Prozess gegen Attentäter Breivik in Oslo fortgesetzt - Polizei ging zunächst von zwei Tätern aus

Oslo. Der Einsatzleiter der norwegischen Polizei hat am Dienstag vor Gericht das Chaos nach dem Bombenanschlag in Oslo im vergangenen Sommer beschrieben. Tor Langli erklärte, nach ersten Informationen sei er von zwei Tätern ausgegangen und zwei weiteren Sprengsätzen, die noch nicht explodiert seien. Dem angeklagten Attentäter Anders Behring Breivik war es gelungen, nach dem Anschlag auf die Insel Utöya zu fahren und dort in einem Jugendlager 69 Menschen zu töten.

Langli sagte, zuerst habe er Angaben über einen Verdächtigen mit nichtnordischem Aussehen erhalten, der den Tatort im Regierungsviertel von Oslo verlassen habe. Später habe es dann geheißen, ein Verdächtiger mit nordischem Äußeren sei gesehen worden. Deshalb sei er von zwei Täter ausgegangen. Langli erklärte weiter, später habe er von den Schüssen auf Utöya erfahren. „Ich dachte, dass es eine Verbindung gibt“, sagte er. „Aber ich hatte dafür keine Beweise. Und an Breivik gewandt: “Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es zwei Menschen mit so vielen verrückten Ideen gibt."

Breivik sagte in der vergangenen Woche aus, er habe damit gerechnet, nach dem Bombenanschlag von der Polizei erschossen zu werden. “Ich schätzte meine Überlebenschancen auf weniger als fünf Prozent", erklärte er. Er wurde jedoch nicht aufgehalten, als er zu seinem geparkten Fluchtwagen in der Nähe des Anschlagsorts ging und zur 40 Kilometer entfernten Insel fuhr.

Ein Wachmann bezeichnete die Lage in der Innenstadt von Oslo nach dem Bombenanschlag mit acht Todesopfern als Kriegsgebiet. Tor Inge Kristoffersen sagte am Dienstag aus, er habe am Tag der Tat mit Kollegen im Untergeschoss eines Hochhauses im Regierungsviertel Dienst gehabt. Sie hätten gerade eine Sicherheitskamera neu ausgerichtet, um das Nummernschild eines verdächtigen Fahrzeugs zu kontrollieren, als der Wagen explodiert sei. “In dem Moment, als wir an das Nummernschild herangezoomt hatten, explodierte das Auto", sagte Kristoffersen.

Der Sprengstoffexperte Svein Olav Christensen zeigte vor Gericht Fotos vom Tatort. Die Bombe riss Löcher in den Beton unter dem Auto und das Kellergeschoss darunter.

Breivik betrachtet sich nach eigener Aussage als Opfer eines rassistischen Komplotts. Die Fragen um seinen Geisteszustands dienten dazu, seine extreme anti-muslimische Ideologie zu diskreditieren, sagte der geständige Attentäter am Montag bei einer Befragung vor dem Gericht in Oslo.

Wäre er ein „bärtiger Dschihadist“, hätte niemand eine psychiatrische Untersuchung gefordert, sagte Breivik, der zugegeben hat, im vergangenen Juli 77 Menschen bei einem Bombenanschlag und einem anschließenden Massaker in einem Jugendlager getötet zu haben. „Da ich aber ein militanter Nationalist bin, bin ich erheblichem Rassismus ausgesetzt. Sie versuchen alles zu delegitimieren, wofür ich stehe“, sagte der 33-Jährige.

Er wisse um das Risiko, am Ende in einer psychiatrischen Anstalt zu landen, „und ich werde tun, was ich tun kann, um das zu verhindern“. Breivik hat eine strafrechtliche Schuld für die Anschläge vom 22. Juli mit der Begründung zurückgewiesen, die Opfer hätten ihr Land mit ihrer Zustimmung zur Einwanderung betrogen. Die entscheidende Frage des Prozesses wird es sein herauszufinden, ob Breivik im strafrechtlichen Sinne geisteskrank ist. Zwei Gutachten waren in diesem Punkt zu gegenteiligen Ergebnissen gekommen.

Anders Behring Breivik lehnte es am Montag auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft ab, sich für seine Taten auf der Insel Utöya zu entschuldigen. Zuvor hatte er sich während seiner Befragung bei der Familie eines Bar-Besitzers entschuldigt, der unter den acht Todesopfern des Bombenanschlags auf Regierungsbüros in der Osloer Innenstadt war. Es sei nicht seine Absicht gewesen, „Zivilisten“ zu töten, sagte Breivik.

Ob er sich auch bei den Familien der anderen Opfer, wie den 69 in einem Jugendlager auf Utöya Getöteten entschuldigen wolle, fragte der Staatsanwalt. „Nein, tue ich nicht“, sagte der 33-Jährige. „Utöya ist ein Lager zur politischen Indoktrination. Ich sehe alle multikulturellen politischen Aktivisten als Monster, als böse Monster, die sich wünschen, unser Volk auszumerzen, unsere ethnische Gruppe, unsere Kultur und unser Land“, sagte Breivik.

Auf die Frage, warum er einen Mann während seines Amoklaufs verschont habe, antwortete Breivik, die Erscheinung des Mannes habe „rechtsgerichtet“ auf ihn gewirkt. „Als ich ihn anschaute, sah ich mich selbst. Ich denke, das war der Grund, warum ich nicht auf ihn schoss.“

Zu Beginn der Verhandlung hatte Breivik am Morgen das Leid, das er den Familien seiner Opfer zufügte, mit seiner eigenen Situation verglichen. Auch er habe nach den Anschlägen vom 22. Juli den Kontakt zu Freunden und Familie verloren, sagte Breivik vor Gericht. „Der einzige Unterschied war, dass ich es mir so ausgesucht habe“, erklärte er.

Er zeigte erneut keine Reue, sondern bezeichnete seine Tat als notwendig. Die Befragung des Angeklagten dürfte am (heutigen) Montag beendet werden, ab (dem morgigen) Dienstag will sich das Gericht eingehender mit dem Bombenanschlag auf das Osloer Regierungsviertel befassen.

Im Falle einer Verurteilung droht ihm die Höchststrafe von 21 Jahren Haft. Die Freiheitsstrafe könnte verlängert werden, wenn er nach Ende seiner Haftzeit weiterhin als Gefahr für die öffentliche Sicherheit eingestuft wird. Sollte das Gericht dem Gutachten folgen, in dem der Angeklagte als psychisch krank beurteilt wird, dürfte Breivik in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingewiesen werden. (dapd)