Die zweite Verhandlungsrunde startet heute in Ägypten. Israels Ministerpräsident Netanjahu will weiter Siedlungen bauen lassen.

Hamburg/Jerusalem. Erst einmal haben sich Israelis und Palästinenser bei den neuen Nahost-Friedensverhandlungen getroffen, mit denen die politische Eiszeit der vergangenen zwei Jahre durchbrochen werden sollte. Das Ergebnis dieses aufwendigen Gipfels in Washington Anfang des Monats, an dem außer Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas US-Präsident Barack Obama , Ägyptens Staatschef Hosni Mubarak und König Abdullah II. von Jordanien beteiligt waren, war angesichts der gigantischen Hindernisse, die es zu beseitigen gilt, von erlesener Dürftigkeit. Beide Seiten vereinbarten lediglich, sich alle zwei Wochen zu treffen. Das zweite Treffen findet nun heute im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich statt. Und wenn sich die Dinge weiter so negativ entwickeln, könnte es bereits das letzte Treffen sein.

Denn Netanjahu hat sich am Sonntag in einer Weise zum derzeit heißesten Konfliktpunkt - den jüdischen Siedlungen im Westjordanland - geäußert, dass er damit die Palästinenser gegen sich aufbrachte. Der Regierungschef deutete zwar gegenüber der linken israelischen Zeitung "Haaretz" an, dass es einen Kompromiss in der Siedlungsfrage geben könnte. Netanjahu sagte, die Palästinenser wollten "null Siedlungsbau", die Israelis wollten weiterbauen. "Zwischen null und eins gibt es eine Menge Möglichkeiten. Und ich weiß nicht, ob es notwendig ist, alle vorgesehenen 20 000 Wohneinheiten tatsächlich zu bauen."

Darin liegt zwar ein winziges Angebot; entscheidend für die Palästinenser ist jedoch der andere Teil der Aussage von Netanjahu: Nämlich, dass seine Regierung das vorübergehende Baustopp-Moratorium, das auf amerikanischen Druck hin erfolgte und am 26. September ausläuft, nicht verlängern werde. Abbas hat für diesen Fall damit gedroht, die Verhandlungen abzubrechen. Die israelische Friedensgruppe "Peace Now" warnte bereits vor einem Bauboom bei jüdischen Siedlungen im Westjordanland, falls das zehnmonatige Moratorium nicht verlängert werde. Dann könnten die Siedler nämlich mehr als 13 000 Wohneinheiten sofort ohne behördliche Genehmigungen bauen. Für mehr als 2000 Wohnungen seien bereits die Fundamente errichtet worden. Die Palästinenser, aber auch Barack Obama fordern eine Verlängerung des Moratoriums; die erzkonservativen Koalitionspartner Netanjahus fordern, es Ende September auslaufen zu lassen.

Die arabische Welt argwöhnt, dass Netanjahu bei den Gesprächen auf Zeit spielt, um die Palästinenser zu zermürben und den Druck der Obama-Regierung auszusitzen. Aus diesem Grund hatte Abbas darauf bestanden, die Verhandlungen unter ein Zeitlimit zu stellen - sie sollen binnen eines Jahres abgeschlossen sein. Diese Verhandlungen sollten erklärtermaßen die ersten sein, die die Hauptstreitpunkte zwischen Israelis und Palästinensern behandeln: Neben der Frage im Westjordanland und in Ostjerusalem sind dies der Status von Jerusalem, das beide Seiten als Hauptstadt beanspruchen, die Frage der fast fünf Millionen palästinensischen Flüchtlinge und die Grenzen eines zukünftigen Palästinenserstaates. US-Außenministerin Hillary Clinton, die in Scharm al-Scheich zugegen sein will, sagte, diese Verhandlungen seien möglicherweise die letzte Chance für Israelis und Palästinenser.

Doch derzeit treten sie auf der Stelle. Ein europäischer Diplomat im Nahen Osten ließ gegenüber der Deutschen Presse-Agentur eine pessimistische Haltung erkennen. Er sagte, die Palästinenser wären gut beraten, wenn sie jetzt erklären würden, dass sie nach einem ergebnislosen Jahr die Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung aufgeben werden. Sie sollten dann lieber bei den Vereinten Nationen die Gründung eines gemeinsamen Staates für Juden und Araber auf dem Territorium des gesamten früheren britischen Mandatsgebiets beantragen.

Netanjahu forderte vor der zweiten Konferenzrunde die Palästinenser auf, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen. Dies sei dann die "wirkliche Basis" für ein Ende des Konfliktes, sagte er bei der wöchentlichen Kabinettssitzung. Die Palästinenser wittern darin eine Finte. Ihr langjähriger Unterhändler Nabil Schaath sagte, Israel benutze diese Forderung als Vorwand dafür, damit sowohl den Palästinensern in Israel volle Bürgerrechte als auch den Flüchtlingen in den Lagern außerhalb von Israel ein Rückkehrrecht zu verweigern. Dahinter steht folgendes Grundproblem: Von den rund 7,6 Millionen Menschen, die in Israel leben, sind drei Viertel Juden und rund 20 Prozent Araber. Sollten die bei der Entstehung Israels und in den Nahostkriegen vertriebenen Araber und ihre Nachkommen - die derzeit in Flüchtlingslagern leben - ein Rückkehr- und Bürgerrecht erhalten, dann wären die Juden schlagartig eine Minderheit im eigenen Land und Israel kein jüdischer Staat mehr. Im Zuge von demokratischen Mehrheitsentscheidungen könnten sich dann propalästinensische Positionen durchsetzen. Deshalb besteht Netanjahu auf der Festschreibung eines "jüdischen Staates".