Sondereinsatzkräfte, ausländische Söldner und Anhänger Gaddafis hätten Demonstranten mit Messern, Sturmgewehren und Waffen verfolgt.

Tripolis/ Kairo. Nach den Protesten gegen den libyschen Staatschef Muammar al Gaddafi sind nach Angaben eines Krankenhausarztes aus Bengasi in den vergangenen Tagen mindestens 200 Demonstranten getötet worden. Die Leichen seien in seiner Klinik eingeliefert worden, sagte der Arzt, der namentlich nicht genannt werden wollte.

Augenzeugen sagten der Nachrichtenagentur AP, am Samstag hätten Sondereinsatzkräfte, ausländische Söldner und Anhänger Gaddafis Demonstranten mit Messern, Sturmgewehren und großkalibrigen Waffen verfolgt. Bengasi ist eines der Zentren der Proteste gegen die Regierung in Libyen.

Der Weg zur Freiheit wird teuer bezahlt

Der Weg zu mehr Freiheit wird in Libyen teuer bezahlt: Bei neuen Protesten von Regierungsgegnern sind erneut zahlreiche Menschen getötet worden. In der Hafenstadt Benghasi schossen am Sonnabend Einwohnern zufolge Scharfschützen der Sicherheitskräfte aus einem befestigten Gelände heraus auf Demonstranten. Dutzende Menschen seien getötet worden. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa zitierte einen Augenzeugen, wonach die Stadt nach den tagelangen Unruhen „völlig außer Kontrolle“ sei. Einwohnern zufolge wurden allmählich die Lebensmittel knapp. Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira berichtete zuvor von mindestens 15 Toten, als Sicherheitskräfte das Feuer auf eine Trauerfeier eröffnet hätten. Führende muslimische Geistliche des Landes riefen die Sicherheitskräfte auf, das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten zu beenden.

„Dutzende wurden getötet, ...nicht 15, Dutzende. Wir befinden und mitten in einem Massaker“, sagte ein Einwohner. Seinen Worten zufolge wurden die Demonstranten erschossen, als sie versuchten in die Kommandozentrale der Sicherheitskräfte einzudringen. Ein anderer Einwohner sagte, die Sicherheitskräfte hätten sich auf das Gelände der Einsatzleitung zurückgezogen. Ein Italiener berichtete der Agentur Ansa aus der Stadt, dass Regierungs- und Verwaltungsgebäude sowie eine Bank niedergebrannt worden seien. „Die Rebellen haben geplündert und alles zerstört“, sagte der Augenzeuge. Nirgendwo sei Polizei zu sehen. Eine Gruppe muslimischer Geistlicher forderten die Sicherheitskräfte auf, dem Töten ein Ende zu machen. „Stoppt das Massaker jetzt“, hieß es in ihrem Appell.

Zuvor waren erneut Tausende Menschen im rund 1000 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis gelegenen Benghasi auf die Straße gegangen, um gegen Staatschef Muamar Gaddafi zu demonstrieren. Bereits bei den Protesten in den vorangegangenen drei Tagen waren nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mindestens 84 Menschen getötet.

Eine unabhängige Bestätigung für die Angaben gab es nicht. Ausländische Reporter sind nicht zugelassen, einheimischen Journalisten wurde die Reise nach Benghasi verwehrt, wo die Unterstützung für Gaddafi deutlich geringer als in anderen Landesteilen ist. Die Regierung äußerte sich nicht zu den Gewaltausbrüchen. Es sind die schwersten Unruhen in Gaddafis 40-jähriger Herrschaft. Wegen der Medienzensur ist das Ausmaß der Proteste aber nur schwer abzuschätzen. Zudem waren die Mobilfunkverbindungen in das Zentrum des Protests im Osten des Landes häufig unterbrochen. Auch wurde die Internet-Verbindung in Libyen gekappt.

Proteste für Demokratie und soziale Reformen gab es am Samstag auch in Algerien, dem Jemen, in Bahrain, Oman und Kuwait sowie im Kleinstaat Dschibuti am Horn von Afrika. (Reuters/abendblatt.de)

Bahrain: Panzer und Polizisten ziehen sich aus Straßen zurück

Nach gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten in Bahrain hat die Herrscherfamilie am Sonnabend Panzer und Soldaten aus den Straßen der Hauptstadt Manama abgezogen und damit eine Kernforderung der Opposition erfüllt. Einige Bürger reagierten mit Jubel auf den Abzug - sie hupten, schwenkten bahrainische Flaggen und spreizten ihre Finger zum Victory-Zeichen.

Kronprinz Salman bin Hamad al Chalifa rief in einer kurzen Fernsehansprache die Bevölkerung zur Ruhe und politischem Dialog auf. Der britische Außenminister William Hague begrüße in einem Telefonat mit dem Kronprinzen den Abzug der Panzer und stellte sich hinter die Aufnahme von Gesprächen mit den Regierungsgegnern. Der Kronprinz, der auch stellvertretende Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, hat vom Königshaus den Auftrag erhalten, einen Dialog mit den Anführern der Proteste aufzunehmen.

Der Abzug der Panzer aus Manama allein sei jedoch nicht ausreichend für die Eröffnung eines Dialogs, sagte der Oppositionsaktivist Ibrahim Scharif, Kopf der Waad Gesellschaft, unter deren Dach sich verschiedene Protestbewegungen organisiert haben. Er forderte Garantien dafür, dass die Demonstranten ihre Kundgebungen ohne Angst vor Angriffen durchführen können.

Tausende jubelnde Menschen marschierten nach der Räumung des zentralen Perlen-Platzes von den Sicherheitskräften dorthin. Sie trugen Flaggen, Blumen und Schilder. Auf einem stand «Friedlich, friedlich.» «Wir haben gesiegt», riefen einige Demonstranten.

Bei Einbruch der Nacht errichteten Demonstranten Barrikaden und ein Erste-Hilfe-Zelt auf dem Platz, verkabelten ein Warnsystem und stellten Wachposten auf, die vor einem Heranrücken der Sicherheitskräfte warnen sollten.

Die Gewerkschaften riefen für (den morgigen) Sonntag zu einem Generalstreik auf.

Bei Protesten von Regierungsgegnern in Bahrain hatten Soldaten am Freitag das Feuer auf Tausende Demonstranten eröffnet und den Perlen-Platz geräumt. Mindestens 50 Menschen wurden nach Angaben von Ärzten verletzt. Am Donnerstag waren bei der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten fünf Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden.

US-Präsident Barack Obama verurteilte die Gewalt in dem Golfstaat am Freitag und forderte König Hamad bin Isa Al Chalifa in einem persönlichen Telefongespräch zu Zurückhaltung auf. Obama forderte auch, dass diejenigen, die für die Gewalt verantwortlich waren, zur Rechenschaft gezogen werden müssten.

Bahrain müsse die «universellen Rechte» der Menschen respektieren und sinnvolle Reformen einleiten, forderte Obama weiter. Der Golfstaat ist Stützpunkt der 5. US-Flotte.

Begonnen hatten die Proteste in Bahrain zunächst mit der Forderung nach politischen Reformen. Inzwischen richtet sich der Protest aber gegen das gesamte Regime und das sunnitische Königshaus des Golfstaats. Die Bevölkerungsmehrheit besteht aus Schiiten. (dapd/abendblatt.de)