Frankreich soll damit begonnen haben, erste Ziele in Libyen zu beschießen. Inzwischen sollen auch die USA und Großbritannien Raketen und Jets auf den Weg gebracht haben.

Bengasi. Mit massiven Luft- und Raketenangriffen hat der internationale Militäreinsatz gegen Libyen begonnen. Die USA und Großbritannien starteten am Sonnabend von Kriegsschiffen und U-Booten aus Raketenangriffe auf militärische Ziele des Regimes von Machthaber Muammar al-Gaddafi. Zudem griffen französische und britische Kampfjets in die Militäraktion ein. Beschossen wurden vor allem Ziele in Küstennähe.

Die von den Vereinten Nationen gebilligte Militäraktion soll verhindern, dass Gaddafi weiter Krieg gegen das eigene Volk führt. Die Angriffe begannen parallel zu einem Sondergipfel internationaler Spitzenpolitiker in Paris unter der Leitung von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.

Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurden mehr als 110 Marschflugkörper vom Typ Tomahawk abgefeuert. Rund 20 militärische Anlagen seien ins Visier genommen worden, sagte Vizeadmiral William Gortney. Französische Kampfflugzeuge beschossen ein Fahrzeug der libyschen Armee. Nach Informationen des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira trafen die Maschinen auch vier Panzer der Gaddafi-Truppen bei Bengasi, einer Hochburg der Aufständischen.

US-Präsident Barack Obama hatte den Einsatzbefehl an die US-Streitkräfte für eine „begrenzte Militäroperation in Libyen“ gegeben. „Diese Aktion hat jetzt begonnen“, sagte Obama am Sonnabend bei seinem Besuch in Brasilien. „Wir werden keine, ich wiederhole, keine US-Truppen am Boden einsetzen.“ Nach einem Bericht der „New York Times“ (Samstag) dürfen US-Soldaten nach dem Willen Obamas nur „Tage, nicht Wochen“ in den Kampf verstrickt werden.

Ein Sprecher der libyschen Regierung sprach von einem barbarischen Akt. Der Geist der Gaddafi-Anhänger werde dadurch aber nicht geschwächt, sagte er in einer vom britischen Sender BBC übertragenen Pressekonferenz in Tripolis. Der Sprecher wiederholte seine Forderung, dass internationale Beobachter nach Libyen kommen sollten. Am Vortag war bei einer entsprechenden Einladung auch ausdrücklich Deutschland ins Spiel gebracht worden.

Über das Ergebnis des Raketenbeschusses konnte das Pentagon noch keine Auskunft geben, weil die Angriffe in der Nacht stattfanden. Mit dem Beschuss sollten weitere Angriffe auf Zivilisten und Oppositionsgruppen bei Bengasi verhindert werden, hieß es. Zudem sollte das Gaddafi-Regime behindert werden, sich gegen die Einrichtung einer Flugverbotszone zu wehren.

Die Bundesregierung lehnt eine direkte Beteiligung deutscher Soldaten an der Operation ab und hatte sich im Sicherheitsrat der Stimme enthalten. Nach dem Sondergipfel in Paris sicherte Bundeskanzlerin Angela Merkel aber erneut indirekte Unterstützung zu. Die Bundeswehr werde die Nato in Afghanistan beim Einsatz der Awacs-Aufklärungsflüge stärker entlasten.

Sarkozy hatte Gaddafi nach dem Gipfel ultimativ aufgefordert, einzulenken. In der Gipfelerklärung hieß es, Gaddafi müsse die Gewalt einstellen, seine Streitkräfte aus eroberten Gebieten zurückziehen und humanitäre Hilfe ermöglichen. Noch während der Gipfel tagte, drangen französische und britische Kampfjets und Aufklärer in den libyschen Luftraum ein und überflogen auch Bengasi.

Die libysche Führung wies Berichte über Angriffe ihrer Truppen auf Bengasi zurück. Außenminister Mussa Kussa sagte in Tripolis: „Wir halten uns vollständig an die von uns verkündete einseitige Waffenruhe und das Ende aller Militäroperationen.“

Bei der Nato ist der französische Führungsanspruch bei der Operation umstritten. Das Bündnis bereitete sich weiter auf eine militärische Aktion vor, allerdings gab es zunächst keinen Konsens für ein gemeinsames Eingreifen.

