Türkeis Ministerpräsident Erdogan will Gaddafi sicheres Geleit ins Exil bieten. Kämpfe um Misrata flauen ab. Soldaten beschießen Weltkulturerbe.

Istanbul/Misrata/Kairo/Bengasi. Vor der am Sonntag anstehenden Wahl in der Türkei bietet sich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan als Brückenbauer für den angeschlagenen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi an. Er garantiert Gaddafi sicheres Geleit ins Exil. „Gaddafi hat keine andere Wahl als Libyen zu verlassen und zwar mit Hilfe der ihm angebotenen Sicherheiten“, sagte der türkische Ministerpräsident am Freitag. Ein entsprechendes Angebot von Seiten der Türkei liege Gaddafi vor. „Leider haben wir von Gaddafi immer noch keine Antwort bekommen“, sagte Erdogan sichtlich frustriert. Am Sonnabend zitierten türkische Medien Erdogan, die Türkei könne die Ausreise Gaddafis an einen Ort seiner Wahl organisieren. Türkei würde als Nato-Mitglied mit ihren westlichen Alliierten über eine Exil-Lösung verhandeln.

Gaddafi spiele auf Zeit, warf der türkische Ministerpräsident dem libyschen Machthaber zudem vor. „Ich habe ihn sechs oder sieben Mal kontaktiert. Wir haben unseren Sondergesandten zu ihm geschickt, doch sahen wir uns immer wieder mit Verzögerungstaktiken konfrontiert“, sagte Erdogan. So habe die libysche Führung einen Waffenstillstand gefordert, kurz darauf hätten die Gaddafi-Truppen aber erneut bombardiert.

Erdogan hatte Gaddafi immer wieder zu einer friedlichen Lösung in dem Konflikt mit Aufständischen aufgefordert und in den vergangenen Monaten mehrfach mit ihm telefoniert. Details zu seinem Vorschlag nannte Erdogan aber nicht.

Vor Beginn des Libyen-Konflikts zählte die Türkei zu den Verbündeten Gaddafis. Das muslimisch geprägte Land unterhielt enge Wirtschaftsbeziehungen zu dem nordafrikanischen Staat. Doch seit Beginn der Proteste in Libyen im Februar, die schließlich in einem Bürgerkrieg mündeten, hat sich Erdogan von Gaddafi distanziert und ihn wiederholt zum Rücktritt aufgefordert. Gaddafi hatte zuletzt erklärt, er wolle lieber als Märtyrer sterben, als sich zu ergeben.

Angriffe bei Misrata abgeebbt

Die massiven Artillerieangriffe libyscher Regierungstruppen auf die Ortschaft Al-Definija, 50 Kilometer westlich von Misrata, haben in der Nacht zum Sonnabend aufgehört. Der Beschuss mit Grad-Raketen und Panzergranaten sei eingestellt worden, berichteten die Aufständischen in Misrata. Nach ihren Angaben waren bei den Kämpfen am Vortag an der Front bei Al-Definija 31 Rebellen getötet und über 100 weitere verletzt worden. Misrata, die drittgrößte Stadt des Landes, ist von den Truppen des Machthabers Muammar al-Gaddafi eingekreist. Sie kann nur über den Seeweg erreicht werden.

Gaddafi-Truppen greifen Weltkulturerbe-Stadt an

Im zähen Ringen um die Oberhand in Libyen entstehen den Rebellen zufolge neue Fronten. Erstmals seit Beginn des Kriegs in dem nordafrikanischen Wüstenstaat nahmen Soldaten von Machthaber Muammar Gaddafi demnach die zum Unesco-Weltkulturerbe gehörende Stadt Gadamis unter Beschuss. Gaddafis Soldaten übten Vergeltung für jüngste Proteste in der Oase an der Grenze zwischen Libyen und Algerien, sagte ein Rebellensprecher am Freitag. Auch in der von der Regierung gehaltenen Mittelmeerstadt Slitan seien Kämpfe ausgebrochen, was den Gaddafi-Gegnern einen Zugang zur Hauptstadt über die Küste eröffnen könnte. Slitan liegt zwischen Tripolis und der Rebellenhochburg Misrata.

Ein Rebellensprecher in Benghasi sagte, um Slitan werde seit Donnerstag gekämpft. Gaddafis Soldaten hätten 22 Aufständische getötet. Die Rebellen hätten aber bereits einen Teil der Stadt unter ihre Kontrolle gebracht. Slitan ist eine von drei Städten zwischen der Rebellenstadt Misrata und der Hauptstadt Tripolis, die in der Hand von Gaddafi-Anhängern sind. Sollten die Rebellen Slitan erobern, könnten sich der Aufstand von dort weiter in Richtung Tripolis ausbreiten.

Für die Berichte über Kämpfe in Gadamis und Slitan gab es zunächst keine weitere Bestätigung. Die Regierung Gaddafis äußerte sich vorerst nicht dazu. Die Nato griff dem libyschen Staatsfernsehen zufolge erneut Tripolis an, während im Bündnis Differenzen zwischen den USA und Europa offenbar wurden. US-Außenminister Robert Gates warf den Bündnispartnern in scharfen Worten mangelndes Engagement vor.