Der polnische Präsident hat nicht nur repräsentative Aufgaben: Er hat ein Vetorecht gegen Gesetze sowie Mitspracherechte in der Außenpolitik.

Warschau. Gut zwei Monate nach dem tragischen Tod von Staatspräsident Lech Kaczynski hat am Sonntag in Polen die Wahl seines Nachfolgers begonnen. Zehn Kandidaten bewerben sich bei der vorgezogenen Wahl um das höchste Staatsamt. Als klarer Favorit gilt Parlamentschef Bronislaw Komorowski(58). Er vertritt das pro-europäische Lager um den liberalkonservativen Regierungschef Donald Tusk. Sein größter Herausforderer ist der Zwillingsbruder des tödlich Verunglückten, Jaroslaw Kaczynski (61). Der Kandidat der nationalkonservativen Opposition setzt sich für einen starken Nationalstaat und mehr soziale Solidarität ein.

Den Umfragen zufolge kann Komorowski mit einem Ergebnis von mindestens 40 Prozent rechnen. Kaczynski liegt danach zwischen fünf und 15 Prozentpunkte hinter ihm. Wenn keiner der Bewerber die absolute Mehrheit erreicht, kommt es in zwei Wochen, am 4. Juli, zur Stichwahl zwischen den beiden stärksten Kontrahenten.

Seit Sonnabend herrscht in Polen bis zur Schließung der Wahllokale ein striktes Verbot der Wahlwerbung. Vorher hatten die Kandidaten bis zuletzt um Zustimmung geworben. Kaczynski versicherte am Freitagabend in Danzig, der Wiege der Freiheitsbewegung „Solidarnosc“, er stehe für ein „gerechtes und solidarisches“ Polen. Komorowski feierte den Abschluss des Wahlkampfes im benachbarten Zoppot. Er versprach eine noch stärkere Integration seines Landes in die EU. Als sein Ziel nannte er die Förderung der Zivilgesellschaft.

Lech Kaczynski war am 10. April bei einem Flugzeugabsturz in Russland ums Leben gekommen. Seitdem führt Komorowski kommissarisch die Geschäfte des Präsidenten. Ursprünglich sollte ein neues Staatsoberhaupt erst im Herbst gewählt werden. Wahlberechtigt sind mehr als 30 Millionen Polen. Sie können ihre Stimme zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr abgeben.

Das polnische Staatsoberhaupt hat einen wesentlichen Einfluss auf die Sicherheits- und Außenpolitik. In der Vergangenheit war es wiederholt zu Kompetenzstreit zwischen Tusks Regierung und Präsident Lech Kaczynski gekommen. Mit seinem Veto blockierte das nationalkonservative Staatsoberhaupt mehrere Reformprojekte der Regierung. Ein Sieg von Komorowski würde der liberalkonservativen Regierung mehr Spielraum für die Modernisierung des Landes geben.