Nach Angaben von Diplomaten gab es noch erhebliche Differenzen über die Frage, wer bei der „Koalition der Willigen“ tatsächlich dabei sein wird. Paris poche darauf, die Koordination des Einsatzes selbst zu übernehmen und der Nato keine sichtbare Rolle zu geben, hieß es. Frankreich befürchte, dass das Nato-Bündnis unter Führung der USA in der arabischen Welt einen schlechten Ruf habe.

Die Truppen Gaddafis hatten nach Augenzeugenberichten noch kurz vor Gipfelbeginn Bengasi mit Artillerie und Panzergranaten beschossen. Arabischen Medien zufolge drangen Regierungseinheiten in die südlichen Vorstädte ein. Auch Kampfflugzeuge seien über das Stadtgebiet geflogen. Ein Militärjet wurde abgeschossen – unklar war, ob er den Rebellen oder den Regierungstruppen gehörte.

Nach Angaben des Vorsitzenden der provisorischen Gegenregierung in Bengasi, Mustafa Abdul Dschalil, gab es viele Opfer. In den Krankenhäusern seien viele Verletzte, sagte er dem Sender Al-Dschasira.

Vor den Luft- und Raketenangriffen hatte Gaddafi in Briefen an verschiedene Staatsführer vor einem militärischen Eingreifen gewarnt. Wer sich in die Angelegenheiten des Landes einmische, werde dies bedauern. Die Angreifer müssten „unkalkulierbare Risiken für das Mittelmeer und Europa in Kauf nehmen“, drohte Gaddafi. Das UN-Flugverbot bezeichnete er als nichtig. Gaddafi schrieb auch an Obama und nannte ihn seinen „Sohn“. „Selbst wenn Libyen und die USA - Gott verbiete es – in den Krieg miteinander treten, wirst Du für immer mein Sohn bleiben.“ (dpa/abendblatt.de)

Alle Ereignisse in Libyen am Sonnabend im Liveticker

21.50 Uhr: US-Präsident Barack Obama hat den Einsatzbefehl an die US-Streitkräfte für eine „begrenzte Militäroperation in Libyen“ gegeben. „Diese Aktion hat jetzt begonnen“, sagte Obama am Sonnabend bei seinem Besuch in Brasilien. „Wir werden keine, ich wiederhole, keine US-Truppen am Boden einsetzen.“ Aber die USA könnten nicht zusehen, wie „Männer und Frauen in Libyen Brutalität und Tod durch die Hand ihrer eigenen Regierung“ ausgeliefert seien.

20.58 Uhr: Nach französischen Flugzeugen haben nun auch Kampfjets der britischen Luftwaffe in die Militäraktion in Libyen eingegriffen. Das bestätigte Großbritanniens Premierminister David Cameron. Die Militäraktion sei „notwendig, legal und richtig“, sagte der Regierungschef.

20.47 Uhr: Die Streitkräfte der USA haben Raketen auf Stellungen der libyschen Flugabwehr abgeschossen. Das teilte das Pentagon am Samstag mit. Als Ziele wurden Stellungen in der Umgebung der Hauptstadt Tripolis sowie entlang des Küstenstreifens südlich der Stadt Bengasi angegeben.

20.04 Uhr: Frankreich hat weitere Militäraktionen in Libyen angekündigt. Die Maßnahmen würden in den kommenden Tagen fortgesetzt, bis sich Machthaber Muammar Gaddafi an die UN-Resolution halte.

19.15 Uhr: Bei den Luftangriffen französischer Kampfjets auf Ziele in Libyen sind am Samstag nach arabischen Medienberichten auch vier Panzer der libyschen Regierungstruppen getroffen worden. Die Panzer seien am Rande der Aufständischen-Hochburg Bengasi im Osten des Landes bombardiert worden, berichtete der arabischen Fernsehsender Al-Dschasira unter Berufung auf Quellen in der Stadt. Über Opfer wurde zunächst nichts bekannt.

