Einreiseverbot für Entwicklungsminister nach Gaza sorgt für Verstimmung in Berlin

Berlin/Jerusalem. Das Einreiseverbot für Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) in den von Israel blockierten Gazastreifen hat in Berlin für Verstimmung gesorgt. Außenminister Guido Westerwelle erklärte, er "bedaure die Entscheidung" aus Jerusalem. Niebel selbst bezeichnete sie als großen außenpolitischen Fehler.

Israels Regierung hatte Niebel die Einreise nach Gaza verwehrt, wo er ein Klärwerk besichtigen wollte, das mit Geldern seines Ministeriums finanziert wird. Ein Repräsentant des israelischen Außenamts rechtfertigte die Entscheidung mit den Worten: "Wir haben den Europäern schon seit Langem erklärt, dass wir die Einreise ranghoher Politiker in den Gazastreifen nicht erlauben. Wenn jeder Staat jemanden schicken würde, gäbe es eine unaufhörliche Bewegung, und die Hamas würde das ausnutzen, um zu behaupten, es gäbe eine Normalität in den Beziehungen mit der internationalen Gemeinschaft."

Dafür gab es in Deutschland wenig Verständnis. "Mit einer solchen Aktion schadet Israel seinen eigenen Interessen, weil es sich isoliert", sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff, dem Abendblatt. "Israel und Palästina können nur in friedlicher Koexistenz miteinander leben. Palästina ist ökonomisch auf Israel angewiesen, aber Israel ist langfristig für seine Sicherheit auch auf diese friedliche Koexistenz angewiesen." Ziel der internationalen Gemeinschaft sei es einerseits, Israels Sicherheit zu gewähren, also zu verhindern, dass Waffen und Raketen in den Gazastreifen geschmuggelt würden. Andererseits müssten aber auch die humanitäre Versorgung und der wirtschaftliche Aufbau im Gazastreifen sichergestellt werden. "Die Voraussetzung dafür ist, dass internationale Gäste und Politiker, die sich für die Entwicklung im Gazastreifen engagieren, ungehindert Zugang haben", sagte Schockenhoff.

Auch Kerstin Müller, die außenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, zeigte sich "enttäuscht" von Israel. "Es ist völlig inakzeptabel, dass Israel europäischen Ministern und Parlamentariern die Einreise nach Gaza verweigert", sagte Müller dem Abendblatt. "Dieser Mangel an Transparenz und Offenheit ist einer Demokratie, wie sie Israel ist, nicht würdig. Dirk Niebel hat völlig recht, wenn er das scharf kritisiert." Niemand könne behaupten, dass die Entwicklungszusammenarbeit die Hamas stärke. "Ich bin sehr enttäuscht von Israel."

Niebel hatte nach dem Eklat der "Leipziger Volkszeitung" erklärt, die israelische Regierung mache es momentan auch ihren "treuesten Freunden" schwer, ihr Handeln zu verstehen. Die Gaza-Blockade sei "kein Zeichen von Stärke, sondern eher ein Beleg unausgesprochener Angst". Die Zeit, die Israel angesichts der internationalen Proteste gegen die Gaza-Blockade und der stockenden Friedensverhandlungen mit den Palästinensern noch bleibe, neige sich dem Ende zu. Es sei für Israel bereits "fünf Minuten vor zwölf".

Der Zentralrat der Juden gab die Kritik zurück. Das Verhalten Israels gerade gegenüber einem ausgewiesenen Freund sei zwar ungeschickt und undiplomatisch, sagte Generalsekretär Stephan Kramer der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung", die Haltung Jerusalems sei Niebel aber bekannt gewesen. Dass er diese Zuspitzung zugelassen habe, sei daher "sehr ungeschickt".

Vizepräsident Dieter Graumann riet dazu, den Vorfall nicht überzubewerten. Israel fühle sich einer "vielfach übertriebenen und ungerechten Hetzkampagne" ausgesetzt und reagiere daher "besonders verletzt", sagte Graumann der Onlineausgabe des "Handelsblattes". Niebel hat bekräftigt, dass sich am deutschen Engagement in den Palästinensergebieten nichts ändern wird. 2010 stünden dafür 42,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Israel will ab sofort alle Einfuhren ziviler Güter in den Gazastreifen erlauben. "Seit heute gibt es grünes Licht dafür, dass alle Güter in den Gazastreifen eingeführt werden dürfen - außer Rüstungsgütern und Material, das die Kriegsmaschinerie der Hamas verstärken könnte", sagte ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter gestern Abend.