Der stellvertretende libysche Außenminister schlägt vor, dass Beobachter die von Gaddafi verhängte Waffenruhe in Libyen beobachten sollten.

Tripolis/Berlin. Die Lage in Libyen hat sich am Freitag weiter zugespitzt. Wenige Stunden nach der Verhängung einer Flugverbotszone durch den UN-Sicherheitsrat rief Machthaber Muammar al Gaddafi eine Waffenruhe aus. Die USA forderten hingegen einen vollständigen Rückzug der Regierungstruppen aus dem Osten des Landes. Frankreich und Großbritannien kündigten den Einsatz von Kampfjets „binnen Stunden“ an. Die Zahl der Flüchtlinge stieg unterdessen auf mehr als 300.000.

Chalid Kaim, der stellvertretende libysche Außenminister, hat am Freitag vorgeschlagen, dass internationale Beobachter nach Libyen kommen sollen, um die von Machthaber Muammar al Gaddafi einseitig verkündeten Waffenruhe zu beobachten. Auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Tripolis sagte Kaim, Deutschland, China, Malta und die Türkei sollten Gesandte schicken.

Der UN-Sicherheitsrat hatte am Donnerstagabend eine Resolution verabschiedet, in der er einen Waffenstillstand verlangte und die Mitgliedsstaaten ermächtigte, "alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung“ zu ergreifen. Außerdem genehmigte er die Einrichtung einer Flugverbotszone. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung enthalten.

Der libysche Außenminister Mussa Kussa nannte die Resolution eine Verletzung der libyschen Souveränität. Gleichzeitig erklärte er aber, der Waffenstillstand entspreche der Forderung der UN-Resolution. Der sofortige Waffenstillstand werde dem Land die Sicherheit zurückbringen und den Schutz aller Libyer sicherstellen. Die Regierung habe den Weg freigemacht für „einen echten und ernsthaften Dialog mit allen Parteien“.

USA stellen Gaddafi letztes Ultimatum

Die USA haben dem libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi ein letztes Ultimatum gesetzt. Der Diktator habe die Wahl, in seinem Kampf gegen die Rebellen sofort die Waffen ruhen zu lassen und all seine Truppen zurückzuziehen, sagte US-Präsident Barack Obama am Freitag. Sonst würde er entsprechend der UN-Resolution militärische Konsequenzen zu spüren bekommen.

Die USA würden die Weltgemeinschaft bei Durchsetzung einer Flugverbotszone über Libyen unterstützen. Das US-Militär würde dabei seine „speziellen Fähigkeiten“ zur Verfügung stellen, sagte Obama weiter. Details über den möglichen amerikanischen Militäreinsatz ließ er in seiner Erklärung allerdings offen. Er machte jedoch klar, keine Bodentruppen nach Libyen entsenden zu wollen. Die USA würden zudem keine Alleingänge unternehmen, sondern nur als Teil einer internationalen Gemeinschaft handeln.

Er habe Verteidigungsminister Robert Gates angewiesen, die Koordination in Zusammenarbeit mit den Alliierten zu übernehmen. Zudem werde Außenministerin Hillary Clinton am Samstag in Paris an dem Libyen-Gipfel mehrerer Staats- und Regierungschefs teilnehmen.

Die USA bezeichneten die einseitig ausgerufene Waffenruhe als nicht ausreichend. „Wir müssten schon konkrete Schritte am Boden sehen – und ob das geschehen wird, ist bisher vollkommen unklar“, sagte US-Außenministerin Hillary Clinton in Washington. Die Welt warte auf eindeutige Reaktionen Gaddafis. Damit die Sicherheit der Menschen in Libyen gewährleiste sei, müssten sich die Regierungstruppen „in maßgeblicher Distanz vom Osten weg“ entfernen, sagte Clinton.

Wenige Stunden vor der Abstimmung in New York hatte sich Gaddafi noch entschlossen gezeigt, die Rebellenhochburg Bengasi und die übrigen Gebiete in der Hand der Aufständischen in Kürze zurückzuerobern. Libysche Panzer griffen am Freitagmorgen die Stadt Misrata an, die drittgrößte und letzte von Rebellen gehaltene Stadt im Westen des Landes. Mindestens sechs Menschen sollen dabei getötet worden sein. Nach Angaben eines Sprechers der Regimegegner, Mustafa Gheriani, wurden die Angriffe von Gaddafis Truppen auch nach der Verkündung der Waffenruhe fortgesetzt.

Paris und London zeigen sich entschlossen

Nach der Resolution des UN-Sicherheitsrats berieten Frankreich, Großbritannien und die NATO in Dringlichkeitssitzungen über die Durchsetzung des Beschlusses. Man werde einen Einsatz „binnen Stunden“ unterstützen, kündigte der französische Premierminister Francois Fillon an. Der britische Premierminister David Cameron erklärte, britische Eurofighter und Tornado-Kampfflugzeuge würden helfen, das Flugverbot durchzusetzen.

„Die Uhr tickt und wir müssen bereit sein, schnell zu handeln“, sagte Cameron. Zur Durchsetzung des Flugverbots könnte die NATO eine Basis auf Sizilien und US-Flugzeugträger im Mittelmeer nutzen. Aus US-Regierungskreisen hieß es, man werde bis Sonntag oder Montag erste Einheiten einsatzbereit haben.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle stellte klar, dass sich keine deutschen Soldaten an einem Militärschlag beteiligen werden. Allerdings erwäge die Bundesregierung einen Einsatz von Awacs-Überwachungsflugzeugen in Afghanistan, um die NATO für einen möglichen Einsatz in Libyen zu entlasten, sagte er am Freitag in einer Regierungserklärung im Bundestag.

Enthaltung „nicht mit Neutralität zu verwechseln“

Deutschland hatte sich wie die Vetomächte China und Russland bei der Abstimmung in New York enthalten. In deutschen Diplomatenkreisen gibt es die Hoffnung, die Drohung eines Einsatzes könne ausreichen, um ein Ende der Gewalt zu erreichen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte am Freitag die deutsche Zurückhaltung. Die Enthaltung im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über einen Militäreinsatz zum Schutz der libyschen Bevölkerung sei „nicht mit Neutralität zu verwechseln“, sagte die CDU-Chefin in Berlin. Die Ziele der neuen UN-Resolution teile ihre Regierung „uneingeschränkt“.

Merkel reist am (morgigen) Sonnabend auf Einladung des französischen Staatspräsidenten Nikolas Sarkozy nach Paris zu einem Krisentreffen. Mit dabei sind unter anderem die Regierungschefs Großbritanniens, Italiens, Spaniens, Portugals und Belgiens sowie Vertreter der Arabischen Liga. Ebenfalls anreisen werden EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton.

Die EU warnte am Freitag vor Alleingängen des Westens. Zur Umsetzung der UN-Resolution müsse „eine enge Zusammenarbeit mit den UN, mit der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union sichergestellt werden“, betonten Ashton und van Rompuy.

Flüchtlingsstrom nimmt weiter zu

Angesichts der jüngsten Entwicklungen nahm der Flüchtlingsstrom aus Libyen nach UN-Angaben weiter zu. Bislang hätten rund 300.000 Menschen das Land verlassen, teilte eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) am Freitag in Genf mit. Die Angst vor Vergeltungsmaßnahmen von Machthaber Muammar al Gaddafi könnte allerdings noch weitere Menschen in die Flucht treiben. UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming erklärte, täglich kämen zwischen 1.500 bis 2.500 Menschen über die libyschen Grenzen.