Radikale Kehrtwende in der israelischen Gaza-Politik: Dirk Niebel musste noch draußen bleiben, Außenminister Westerwelle wird eingeladen.

Rom/Berlin. Im Streit um die Abriegelung des Gazastreifens schlägt Israel neue Töne an: Außenminister Avigdor Lieberman lud mehrere europäische Außenminister zu einem Besuch in das Palästinensergebiet ein. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) nahm die Einladung am Freitag an, ein Termin für die Reise steht laut Auswärtigem Amt aber noch nicht fest.

Nach Angaben des italienischen Außenministeriums sprach Lieberman die Einladung am Donnerstag bei einem Treffen mit seinem italienischen Kollegen Franco Frattini in Rom aus. Frattini wolle sich mit seinen „europäischen und internationalen Partnern“ absprechen, ehe er eine Antwort übermittele, hieß es.

Israelische Medien berichteten, Lieberman habe vorgeschlagen, dass Frattini eine Delegation mit den Außenministern Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Norwegens anführe. Sie sollen sich demnach ein Bild von der humanitären Lage der Palästinenser in dem Gebiet machen. Kontakte mit der radikalislamischen Hamas sollten allerdings vermieden werden.

Westerwelle sagte, er habe mit Frattini ein langes Gespräch geführt. Beide seien entschlossen, Israels Initiative „positiv zu begleiten“ und einer entsprechenden Einladung zu folgen, sagte der Bundesaußenminister nach Angaben des Auswärtigen Amtes bei einem Besuch in Bukarest. Es sei ein wichtiges Zeichen, dass die Öffnung des Gazastreifens jetzt auch von der israelischen Regierung mehr und mehr forciert werde.

Erst vergangenes Wochenende hatte Israel Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) einen Besuch im Gazastreifen verwehrt. Immer wieder sperrt sich Israel gegen Aufenthalte ranghoher ausländischer Politiker im Gazastreifen, weil die israelische Regierung befürchtet, dass die Herrschaft der Hamas dadurch legitimiert werden könnte. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und die EU-Außenministerin Catherine Ashton durften im Frühjahr allerdings einreisen.

Die überraschende Einladung an die europäischen Außenminister folgt auf die Ankündigung Israels, die Blockade des Gazastreifens zu lockern. Der internationale Druck, Hilfslieferungen für die rund 1,5 Millionen Palästinenser in dem Küstenstreifen zuzulassen, war nach der gewaltsamen Erstürmung einer internationalen Gaza-Hilfsflotte durch die israelische Armee Ende Mai deutlich gewachsen. Die Blockade war im Juni 2006 nach der Verschleppung des israelischen Soldaten Gilad Schalit in den Gazastreifen verhängt und nach nach der Machtübernahme der Hamas ein Jahr später verschärft worden.

Israel gedachte am Freitag der Verschleppung Schalits vor vier Jahren. In mehreren Städten des Landes gingen Menschen auf die Straße und demonstrierten ihre Unterstützung für den entführten Soldaten. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf der Hamas vor, mit der „grausamen und unmenschlichen“ Behandlung Schalits gegen Kriegsrecht zu verstoßen.