Die Beobachter-Mission der Arabischen Liga wird angesichts der Brutalität des Assad-Regimes abgebrochen. Debatte über Militärintervention.

Hamburg. Der von vielen Friedenshoffnungen begleitete Versuch der Arabischen Liga, das Blutvergießen in Syrien zu beenden, ist gescheitert. Die 22 Mitglieder umfassende Organisation brach am Wochenende den Einsatz ihrer Beobachter in Syrien ab. Bis der Rat der Liga über das weitere Vorgehen entschieden habe, werde die Mission der Delegierten mit sofortiger Wirkung eingestellt, heiß es.

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Die meisten Beobachter haben Syrien bereits verlassen. Zuvor hatten schon Saudi-Arabien und Katar ihre Beobachter zurückgezogen. Der Leiter der Mission, der sudanesische General Mohammed al-Dhabi, beklagte eine "dramatische Zuspitzung der Lage". Die Liga wirft dem syrischen Diktator Baschar al-Assad und seinem Regime vor, die Beobachter arglistig getäuscht und sein Versprechen, die brutale Kampagne seiner Armee gegen die politische Opposition im Lande zu beenden, immer wieder gebrochen zu haben. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen waren zuvor innerhalb von drei Tagen mehr als 200 Menschen, darunter etliche Kinder, vor allem in den Städten Homs, Hama und Idlib ums Leben gekommen. Die Gesamtzahl der Todesopfer in dem Konflikt, der immer mehr die Züge eines Bürgerkriegs anzunehmen beginnt, liegt nach Schätzungen inzwischen bei rund 6000. Die seit fast einem Jahr schwelende innenpolitische Krise hat sich in den vergangenen Wochen dadurch zugespitzt, dass immer mehr Soldaten desertieren und sich zu Angriffen auf die Armee zusammenschließen.

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galleryBundesaußenminister Guido Westerwelle forderte angesichts des Abbruchs der Beobachtermission eine Syrien-Resolution des Uno-Sicherheitsrates. Westerwelle, der gestern zu einer fünftägigen Nahost-Reise mit den Stationen Jordanien, Ägypten, Israel und Palästinensergebiete aufbrach, appellierte an noch zögernde Staaten, sich einer "notwendigen und überfälligen" Resolution nicht in den Weg zu stellen. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, soll heute vom Uno-Sicherheitsrat in New York angehört werden. Er warf Assad vor, entgegen seines Versprechens immer mehr Militär gegen die Opposition in Marsch gesetzt zu haben.

Am Sonntag kam es zu erbitterten Kämpfen um die Vororte von Damaskus. Das Regime zog als Verstärkung zu den bereits eingesetzten Truppen rund 2000 Soldaten mit mindestens 50 Panzern heran. Sie nahmen die Vororte Sagba, Hammuria und Kfar Batna mit Granaten unter Feuer. Etliche Zivilisten starben dabei. Südlich der Hauptstadt kamen sechs Soldaten bei der Zündung einer Sprengfalle ums Leben. In der Oppositionshochburg Hama wurden indessen 17 Leichen entdeckt - die an Händen und Füßen gefesselten politischen Häftlinge waren offenbar von Assad-Truppen zur Warnung exekutiert worden.

Mitte Januar hatte der algerische Beobachter seinen Dienst in Syrien quittiert und öffentlich erklärt: "Ich hatte das Gefühl, dass meine Arbeit nur dem Regime dient." Die Opposition erklärte, das Regime verstecke immer wieder Truppen, belüge die Beobachter und wechsele Ortsschilder aus, um Verwirrung zu stiften.

Der Emir von Katar, Scheich Hamad Bin Chalifa al-Thani, hatte im US-Sender CBS die Entsendung von Truppen der Arabischen Liga nach Syrien angeregt, um das Blutvergießen zu beenden. Katars Führung fährt zusammen mit Saudi-Arabien einen betont harten Kurs gegenüber Syrien. Das hat einen handfesten Hintergrund: Das sunnitische Saudi-Arabien und die kleineren arabischen Golfstaaten sind erbitterte Gegner des schiitischen Iran - und Syrien gilt als stärkster Verbündeter des Mullah-Regimes in der Region. Saudische Truppen hatten im März 2011 im kleinen Königreich Bahrain Proteste der schiitischen Bevölkerungsmehrheit brutal niedergeschlagen. In Riad fürchtete man, der Iran wolle über die Schiiten in Bahrain indirekt an die Macht gelangen, um seinen Einfluss in der Region noch auszuweiten.

Eine Militärintervention der Arabischen Liga in Syrien könnte eine Konfrontation mit Teheran heraufbeschwören - mit möglicherweise weitreichenden Folgen. Syrien und im Hintergrund der Iran beeinflussen die Geschicke im Libanon. Beide Staaten könnten ferner über ihre Handlanger Hisbollah und Hamas eine Welle des Terrorismus auslösen - vor allem gegen Israel, das dann eingreifen würde. Vor dem Hintergrund der Atomkrise zwischen dem Iran und dem Westen und dem militärischen Aufmarsch im Persischen Golf und der Hormus könnte eine Militärintervention der Arabischen Liga in Syrien wie der sprichwörtliche Funke im Pulverfass wirken. Doch ungeachtet des Risikos schließt auch der frühere Generalsekretär der Liga und ehemalige ägyptische Präsidentschaftskandidat Amr Mussa einen Militäreinsatz der arabischen Welt in Syrien nicht mehr aus.

Russland, ein alter Verbündeter des Regimes in Damaskus, sperrt sich noch gegen jegliche Strafmaßnahmen zulasten Syriens, signalisierte zuletzt aber Kompromissbereitschaft in Sachen Uno-Resolution. Und der Druck auf Damaskus wächst: Bei einem Außenministertreffen des Golf-Kooperationsrates (Mitglieder: Saudi-Arabien, Bahrain, Katar, Kuwait, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate) und der Türkei wurde Assad aufgefordert, alle seine Friedenszusagen zu erfüllen.