18.50 Uhr: Die US-Streitkräfte haben am Samstag mit der Vorbereitung von Angriffen auf libysche Ziele begonnen. Schiffe und Flugzeuge seien in Position gebracht worden, sagte ein Militär-Sprecher. Die amerikanische Marine werde Stellungen der libyschen Flugabwehr entlang der Küste vom Mittelmeer aus angreifen. An den ersten Militäraktionen französischer Kampfjets seien die US-Streitkräfte hingegen nicht beteiligt

18.03 Uhr: Die französischen Streitkräfte haben am Samstagnachmittag damit begonnen, in Libyen anzugreifen. Der französische Generalstab teilte in Paris mit, ein nicht näher identifiziertes Fahrzeug sei beschossen worden. Damit griff die internationale Koalition auf Grundlage der UN-Resolution 1973 direkt militärisch in Libyen ein, um die Gewalt der Truppen von Machthaber Muammar el Gaddafi gegen die Zivilbevölkerung zu stoppen.

17.22 Uhr: US-Präsident Barack Obama hat sich entschlossen gezeigt, die libysche Zivilbevölkerung zu schützen. Die Vereinigten Staaten und eine Koalition anderer Länder sei bereit, rasch zu handeln, um die Gewalt gegen Zivilisten in Libyen zu beenden, sagte Obama nach einem Treffen mit der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff in Brasilia. „Unsere Einigkeit war stark und unsere Entschlossenheit ist klar“, erklärte er weiter. „Das libysche Volk muss beschützt werden.“

16.50 Uhr: Merkel begrüßt Entscheidung zu militärischem Eingreifen in Libyen. Deutschland wird NATO durch Awacs-Einsatz in Afghanistan entlasten, sich an Militäraktionen gegen Gaddafi jedoch nicht beteiligen. Auch EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat das militärische Eingreifen in Libyen verteidigt.

16.47 Uhr: Italien stellt nach den Worten von Ministerpräsident Silvio Berlusconi derzeit nur Luftstützpunkte für den Einsatz über Libyen bereit. Die italienische Luftwaffe könnte sich aber zu einem späteren Zeitpunkt notfalls auch direkt beteiligen. Der Nato-Stützpunkt in Neapel könnte das Kommandozentrum des Einsatzes werden. Libyen war früher eine italienische Kolonie.

15.54 Uhr: Französische Kampfjets und die der Koalitionspartner befinden sich bereits über der libyschen Aufständischen-Hochburg Bengasi, um sie zu verteidigen. Sie seien bereit, Panzer der Truppen von Libyens Machthaber Muammar el Gaddafi anzugreifen, sagte der französische Präsident Nicolas Sarkozy nach dem Sondergipfel. Auch Großbritannien hat ein schnelles Eingreifen im Libyen-Konflikt engekündigt.

15.53 Uhr: Der französische Staatschef Nicolas Sarkozy hat am Nachmittag auf einer Pressekonferenz ein sofortiges militärisches Eingreifen gegen Libyen angekündigt. Frankreich habe bereits Maßnahmen gegen das libysche Regime getroffen, sagte Sarkozy. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, die Geduld mit dem libyschen Staatschef Muammar al Gaddafi werde ein Ende haben. Gaddafi müsse in den nächsten Minuten oder Stunden reagieren.

15.40 Uhr: Das vom UN-Sicherheitsrat verhängte Flugverbot über Libyen wird neben französischen Kampfjets auch von britischen und kanadischen Militärjets abgesichert. Ihr Auftrag sei zunächst die Aufklärung. Sie hätten aber auch Befehl einzugreifen, um libysche Truppenmanöver zu unterbinden. Das berichtete der französische TV-Sender BFMT-TV unter Berufung auf niederländische Delegationskreise nach dem Ende des Libyen-Sondergipfels in Paris.

