Politiker streiten über die Folgen des Attentats von Arizona. Die Republikaner zeigen sich empört über den Vorwurf der Mittäterschaft.

Washington. Arizona senkt seine Fahnen auf halbmast. Der Präsident hält um elf Uhr vor dem Weißen Haus für eine Minute in seinen Geschäften inne. Niemand kann sagen, Amerika habe die Katastrophe der Schüsse von Tucson nicht verstanden. Oder es sei bereit, sie zu vergessen. Zwei Tage nach der Tat, die sechs Menschen den Tod brachte und 14 schwer verletzte, trauern Amerikaner gemeinsam und streiten leidenschaftlich miteinander über die Bedeutung und Folgen des Attentats. Ein Anschlag auf einen sei ein Anschlag auf alle, hatte John Boehner gesagt und Politiker gemeint. Getroffen wurde jeder Amerikaner.

Jared Lee Loughner sei ein unpolitischer, geisteskranker Junge, berichten die Republikaner. "Menschen töten, nicht Waffen." Loughner handelte in einem von Hassrethorik und Gewaltfantasien vergifteten Klima, empören sich die Demokraten, Slogans wie Sarah Palins "Nicht nachgeben, nachladen!" hätten Folgen. Die einzige unbestreitbar gute Nachricht: Gabrielle Giffords, die durch den Kopf geschossene Abgeordnete, hat in all dem Grauen enormes Glück gehabt. Ihre "vorsichtig optimistischen" Ärzte berichten, sie reagiere in Wachphasen auf Ansprache und zeige hochkomplexe Gehirnfunktionen. Sie glauben, dass sie durchkommt. Die Kugel durchdrang die linke Gehirnhälfte, verfehlte die Zentren. Ihre Genesung wird, wenn sie gelingt, viele Monate brauchen: Gabrielle Giffords wird nie wieder die Frau sein, die sie am Morgen des 8. Januar war.

Das erschütternste Interview führte der Kabelsender MSNBC am Telefon mit Roxanna Green. Die Mutter der neunjährigen Christina, die ihren Schussverletzungen erlag, rief ihre Landsleute auf, "die Gewalt zu beenden, den Hass zu beenden". Weniger als 24 Stunden nach dem Mord erinnerte sie daran, dass ihre Tochter am 11. September 2001 geboren wurde. Lange habe ihr Mädchen geglaubt, es sei an einem besonderen Feiertag auf die Welt gekommen. "Ich möchte nur, dass das Gedenken an sie fortlebt", sagte Roxanna Green mit bebender Stimme.

Die Ermittler haben keine Mühe, den Wahn des Mörders in Webblogs, Videos und in Notizen nachzuweisen. Loughner, so zeigt sich, hat Gabrielle Giffords seit Jahren verachtet und gehasst; seine wirren Klagen und Anklagen kommen weder von links noch rechts. Ihn zum mörderischen Vollstrecker der Tea Party zu machen, die mit Märschen auf Washington und Bürgernotwehren kokettiert, ist zu weit hergeholt. Die Motive eines vermutlich Geisteskranken folgen keiner politischen Logik, auch wenn "Mein Kampf" und das "Kommunistische Manifest" zu seinen Lieblingsbüchern zählen.

Nichts ist leichter, als nachzuvollziehen, warum prominente Republikaner in den politischen Talkshows jeden Vorwurf geistiger Mittäterschaft empört von sich wiesen. Schon weil er bei Palin und etlichen rechten Kommentatoren wie Glenn Beck und Rush Limbaugh eben nicht zu entkräften ist. Der republikanische Senator aus Arizona Jon Kyl verwahrte sich zornesrot gegen "voreilige Schlüsse". Verwirrte Menschen gebe es überall, damit müsse man leben. Gabrielle Gifford sei, fügte Kyl hinzu, eine leidenschaftliche Verfechterin des Zweiten Verfassungszusatzes. Sie besaß, mindestens eine Weile lang, selbst eine Glock-Pistole und verteidigte das Recht, Waffen zu tragen, zudem als "Tradition Arizonas". In der Tat liegt das im alten Westen notorische Nest Tombstone, in dem Wyatt Earp und Doc Holliday sich am "OK Corral" in die Mythenwelt schossen, in ihrem Wahlkreis. Gegner der extrem laxen Waffengesetze in Arizona machen darauf aufmerksam, dass das verlängerte, 31 Schuss fassende Magazin der Mordwaffe - von Loughner mühelos in einem Waffengeschäft in Tucson erworben - während der Clinton-Jahre auf der Verbotsliste stand und schwer zu bekommen war. Jared Lee Loughney wurde erst überwältigt, als er sein Magazin leer geschossen hatte und nachladen wollte. Die Vermutung, dass in Tucson weniger Menschen von Kugeln getroffen und getötet worden wären, wenn in seiner Waffe ein normales Magazin gesteckt hätte, ist naheliegend. Sie führt zugleich ins Leere, weil es am politischen Willen fehlt, Waffengebrauch zu bändigen.

Immerhin könnte die Debatte der Parteien über die Bluttat von Arizona mäßigend auf den zuletzt teils hasserfüllten Umgang mit dem politischen Gegner wirken.

Für eine Weile könnte eine gewisse Zurückhaltung bei den Rechten wirken. Mark Kelly, der Ehemann von Gabrielle Giffords, dankte in einer Stellungnahme jenen, die nach dem Attentat ihre Hilfe anbieten. Es bleibe wenig mehr zu tun, als für die, die um ihr Leben und ihre Genesung rängen, zu beten.