Vatikan schwächt Benedikts Aussagen in neuem Buch ab: Die Lockerung des Kondomverbots sei keine Revolution. Italiens Medien feiern den Papst.

Rom/Hamburg. Die Weltgesundheitsbehörde (WHO) hat die vorsichtige Öffnung der katholischen Kirche und von Papst Benedikt XVI. gegenüber dem Gebrauch von Kondomen zur HIV-Vorbeugung begrüßt. „Das ist eine gute Nachricht“, sagte Generaldirektorin Margaret Chan. Bei der Vorstellung des Weltgesundheitsberichts 2010 wies sie allerdings darauf hin, dass sie die Aussagen des Papstes bislang nur aus Veröffentlichungen kenne.

Papst Benedikt XVI hat die Verwendung von Präservativen in bestimmten Fällen für gerechtfertigt erklärt. Damit lockert er seine bisherige strikte Ablehnung ein wenig. Die Vatikanzeitung veröffentlichte am Wochenende Auszüge aus einem neuen Buch des Oberhauptes der katholischen Kirche, in dem er als Beispiel für akzeptable Ausnahmefälle männliche Prostituierte anführt, die die Übertragung von HIV verhindern wollten.

Vatikansprecher Federico Lombardi hat jedoch darauf hingewiesen, dass es vor allem um das „gravierende Risiko für das Leben des anderen“ gehe. Die Frage nach dem Geschlecht des oder der Betroffenen sei „marginal“, sagte er. Ob es sich um einen Mann oder eine Frau handele, „ist nicht der zentrale Punkt“. Angesichts unterschiedlicher Übersetzungen verwies er auf das deutsche Original des Interview-Buches.

Die ersten Reaktionen aus dem Vatikan zur Auflockerung des strikten Kondomverbots der katholischen Kirche klingen abschwächend. „Es handelt sich nicht um eine Revolution“, betonte Vatikansprecher Lombardi. Er gestand dem Papst jedoch „Mut und Klarheit“ zu. Dennoch handele es sich für den Vatikan nicht um einen wirklichen Kurswechsel: „Der Papst reformiert nicht die Linie der Kirche, sondern er unterstreicht sie vielmehr, indem er für den Wert und die Würde der menschlichen Sexualität als Ausdruck von Liebe und Verantwortung eintritt“, sagte Lombardi.

Papst Benedikt XVI. sagt in dem Interviewbuch des deutschen Autors Peter Seewald „Licht der Welt. Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit“, im Einzelfall sei die Benutzung von Kondomen als Verhütungsmittel im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit Aids zu erlauben. Die italienischen Medien werteten die Äußerungen des Papstes am Montag als „Meilenstein“ in der Kirchengeschichte. Das Buch wird am Dienstag in Rom vorgestellt und erscheint am Mittwoch im Buchhandel.

Der Vorstandsvorsitzende des katholischen Hilfswerks Misereor, Josef Sayer, sagte: In der Praxis allerdings hätten afrikanische Bischöfe und Ordensleute schon längst über Kondome als Mittel zum Schutz des Lebens gesprochen, so Sayer zur „Frankfurter Rundschau“. Nun mache sich die katholische Kirche „ein Stück weit ehrlicher“.