China und Russland billigen Assads Massaker. Sie bangen um eigenen Machtverlust

Die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges, heißt es. Und im Bürgerkrieg in Syrien, dem Waffengang eines diktatorischen Regimes gegen seine aufbegehrenden Bürger, wird die Wahrheit nicht nur gemeuchelt, sondern auch noch geschändet. Als Paten für die Massaker stehen die Staatschefs von Russland und China Gewehr bei Fuß. Beide Länder verhindern eine scharfe Resolution des Uno-Sicherheitsrats, als wollten sie das Morden nicht wahrhaben.

Menschenrechtler und die syrische Opposition sprechen von einer Lizenz zum Töten, die Moskau und Peking dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad ausstellen. Zusätzlich erinnern Russen und Chinesen daran, dass ja die Ordnung im Lande wiederhergestellt werden müsse. "Die Ordnung" - man möchte schreien vor so viel diktatorischer Arroganz. Eine hanebüchene Interpretation angesichts Tausender Toter in Syrien seit Beginn des Aufstandes gegen Assad.

Die Chinesen fürchten und bekämpfen im eigenen Land jede Form der Opposition - ob Uiguren, Tibeter oder eine Handvoll rebellischer Dichter und Maler. Im Falle Syrien laufen die Chinesen den Russen einfach hinterher. Da verständigt man sich im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dass man eine gemeinsame Front gegen den Westen bildet. Dabei ist Syrien nicht wirklich oben auf der Prioritätenliste Pekings. Den Chinesen ist mehr an der Situation rund um den Iran gelegen. Denn durch die Straße von Hormus kommen große Anteile des Öls, auf das die Wirtschaft im Reich der Mitte angewiesen ist.

Bei den Russen jedoch dachte man nach dem Zerfall des sowjetischen Imperiums, dass die wirtschaftliche Prosperität, der Einfluss der Globalisierung und die Hinwendung zu Kerneuropa das Prinzip des demokratischen Wandels auch in die Elite des Landes tragen würde. Doch Sowjettraditionen, propagandistische Anleihen aus dem Kalten Krieg und eisige Machtpolitik durchdringen den Kreml. Vier Wochen vor der Präsidentenwahl wird immer deutlicher, dass Wladimir Putin sein Russland wieder in den Griff bekommt, das Riesenreich vielleicht nie von seinem Kanthaken gelassen hat.

Es gilt als sicher, da können sich noch so viele Anti-Putin-Demonstranten auf den Straßen versammeln, dass der Ex-KGB-Agent wieder Präsident wird. Nichts fürchtet Putins Zirkel so sehr wie Aufständische und Extremisten im eigenen Staat. Mit dem Schwert in der Hand bekämpft der neue Zar Abtrünnige an Georgiens Grenze, in Tschetschenien, schaltet Regierungsgegnern den Strom ab, beschuldigt Oppositionelle als mutmaßliche CIA-Spione. Auch 20 Jahre nach Glasnost und Perestroika, nach Offenheit und Umgestaltung des Sozialismus sind die Russen empfänglich für die Klischees vom "bösen Westen".

Und es ist die Einmischung von außen, die alle Diktatoren fürchten, Assad in Syrien wie der lupenreine Alleinherrscher Putin. Selbst die Arabische Liga hatte eine Militärintervention in Syrien erwogen, um das Blutvergießen zu beenden. Doch ihre Beobachtermission ist grandios gescheitert. Auch die einflussreichen arabischen Staaten stehen vor dem Scherbenhaufen ihrer Diplomatie.

Nun gibt es nicht mal eine Uno-Resolution, um Assad international zu isolieren und den Aufständischen Mut zu machen. Moskaus fatale Denke folgt dieser Logik: Jetzt keine Resolution gegen Syrien unterstützen, damit beim nächsten Durchgreifen im Kaukasus niemand auf die Idee kommt, Russlands Verhalten im Sicherheitsrat zu thematisieren. Lange Jahre waren die Syrer treue Waffenkunden in Moskau. Damaskus ist quasi der russische Brückenkopf im Nahen Osten. Doch nach zehn Monaten demokratischen Aufbegehrens in Syrien ist klar: Russlands Lebensversicherung für Assad ist das Todesurteil für Tausende Syrer. Vollstreckt wird es jeden Tag.