Den einen geht es zu schnell, den anderen zu langsam. Aber Ende 2014 werden die internationalen Soldaten aus Afghanistan heimgekehrt sein.

Brüssel. Russland befürchtet einen zu schnellen Abzug der Nato aus Afghanistan. „Künstliche Zeitpläne sind nicht sinnvoll“, sagte Außenminister Sergej Lawrow zu dem vom transatlantischen Bündnis festgelegten Datum für das Ende des Kampfeinsatzes 2014. Hingegen drückte der afghanische Präsident Hamid Karsai nach dem jüngsten Skandal um US-Soldaten in seinem Land aufs Tempo. Solche Skandale könnten nur durch eine beschleunigte Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Truppen beendet werden.

Die Außenminister der 49 Truppensteller in Afghanistan hielten bei einem Treffen am Donnerstag in Brüssel an ihrem Zeitplan für den Abzug aus Afghanistan fest. Auch Australien, das in den vergangenen Tagen den Eindruck vermittelt hatte, es wolle früher aus der Isaf ausscheren, bekannte sich zu dem Datum 2014. Keine Bewegung brachte das Nato-Treffen in den Streit des Bündnisses mit Russland über die von der Nato geplante Raketenabwehr für Europa.

Die Nato will die Sicherheitsverantwortung in Afghanistan bis Mitte 2013 an die Afghanen übergeben und ihren Kampfeinsatz Ende 2014 beenden. Anschließend soll nur noch ein kleine internationale Truppe vor allem zu Ausbildungszwecken im Land bleiben. Lawrow kritisierte diesen Plan als zu unflexibel. Der Übergabeprozess müsse sich daran orientieren, inwieweit die Afghanen tatsächlich in der Lage sind, selbst für die Sicherheit im Land zu sorgen. Experten bezweifeln, dass das 2014 schon der Fall sein wird.

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Lawrow kritisierte auch, dass Russland nicht regelmäßig zu den Treffen der Isaf-Truppensteller eingeladen wird. „Das ist nicht fair, das ist nicht ehrlich“, sagte er. Er zögerte deshalb, die erstmalige, aber zunächst einmalige Einladung von Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zum nächsten Treffen beim Nato-Gipfel in Chicago im Mai anzunehmen. Russland stellt der Isaf Nachschubrouten zur Verfügung. Auch ein Teil des bevorstehenden Abzugs könnte durch Usbekistan, Tadschikistan und schließlich durch Russland führen.

Rasmussen rief Russland und China dazu auf, sich an der Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte nach dem internationalen Truppenabzug 2014 zu beteiligen. Für die Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte nach 2014 sind 4,1 Milliarden US-Dollar (3,1 Milliarden Euro) jährlich veranschlagt. 500 Millionen davon wollen die Afghanen selbst übernehmen. Wie der Rest aufgeteilt wird, soll beim Nato-Gipfel in Chicago im Mai festgelegt werden.

Im Streit um die von der Nato geplante Raketenabwehr für Europa blieben die Fronten zwischen dem Bündnis und Russland verhärtet. Lawrow verlangte erneut verbindliche Garantien dafür, dass der Raketenschild nicht gegen Russlands Atomwaffen gerichtet sei. „Dieses System bedroht Russland nicht, und es ändert auch nicht das strategische Gleichgewicht“, versicherte Rasmussen. Das Bündnis sei bereit, frühere Erklärungen zu wiederholen, wonach man Russland nicht als Gegner betrachte. „Das ist nicht genug“, sagte Lawrow. „Wir brauchen klare Garantien dafür, dass die Abwehr nicht gegen uns gerichtet ist.“

Lawrow machte klar, dass eine rasche Verringerung der taktischen Atomwaffen in Europa durch Russland nicht zu erwarten sei. Die Nato will in Chicago erklären, dass taktische Atomwaffen der USA aus Europa – auch Deutschland – abgezogen werden könnten, sofern auch Russland sein Arsenal abbaue. Die Zahl der taktischen Atomwaffen sei von vielen anderen Erwägungen abhängig, sagte der russische Außenminister. Beispielsweise gebe es ein großes Ungleichgewicht bei konventionellen Streitkräften. Auch Aspekte wie die Raketenabwehr gehörten dazu. Zudem habe Russland – anders als die USA – keine taktischen Atomwaffen im Ausland stationiert.

„Auch wenn die Zusammenarbeit bei der Raketenabwehr stockt, funktioniert die Kooperation in vielen praktischen Fragen sehr gut, zum Beispiel bei der Bekämpfung des Terrors in Afghanistan“, sagte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle. „Wir müssen unsere Sicherheit gemeinsam organisieren. Sicherheit in Europa gibt es nur mit, nicht gegen Russland.“ Deutschland sei weiterhin dafür, Russland „politische Garantien“ für die Raketenabwehr zu geben. (dpa/abendblatt.de)