Das Boulevardblatt „News of the World“ ließ Telefone von Prominenten abhören. Der Chef hieß Andy Coulson. Jetzt berät er Premier David Cameron.

London. Andy Coulson (42) bestreitet alles – und das seit Jahren. Doch der Kommunikationsdirektor und Strippenzieher an der Seite von Großbritanniens konservativem Premierminister David Cameron kann die Spürhunde an seinen Fersen nicht so richtig abschütteln. Die Opposition gibt alles, um Coulson an den Pranger zu stellen und damit der konservativ-liberalen Regierung zu schaden. Hat sie recht, hat Cameron sein erstes richtiges Personalproblem in seiner noch kurzen Amtszeit.

Eines ist sicher: Reporter des sonntäglich erscheinenden Revolverblattes „News of the World“ haben Hunderte britische Prominente abgehört, ihre Telefon-Mailboxen „gehackt“. Musiker George Michael soll dabei gewesen sein, die Schauspielerin Gwyneth Paltrow, aber auch die Enkel der Queen, die Prinzen William und Harry sowie der frühere Vizepremier Lord John Prescott.

Reporter der Zeitung, die gewöhnlich näher als andere an die Grenzen des Boulevards in Sachen Sex and Drugs and Rock’n Roll zu gehen bereit ist, gingen dafür 2007 ins Gefängnis. Coulson bestritt jede persönliche Beteiligung, trat als Chefredakteur dennoch zurück – und wurde prompt von Cameron in dessen engstes Umfeld geholt. Er verdiene eine „zweite Chance“, war die großmütige Begründung des damaligen Oppositionsführers.

Der frühere Chefredakteur – und ab jetzt beginnt die Spekulation – will von den illegalen Praktiken seiner Leute nichts gewusst haben. Er sei gerne bereit, dies auch erneut der Polizei zu sagen, sollte diese ihn zu einem „freiwilligen“ Gespräch einladen, ließ Coulson jüngst von seinem Büro in der Downing Street ausrichten. Zu dem „Gespräch“ könnte es schneller kommen, als Coulson dachte. Am Dienstag ging ein ehemaliger „News-of-the-World“-Reporter seinerseits zu Scotland Yard und packte aus.

Nicht ganz überraschende Quintessenz der Aussage des Kronzeugen: Coulson habe in seiner Zeit als Chefredakteur von den illegalen Abhörpraktiken nicht nur gewusst. Nein, er habe seine Journalisten sogar angestachelt, zu verbotenen Mitteln zu greifen.

Damit ist längst nicht alles klar. Ob Scotland Yard, dem schon früher Halbherzigkeit bei der Ermittlungsarbeit in dieser Sache vorgeworfen worden war, diesmal bissiger vorgeht? Coulson, der bis zu dem Abhörskandal eine Bilderbuch-Karriere im Imperium von Medienmogul Rupert Murdoch hingelegt hatte, ist in der britischen Politik bestens verdrahtet. Kaum jemand glaubt, dass er sein wie auch immer gesammeltes, vielleicht hoch-explosives Informations-Pulver bereits vollständig verschossen hat. Und Coulson ist ein Spin-Doktor. Er weiß, wie Informationsstränge gelenkt und im Zweifel auch mal manipuliert werden.

Labour versucht alles, um den Mann an der Seite des Premierministers zu Fall zu bringen. Nach tagelangen Debatten im Parlament über den Fall hat die Opposition nun eine neue Untersuchung durchgesetzt, um herauszubekommen, inwieweit auch Parlamentarier von dem Abhörskandal betroffen sind. Und, um den Namen Coulson weiterhin in den Negativ-Schlagzeilen halten zu können – in der Hoffnung, dass Cameron irgendwann die Reißlinie zieht.

Vielleicht schießt Coulson aber auch zurück. In diesem Fall ist nicht völlig ausgeschlossen, dass bald eine brisante Story aus dem Privatleben eines britischen Oppositionspolitikers zu lesen sein wird. Labour hat es in 13 Jahren Regierungszeit an Skandälchen und Affären nicht gerade gemangelt. Und Tony Blair hatte in Alastair Campbell ebenfalls einen Kettenhund des Boulevard („Daily Mirror“) als Spin-Doktor.