Wegen der schweren Unruhen nach Koranverbrennungen in Afghanistan wird der Stützpunkt Talokan etwas früher als geplant geräumt.

Kabul. Wegen der wohl unbeabsichtigten Verbrennung von Koranen durch US-Soldaten in Afghanistan zieht sich nun auch die Bundeswehr vorzeitig aus dem Land zurück. Die Ausschreitungen nehmen zu und auch nach den Freitagsgebeten soll es neue Unruhen geben. Am Donnerstag waren acht Menschen gestorben, darunter waren neben sechs Demonstranten auch zwei Soldaten der Internationalen Schutztruppe Isaf, die ein Angehöriger der afghanischen Armee erschoss. Bereits am Mittwoch waren mehrere Demonstranten in Afghanistan ums Leben gekommen.

Die Bundeswehr zog sich wegen der gewaltsamen Proteste vorzeitig komplett aus ihrem Stützpunkt Talokan zurück. Allerdings sollte das Lager im März ohnehin geräumt werden. Angesichts eines Auflaufs von rund 300 Demonstranten unmittelbar vor dem Stützpunkt habe der Kommandeur der Nordregion am Donnerstag die mit der Räumung beschäftigten Kräfte ins rund 70 Kilometer entfernte größere Feldlager Kundus abrücken lassen, teilte die Bundeswehr mit. Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos sagte, die rund 50 Soldaten hätten sämtliche Fahrzeuge mitgenommen.

Ein ZDF-Reporter berichtete, das Lager sei mit Steinen beworfen worden. Der relativ kleine Komplex ist schwierig zu sichern, weil er mitten in der 200 000-Einwohner-Stadt liegt.

US-Präsident Barack Obama entschuldigte sich für die unbedachte Koranschändung. Er betonte nach Angaben der afghanischen Regierung in einem Schreiben, die Verbrennung von Koran-Exemplaren auf der US-Basis Bagram sei nicht vorsätzlich geschehen. Das Entschuldigungsschreiben sei am Donnerstag von US-Botschafter Ryan Crocker an Präsident Hamid Karsai übergeben worden, teilte der Präsidentenpalast in Kabul mit. Der US-Präsident habe eine vollständige Aufklärung des Falls zugesagt.

Die Taliban schworen Rache und riefen Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte zur Fahnenflucht auf. Taliban-Funktionäre seien angewiesen worden, alle Deserteure, die sich gegen die „Invasoren“ stellten, als „Helden“ willkommen zu heißen.

Die islamischen Staaten verurteilten die Koranverbrennung. Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) betonte in einer Erklärung, die Tat stehe im Widerspruch zu den gemeinsamen Bemühungen von muslimischen Ländern und internationaler Gemeinschaft, Intoleranz und religiösen Hass zu bekämpfen. Zugleich begrüßte die Organisation, der 57 Staaten angehören, die Entschuldigungen der Isaf und der USA.

Die Isaf teilte mit, ein Team aus Isaf-Angehörigen und Vertretern der afghanischen Regierung habe inzwischen das Gefängnis auf dem Stützpunkt Bagram untersucht, um die Umstände der Koranverbrennung zu prüfen. Die Koran-Exemplare, die entsorgt werden sollten, waren dort Häftlingen zur Verfügung gestellt worden.

Zwei afghanische Untersuchungskommissionen mit Regierungsvertretern, Geistlichen und Abgeordneten verurteilten die „beleidigende und schändliche Tat der Koranverbrennung“. Sie appellierten in einer gemeinsamen Erklärung aber auch an die Afghanen, Zurückhaltung zu üben.

Bundeswehr: Verlassenes Camp in Afghanistan wird bewacht

Nach dem Rückzug der Bundeswehr aus dem nordafghanischen Talokan wird das verlassene Camp von der afghanischen Armee bewacht. Die rund 50 deutschen Soldaten waren am Donnerstag wegen der Proteste gegen die Koranverbrennungen durch US-Soldaten aus Sicherheitsgründen in das 70 Kilometer entfernte Feldlager in Kundus abgezogen. Waffen, Munition und Fahrzeuge wurden mitgenommen, wie das Einsatzführungskommando in Geltow bei Potsdam mitteilte.

Talokan zählt mit 200 000 Einwohnern zu den zehn größten Städten Afghanistans. Das Bundeswehrcamp befindet sich im Gegensatz zu den anderen Feldlagern der Bundeswehr in Afghanistan mitten in der Stadt. Am Donnerstag hatte in Talokan, der Hauptstadt der Provinz Tachar, eine Demonstration mit 300 Teilnehmern stattgefunden.

Im vergangenen Mai waren bei einem Angriff von Demonstranten auf das Camp in Talokan mehrere Menschen getötet worden. Die Demonstranten hatten das Lager mit Molotowcocktails und Handgranaten attackiert. Zwei Bundeswehrsoldaten und vier afghanische Wachleute wurden verletzt.

Am 15. Februar stellte die Bundeswehr ihre Tätigkeit in Talokan ein, seitdem wird das Lager geräumt. Wie der Abtransport des noch verbliebenen Materials auf dem 90 mal 90 Meter großen Gelände fortgesetzt werden soll, ist noch offen. Bis spätestens Ende März soll die Räumung abgeschlossen sein.

Möglich sei, dass nun ein afghanisches Unternehmen damit beauftragt werde, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos. Es sei aber auch denkbar, dass die Bundeswehr noch einmal in das Lager zurückkehre.

(dpa)