15.02 Uhr: Nach dem grünen Licht durch den UN-Sicherheitsrat für ein Eingreifen in Libyen hat Frankreich erste Flüge über dem nordafrikanischen Land vorgenommen. Rafale-Kampfjets seien am Sonnabend zu Aufklärungszwecken über das „gesamte libysche Territorium“ geflogen, sagte ein französischer Armeevertreter. Eine am Donnerstag bechlossene UN-Resolution erlaubt, in Libyen eine Flugverbotszone und eine Waffenruhe „mit allen nötigen Maßnahmen“ durchzusetzen.

13.42 Uhr: Nach eigenen Angaben haben die libyschen Rebellen den Angriff der Regierungstruppen auf Bengasi abgewehrt. Ein Sprecher der Aufständischen sagte, es seien vier Panzer erbeutet worden. Durch die Stadt fuhr ein Panzer, auf dem etwa zwölf Menschen saßen - sie riefen „Wir haben gewonnen, wir haben gewonnen“.

13.30 Uhr: Die ersten Luftangriffe auf Ziele in Libyen könnten direkt nach dem Treffen der Staats- und Regierungschefs in Paris stattfinden. Das berichten Kreise, die mit der Diskussion über den Einsatz vertraut sind. Die erste Welle könnte demnach von Franzosen, Briten und Kanadiern geflogen werden. Danach würden die USA eingreifen und später die arabischen Staaten.

12.14 Uhr: Laut einem Bericht des „Focus“ sollen sich britische Militäreinheiten bereits seit Wochen in Libyen befinden, um Kampfeinsätze vorzubereiten. Die Sonderkommandos würden strategische Ziele wie Fliegerhorste, Luftabwehrstellungen und Kommunikationszentralen vermessen und für Bombenangriffe markieren. Die Kommandos gehörten zum Special Air Service (SAS) und zum Special Boat Service (SBS), die im Zweiten Weltkrieg gegründet wurden.

11.48 Uhr: Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi hat am Sonnabend in Briefen an führende Weltpolitiker den Weltsicherheitsratsbeschluss zur Verhängung eines Flugverbots über Libyen für „ungültig“ erklärt. „Die Resolution steht im Widerspruch zur UN-Charta, die jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedslandes verbietet“, hieß es in dem Schreiben, das der libysche Regierungssprecher Ibrahim Mussa vor der Presse in Tripolis verlas.

11.32 Uhr: Das am Sonnabend über der libyschen Hafenstadt Bengasi abgeschossene Kampfflugzeug ist wahrscheinlich nicht von Auftsändischen heruntergeholt, sondern Opfer der eigenen Truppe geworden. „Das Zusammenwirken von Steilfeuer und niedrig fliegender Luftwaffe erfordert einen enormen rechnergestützten Koordinierungsaufwand“, sagte ein Bundeswehrstabsoffizier aus dem Bereich Luftraummanagement am Sonnabend in Berlin. Es sei deshalb wahrscheinlich, dass libysche Artillerie das Luftfahrzeug beschädigte und zum Absturz brachte.

11.08 Uhr: Ein Gaddafi-Sprecher erklärt, die Weltmächte hätten kein Recht, sich in die inneren Angelegenheiten Libyens einzumischen. Die westlichen Mächte würden es bereuen, wenn sie es doch täten.

10.36 Uhr: Nach Meinung des Rebellenchefs Mustafa Abdel Dschalil muss die internationale Gemeinschaft schnell reagieren, um die Zivilisten vor den Angriffen der Truppen von Muammar Gaddafi zu schützen. Derzeit würden alle Stadtteile von Bengasi beschossen, sagte Dschalil dem Fernsehsender Al Dschasira. Die internationale Gemeinschaft sei bereits spät dran. Falls man heute nicht die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates umsetze, werde es in Benghasi eine Katastrophe geben.

9.05 Uhr: Ein Reuters-Korrespondent ist Zeuge einer Explosion in der Nähe des Hauptsitzes der Rebellen in der Stadt Benghasi im Osten des Landes geworden.

8.48 Uhr: Ein Sprecher der libyschen Regierung erklärt, ihre Streitkräfte seien in keine Kämpfe in Benghasi verwickelt. Die Regierung halte sich an die Waffenruhe.

