hauptstadt weilen, zeigten ihre Euphorie. "Willkommen, wir lieben dich" hieß es auf einem zehn Meter langen Transparent, das über die Brücke über der Madrider Prachtstraße Paseo de la Castellana gespannt war. Erfindungsreich waren einige der Jugendlichen, wenn es darum ging, Tradition und Fortschritt unter einen Hut zu bringen. "Einer brachte mir zur Beichte ein iPhone mit der gesamten Sündenliste", so ein amerikanischer Pfarrer, der im Madrider Retiropark die Beichte abnimmt, "Die Begeisterung ist ansteckend, es ist hier so gigantisch wie bei den Olympischen Spielen", so Covadonga Berjón, eine der Moderatorinnen auf dem Weltjugendtag. "Wie man auch immer zum Glauben steht, man muss sich einfach fragen, was so viele Menschen hier zusammenführt." Höhepunkt des Weltjugendtags wird eine Messe unter freiem Himmel auf dem Madrider Flughafen Cuatro Vientos sein.

Auch die konservative Presse jubelt. "Spanien ist das Land, das Benedikt XVI. neben Deutschland am meisten besucht", so ein Kommentator des Fernsehsenders Telemadrid. Tatsächlich besucht der Papst Spanien jetzt schon zum dritten Mal seit seinem Amtsantritt. Doch dem 84-Jährigen geht es vor allem darum, die einst so wichtige Bastion des Katholizismus in Europa zu retten. Laut offiziellen Zahlen hat sich die Zahl der jugendlichen Atheisten in Spanien von zehn auf 30 Prozent erhöht, im gleichen Zeitraum fiel die Zahl der Kirchgänger auf unter zehn Prozent. "Hier fühle ich mich endlich wieder wohl", sagt Luz Martínez, 16. "Normalerweise wird man als Kirchgänger schräg angesehen."

Abgesehen von einem Ausflug in das Kloster El Escorial 50 Kilometer nordwestlich von Madrid wird der Papst die Zeit bis Sonntag in der spanischen Hauptstadt verbringen. Geplant sind Treffen mit jungen Gläubigen, Nonnen und angehenden Priestern. Benedikt XVI. wird die Beichte abnehmen und mit dem Papamobil durch die Stadt fahren. Ein Abendgebet mit Pilgern ist am Sonnabend vorgesehen, eine Messe am Sonntagmorgen.