Die Opposition spricht nach der Blockade der Uno-Resolution von einer “Lizenz zum Töten“ für Machthaber Assad. China und Russland isoliert.

München. Es gab nicht viele Frauen unter den Teilnehmern der Münchner Sicherheitskonferenz. Aber die wenigen wussten sich Gehör zu verschaffen. Nachdem auf den Fluren des Hotels Bayrischer Hof die Nachricht aus New York bekannt geworden war, dass Russland und China im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ihr Veto gegen eine Syrien-Resolution eingelegt hatten, taten sich Claudia Roth und Tawakkul Karman zusammen. Die Grünen-Chefin kennt sich mit Kameras aus, die Friedensnobelpreisträgerin im Nahen Osten. Also trommelte Roth eine Gruppe internationaler Journalisten zusammen, schob die Jemenitin vor die Mikrofone und kündigte an: "Diese Frau hat etwas zu sagen!"

Danach brauchte Karman keine Hilfe mehr. Mit einem bunten Kopftuch und dem Selbstbewusstsein einer 32 Jahre jungen Frau, die sich 2011 in ihrem Heimatland Jemen maßgebend an der Revolution gegen den Autokraten Ali Abdullah Saleh beteiligt hatte und vom Nobelpreiskomitee für ihren "gewaltfreien Kampf für die Rechte der Frauen" ausgezeichnet worden war, machte sie sich in München zur Stimme "der jungen Menschen in der arabischen Welt". Mit scharfen Worten ging sie mit Russland und China ins Gericht. "Ich bin so wütend, dass diese Länder sich gegen den Traum unserer Revolutionen stellen. Russland und China tragen menschliche und moralische Verantwortung für die Massaker des Assad-Regimes in Homs und anderswo."

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Die Empörung der Jemenitin wurde von den meisten Regierungen weltweit geteilt. Immerhin hatten alle anderen 13 Mitglieder des Sicherheitsrats, darunter Pakistan, Indien, Südafrika und die Vertreter der Arabischen Liga, in seltener Einigkeit für den Resolutionsentwurf gestimmt. Der war ohnehin eine reine Geste: Es ging in dem Text weder um eine militärische Intervention noch um Sanktionen, sondern allein um die verbale Verurteilung der Gewalt in Syrien .

Doch nicht einmal das war möglich. US-Präsident Barack Obama forderte einen sofortigen Rückzug Baschar al-Assads. Er habe kein Recht mehr, Syrien zu führen, und "jede Legitimität in seinem Volk und in der internationalen Gemeinschaft verloren". Die syrische Opposition sprach auch mit Blick auf die Gewaltexzesse von Assads Truppen am Wochenende mit über 300 Toten von einer "Lizenz zum Töten" für Assads Regime.

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Besonders groß war der Frust in München. Im Rahmen der Sicherheitskonferenz hatten vor allem die Außenminister der USA und Deutschlands, Hillary Clinton und Guido Westerwelle, in zahlreichen Gesprächen versucht, ihren russischen Kollegen Sergej Lawrow noch zum Einlenken zu bewegen - am Ende vergeblich. Clinton sagte, die Abstimmung im Sicherheitsrat habe immerhin die Frage beantwortet, welche Staaten "für Frieden und Sicherheit" sind und welche "Komplizen bei fortgesetzter Gewalt und Blutvergießen". So mancher amerikanische und europäische Diplomat fühlte sich durch das Taktieren Lawrows in München an den Kalten Krieg erinnert. Russland habe in München sein hässliches Gesicht gezeigt, hieß es, und sich ins Abseits gestellt. Die Chinesen wurden eher nachsichtig beurteilt, sie seien in diesem Fall nur der Mitläufer.

Tatsächlich spielte Lawrow auf der Konferenz ein unwürdiges Diplomatenpoker. Auf dem Podium stellte er zunächst eine Zustimmung in Aussicht. Da war bereits über mehrere Tage verhandelt worden, und deutsche Diplomaten wussten von einem weitgehend abgestimmten Textentwurf zu berichten. Doch dann brachten die Russen immer neue Änderungswünsche vor. Darunter war die Forderung, die Brutalität der Sicherheitskräfte des Assad-Regimes auf eine Stufe zu stellen mit den überwiegend friedlichen Protesten. Da stiegen Clinton und Westerwelle aus.

Ohnehin waren sich westliche Diplomaten einig, dass die Textarbeit nur vorgeschoben war. Syrien sei ein alter Verbündeter, den Moskau nicht fallen lassen wolle, und Assad ein potenter Abnehmer von Waffen im Wert von jährlich rund vier Milliarden Dollar. Außerdem stelle Damaskus der russischen Marine den Hafen Tartus als Basis zur Verfügung. Deshalb hätte man noch reihenweise Formulierungen aus der schon weichgespülten Resolution streichen können, so die Mutmaßung - Moskau habe es schlicht am Willen gefehlt.

Der Chef der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, bedauerte, dass München diesmal "nicht als Katalysator zur Lösung von Konflikten gedient hat". Es sei in der Diplomatie aber wichtig, "einfach weiterzumachen", und seien die Rückschläge noch so bitter. Außenminister Westerwelle sprach sich für die Einsetzung einer Kontaktgruppe zur Syrien-Krise aus. Die soll die internationalen Aktivitäten koordinieren und eine "neue Dynamik" in die Bemühungen um eine Lösung bringen. Mit Interesse wird der Westen auch die Reise Lawrows am Dienstag nach Damaskus verfolgen.

Tunesien will es dabei nicht bewenden lassen. Nach dem Veto verkündete Premier Hamadi Dschebali, sein Land werde den syrischen Botschafter ausweisen: "Das syrische Volk erwartet Taten, nicht nur Worte." Auch andere arabische Staaten denken darüber nach. Die Bundesrepublik steht dem skeptisch gegenüber. Man beraube sich dadurch jeglicher, auch humanitärer Einflussmöglichkeiten vor Ort.

Der türkische Außenminister Ahmed Davutoglu versprach, sich weiterhin aktiv in dem Konflikt zu engagieren. Die Region müsse endlich "die Strukturen des Kalten Krieges überwinden". Die Türkei habe lange mit Assads Regime verhandelt, dann habe man sich im Rahmen der Arabischen Liga engagiert. Weil all das zu keiner Kursänderung in Damaskus führte, habe man auf die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft gehofft - auch das vergeblich. "Man kann sich aber nicht gegen den Fluss der Geschichte stemmen", sagte Davutoglu mit Blick auf Russland, China und Syrien.

Hintergründe, und Videos zur Lage in Syrien unter www.abendblatt.de/syrien