8.37 Uhr: Ein Militärflugzeug ist über der Rebellen-Hochburg Benghasi abgeschossen worden. Der Kampfjet sei getroffen worden, in Flammen aufgegangen und am Boden aufgeschlagen, sagt ein Reuters-Korrespondent. Es sei viel schwarzer Rauch aufgestiegen. Nach Einschätzung des Korrespondenten wollte das Flugzeug Militärbaracken in Benghasi angreifen.

8.20 Uhr: Das Stadtzentrum der Rebellen-Hochburg Benghasi ist laut dem Fernsehsender Al-Dschasira beschossen worden. Der Sender bezieht sich auf seinen Korrespondenten.

7.56 Uhr: Truppen des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi haben einem Fernsehbericht zufolge die Rebellen-Hochburg Benghasi erreicht. Unter Berufung auf ihren Korrespondenten berichtet Al-Dschasira, die Streitkräfte befänden sich in den westlichen Vororten der Stadt.

Trotz einer am Vortag verkündeten Waffenruhe haben Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi am Sonnabend die ostlibysche Aufständischen-Hochburg Bengasi angegriffen. Dabei seien neben Bodentruppen auch Kampfflugzeuge eingesetzt worden, berichtet der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira. Ein Kampfflugzeug sei abgeschossen worden, berichteten Al-Dschasira- und BBC-Korrespondenten. Einheiten der Regimetruppen drangen laut Al-Dschasira in die Stadt ein. Die Regimetruppen setzten demnach auch schweres Artilleriefeuer und Raketen gegen Wohngebiete ein. In der Stadt seien Explosionen zu hören gewesen. In den Fernsehberichten war auch das Luftabwehrfeuer der Verteidiger zu hören. Das Regime in Tripolis stritt indes ab, die Stadt angegriffen zu haben. Die Truppen am Rand von Tripolis hätten nach Attacken der Rebellen „in Selbstverteidigung“ gehandelt, heißt es in einer Erklärung der staatlichen Nachrichtenagentur Jana. Gaddafis Streitkräfte waren am Freitagabend, wenige Stunden nach der Waffenstillstandserklärung des Regimes, aus mehr als 100 Kilometer Entfernung kommend auf Bengasi vorgerückt. Der Weltsicherheitsrat hatte in der Nacht zum Freitag ein Flugverbot über Libyen beschlossen und militärische Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung erlaubt, die keine Bodentruppen vorsehen. Die internationale Gemeinschaft ist damit ermächtigt, gegen die Gaddafi-Truppen militärisch vorzugehen. In Paris wollten sich am Samstag Spitzenpolitiker aus aller Welt treffen, um die weitere Vorgangsweise abzustimmen. Militäraktionen unter Beteiligung Frankreichs, Großbritanniens, der USA und anderer Staaten könnten wenige Stunden darauf beginnen.

Die libysche Führung hatte am Freitag als Reaktion auf eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrats eine sofortige Waffenruhe erklärt. Die Aufständischen und die libysche Führung warfen sich jedoch gegenseitig die Missachtung der Waffenruhe vor. Die bei Enthaltung Deutschlands verabschiedete Resolution des Sicherheitsrats erlaubt, eine Flugverbotszone über Libyen und eine Waffenruhe „mit allen nötigen Maßnahmen“ durchzusetzen, um die Gewalt gegen die Opposition und Zivilisten zu stoppen.

Der Völkerrechtler Wolfgang Ischinger kritisierte die Enthaltung Deutschlands. Da die Bundesregierung ohnehin erklärt habe, sie trage viele Teile der Resolution mit, wäre es eleganter gewesen, Deutschland hätte zugestimmt, sagte der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag im Deutschlandradio Kultur. Der deutsche UN-Botschafter hätte eine Stimmerklärung abgeben und dabei klar machen können, dass die Zustimmung im Prinzip gelte, die Beteiligung an einem möglichen Einsatz mit eigenen Soldaten aber nicht ins Auge gefasst werde, fügte Ischinger hinzu.

