Die Blockaden wirken sich immer mehr auf das tägliche Leben aus. Umweltminister Borloo hat sich bei Benzinreserven um eine Null vertan.

Paris/Marseille. Wütende Proteste, Ausschreitungen von Jugendlichen, ein Minister, der nichts von Zahlen versteht und Lady Gaga, die den Mund halten muss. Die Auseinandersetzungen um die Rentenreform in Frankreich haben neue Dimensionen erreicht. Da nimmt es sich schon fast nebensächlich aus, dass Demonstranten zwischenzeitlich den Zugang zum Flughafen von Marseille blockiert haben. Sie besetzten unter anderem einen Kreisverkehr. Zahlreiche Reisende ließen ihre Autos am Straßenrand stehen, um zu Fuß zum Flughafen zu gelangen.

Bei der Benzinversorgung müssen Franzosen sich noch mehrere Tage auf Probleme einstellen. Innenminister Brice Hortefeux räumte ein, dass es Schwierigkeiten bei der Verteilung des Benzins gebe. „Es gibt aber Reserven für mehrere Wochen“, sagte er dem Sender Europe 1. Umweltminister Jean-Louis Borloo ist in die Kritik geraten, weil er die Schwierigkeiten bei der Benzinversorgung anfangs schlicht geleugnet hatte. „Er hat sich um eine Null vertan und von 300 statt von 3000 Tankstellen ohne Benzin gesprochen“, schimpfte ein ungenannter Ministerkollege im „Figaro“.

Trotz der Ankündigung von Präsident Nicolas Sarkozy, alle Blockaden von Benzindepots zu beenden, war am Donnerstagvormittag der Zugang zu mindestens 14 Lagern versperrt. Demonstranten liefern sich Katz- und Mausspiele mit der Polizei und besetzen die Depots immer so lange, bis die Sicherheitskräfte auftauchen. Im Zugverkehr gibt es leichte Verbesserungen, aber es fällt weiterhin etwa jeder vierte Zug aus. Der Senat will die Reform frühestens an diesem Donnerstagabend und spätestens am Wochenende verabschieden.

Die Folgen der Streiks und Proteste sind in immer mehr Bereichen des täglichen Lebens zu spüren, etwa im Tourismus oder bei Kulturveranstaltungen. So verschob die Pop-Diva Lady Gaga Konzerte in Paris, Oscarpreisträger Tim Robbins und seine Band sagten ihren Auftritt in der Hauptstadt ab.

Am Mittwochabend hatten Jugendliche in Lyon Geschäfte geplündert, sie setzten Autos in Flammen und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Die Polizei ging im Zentrum der Stadt mit Tränengas gegen rund 300 Jugendliche vor. Ein Behördenvertreter sprach von einem Guerilla-Krieg. 800 Polizisten wurden wegen der Ausschreitungen extra in die südöstliche Stadt beordert. Die Ausschreitungen waren bereits am Donnerstag vergangener Woche aufgeflammt. Auch in dem Pariser Vorort Nanterre kam es zu Ausschreitungen. In französischen Vorstädten haben viele Jugendliche keine Arbeit und nutzen politische Demonstrationen als Vorwand, um Gewalt auszuüben.