Grundsätzlich ist nach Einschätzung Ischingers die Skepsis am Sinn und an der Effektivität eines militärischen Vorgehens in Libyen berechtigt. „Der Sicherheitsrat hat ausdrücklich den Einsatz von Bodentruppen ausgeschlossen. (...) Hier öffnet sich möglicherweise für das libysche System ein Schlupfloch, eine Möglichkeit, den Druck des Westens (...) aus der Luft am Boden zu unterlaufen“, sagte der ehemalige deutsche Diplomat. Diese Skepsis sei bis zu der Entscheidung über die Flugverbotszone auch von der Seite der USA geteilt worden. Aufgrund dieser berechtigten Zweifel hätte es nach Auffassung Ischingers auch gereicht, das Mittel des militärischen Drucks zunächst noch in der Hinterhand zu halten und nicht sofort zu drohen


Wenige Stunden nach der Verhängung einer Flugverbotszone durch den UN-Sicherheitsrat rief Machthaber Muammar al Gaddafi am Freitag eine Waffenruhe aus. Die USA forderten hingegen einen vollständigen Rückzug der Regierungstruppen aus dem Osten des Landes. Frankreich und Großbritannien kündigten den Einsatz von Kampfjets „binnen Stunden“ an. Die Zahl der Flüchtlinge stieg unterdessen auf mehr als 300.000.

Chalid Kaim, der stellvertretende libysche Außenminister, hat am Freitag vorgeschlagen, dass internationale Beobachter nach Libyen kommen sollen, um die von Machthaber Muammar al Gaddafi einseitig verkündeten Waffenruhe zu beobachten. Auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Tripolis sagte Kaim, Deutschland, China, Malta und die Türkei sollten Gesandte schicken.

Der UN-Sicherheitsrat hatte am Donnerstagabend eine Resolution verabschiedet, in der er einen Waffenstillstand verlangte und die Mitgliedsstaaten ermächtigte, "alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung“ zu ergreifen. Außerdem genehmigte er die Einrichtung einer Flugverbotszone. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung enthalten.

Der libysche Außenminister Mussa Kussa nannte die Resolution eine Verletzung der libyschen Souveränität. Gleichzeitig erklärte er aber, der Waffenstillstand entspreche der Forderung der UN-Resolution. Der sofortige Waffenstillstand werde dem Land die Sicherheit zurückbringen und den Schutz aller Libyer sicherstellen. Die Regierung habe den Weg freigemacht für „einen echten und ernsthaften Dialog mit allen Parteien“.

Die USA haben dem libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi ein letztes Ultimatum gesetzt. Der Diktator habe die Wahl, in seinem Kampf gegen die Rebellen sofort die Waffen ruhen zu lassen und all seine Truppen zurückzuziehen, sagte US-Präsident Barack Obama am Freitag. Sonst würde er entsprechend der UN-Resolution militärische Konsequenzen zu spüren bekommen.

Die USA würden die Weltgemeinschaft bei Durchsetzung einer Flugverbotszone über Libyen unterstützen. Das US-Militär würde dabei seine „speziellen Fähigkeiten“ zur Verfügung stellen, sagte Obama weiter. Details über den möglichen amerikanischen Militäreinsatz ließ er in seiner Erklärung allerdings offen. Er machte jedoch klar, keine Bodentruppen nach Libyen entsenden zu wollen. Die USA würden zudem keine Alleingänge unternehmen, sondern nur als Teil einer internationalen Gemeinschaft handeln.

Er habe Verteidigungsminister Robert Gates angewiesen, die Koordination in Zusammenarbeit mit den Alliierten zu übernehmen. Zudem werde Außenministerin Hillary Clinton am Sonnabend in Paris an dem Libyen-Gipfel mehrerer Staats- und Regierungschefs teilnehmen.

Die USA bezeichneten die einseitig ausgerufene Waffenruhe als nicht ausreichend. „Wir müssten schon konkrete Schritte am Boden sehen – und ob das geschehen wird, ist bisher vollkommen unklar“, sagte US-Außenministerin Hillary Clinton in Washington. Die Welt warte auf eindeutige Reaktionen Gaddafis. Damit die Sicherheit der Menschen in Libyen gewährleiste sei, müssten sich die Regierungstruppen „in maßgeblicher Distanz vom Osten weg“ entfernen, sagte Clinton.

Wenige Stunden vor der Abstimmung in New York hatte sich Gaddafi noch entschlossen gezeigt, die Rebellenhochburg Bengasi und die übrigen Gebiete in der Hand der Aufständischen in Kürze zurückzuerobern. Libysche Panzer griffen am Freitagmorgen die Stadt Misrata an, die drittgrößte und letzte von Rebellen gehaltene Stadt im Westen des Landes. Mindestens sechs Menschen sollen dabei getötet worden sein. Nach Angaben eines Sprechers der Regimegegner, Mustafa Gheriani, wurden die Angriffe von Gaddafis Truppen auch nach der Verkündung der Waffenruhe fortgesetzt.

Paris und London zeigen sich entschlossen

Nach der Resolution des UN-Sicherheitsrats berieten Frankreich, Großbritannien und die NATO in Dringlichkeitssitzungen über die Durchsetzung des Beschlusses. Man werde einen Einsatz „binnen Stunden“ unterstützen, kündigte der französische Premierminister Francois Fillon an. Der britische Premierminister David Cameron erklärte, britische Eurofighter und Tornado-Kampfflugzeuge würden helfen, das Flugverbot durchzusetzen.

„Die Uhr tickt und wir müssen bereit sein, schnell zu handeln“, sagte Cameron. Zur Durchsetzung des Flugverbots könnte die NATO eine Basis auf Sizilien und US-Flugzeugträger im Mittelmeer nutzen. Aus US-Regierungskreisen hieß es, man werde bis Sonntag oder Montag erste Einheiten einsatzbereit haben.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle stellte klar, dass sich keine deutschen Soldaten an einem Militärschlag beteiligen werden. Allerdings erwäge die Bundesregierung einen Einsatz von Awacs-Überwachungsflugzeugen in Afghanistan, um die NATO für einen möglichen Einsatz in Libyen zu entlasten, sagte er am Freitag in einer Regierungserklärung im Bundestag.

Enthaltung „nicht mit Neutralität zu verwechseln“

Deutschland hatte sich wie die Vetomächte China und Russland bei der Abstimmung in New York enthalten. In deutschen Diplomatenkreisen gibt es die Hoffnung, die Drohung eines Einsatzes könne ausreichen, um ein Ende der Gewalt zu erreichen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte am Freitag die deutsche Zurückhaltung. Die Enthaltung im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über einen Militäreinsatz zum Schutz der libyschen Bevölkerung sei „nicht mit Neutralität zu verwechseln“, sagte die CDU-Chefin in Berlin. Die Ziele der neuen UN-Resolution teile ihre Regierung „uneingeschränkt“.

Merkel reist am (morgigen) Sonnabend auf Einladung des französischen Staatspräsidenten Nikolas Sarkozy nach Paris zu einem Krisentreffen. Mit dabei sind unter anderem die Regierungschefs Großbritanniens, Italiens, Spaniens, Portugals und Belgiens sowie Vertreter der Arabischen Liga. Ebenfalls anreisen werden EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton.

Die EU warnte am Freitag vor Alleingängen des Westens. Zur Umsetzung der UN-Resolution müsse „eine enge Zusammenarbeit mit den UN, mit der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union sichergestellt werden“, betonten Ashton und van Rompuy.

Flüchtlingsstrom nimmt weiter zu

Angesichts der jüngsten Entwicklungen nahm der Flüchtlingsstrom aus Libyen nach UN-Angaben weiter zu. Bislang hätten rund 300.000 Menschen das Land verlassen, teilte eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) am Freitag in Genf mit. Die Angst vor Vergeltungsmaßnahmen von Machthaber Muammar al Gaddafi könnte allerdings noch weitere Menschen in die Flucht treiben. UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming erklärte, täglich kämen zwischen 1.500 bis 2.500 Menschen über die libyschen Grenzen.