Nach dem Sturm auf die Gaza-Hilfsflotte reißt die Kritik an Israel nicht ab. Nicht nur der schwedische Autor Henning Mankell erhebt schwere Vorwürfe.

Stockholm. Es sind schwere Vorwürfe, die der schwedische Krimi-Autor Henning Mankell erhebt. Er war dabei, als israelische Soldaten vor zwei Tagen die Gaza-Hilfsflotte stürmten. Für ihn eine Aktion, die nichts anderes als „Seeräuberei und Kidnapping“ sei. Der Zeitung „Expressen“ (Mittwochausgabe) sagte Mankell: „Die israelischen Soldaten gingen fernab der eigenen Gewässer zum bewaffneten Angriff. Das war in internationalen Gewässern. Also handelt es sich um Seeräuberei und Kidnapping.“ Der Autor äußerte sich während des Rückfluges gegenüber einem Reporter.

Er war nach seiner Freilassung aus der Internierung in Israel über München nach Göteborg geflogen. Auf die Frage, ob er von den neun Toten bei der israelischen Aktion wisse, sagte Mankell: „Nein, davon hab ich bisher keine Ahnung gehabt. Oje, oje.“ Über angebliche israelische Waffenfunde an Bord der geenterten Schiffe meinte der Autor: „Ich kann versichern, dass nicht eine einzige Waffe an Bord unserer Schiffe war. Sonst wären wohl ganz andere Formen von Auseinandersetzungen ausgebrochen.“

Der Schwede kündigte an, dass er zusammen mit zwei weiteren heimgekehrten Schweden zwei Tage lang zu Einzelheiten keine Erklärungen abgeben wolle. Grund sei die Sorge um die noch in israelischer Haft verbliebenen Frauen und Männer aus der elfköpfigen schwedischen Gruppe.

Israel schiebt unterdessen die festgenommenen Aktivisten zügig ab. Am Mittwoch wurden 200 Türken zum Flughafen gefahren, während mehr als 120 Menschen aus arabischen Ländern mit Bussen nach Jordanien gebracht wurden. Ein Sprecher der Justizbehörde erklärte, die Türkei habe Flugzeuge geschickt, um ihre Staatsbürger abzuholen. Weitere 300 Aktivisten würden noch in einem Gefängnis in Südisrael festgehalten.

Mehrere der nach Jordanien abgeschobenen Aktivisten sagten der Nachrichtenagentur AP, sie hätten während der Haft nicht ausreichend Lebensmittel und Wasser erhalten und keinen Zugang zu Toiletten gehabt. Der kuwaitische Abgeordnete Walid al Tabtabei, der an Bord eines Schiffes war, sagte, die Israelis hätten Männer, Frauen und Kinder gedemütigt. „Sie waren brutal und arrogant“, erklärte er. Die Passagiere an Bord der Schiffe hätten keine einzige Waffe gehabt.

Als Antwort auf die Vorwürfe veröffentlichten die israelischen Streitkräfte Videoaufnahmen, die zeigen, wie die Soldaten von Aktivisten mit Metallstangen Brandbomben angegriffen werden. Die israelischen Behörden erklärten, die Aktivisten hätten auch Messer, Schlagstöcke und zwei Pistolen gegen die Soldaten eingesetzt.

Angesichts der Empörung über den israelischen Militäreinsatz forderte Israel die Angehörigen seiner Diplomaten in der Türkei zum Verlassen des Landes auf. Das israelische Außenministerium habe eine entsprechende Anweisung herausgegeben, berichteten Rundfunksender und Zeitungen am Dienstag. Die Diplomaten dürften dagegen bleiben. Ein Sprecher des Ministeriums wollte die Berichte weder bestätigten noch dementieren.

Unter den neun Todesopfern des israelischen Militäreinsatzes vom Sonntag waren mindestens vier türkische Aktivisten. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warf Israel ein „blutiges Massaker“ vor. Israel wies die internationale Kritik an dem Einsatz zurück. An der Hilfsaktion nahmen auch Bundestagsabgeordnete der Linkspartei teil.

Der israelische Botschafter in Deutschland kritisierte die Teilnahme der Abgeordneten. „Die Absicht bestand nicht in humanitärer Hilfe, sondern darin, die Blockade zu brechen“, sagte Yoram Ben-Zeev laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“. Nur so sei zu erklären, warum die Aktivisten das Angebot ausgeschlagen hätten, die Hilfslieferungen im Hafen von Aschdod löschen und unter Aufsicht nach Gaza bringen zu lassen.

Der französische Außenminister Bernard Kouchner erklärte, der Militäreinsatz sei ein schwerer Fehler gewesen, der dem israelischen Ansehen geschadet habe. Er forderte eine internationale Untersuchung des Einsatzes. Israel kündigte an, auch einen neuen Versuch pro-palästinensischer Gruppen zu unterbinden, den Gazastreifen zu erreichen. Zwei Schiffe sind nach Angaben der Organisatoren auf dem Weg in die Region. Eines ist allerdings beschädigt und es war nicht klar, ob das zweite allein weiterfahren würde.

Die USA unterstützen die Forderung nach einer Untersuchung des israelischen Militäreinsatzes, wollen das Verhalten der Streitkräfte aber nicht verurteilen. Die Kommandoaktion gegen pro-palästinensische Aktivisten werde an der „zuverlässigen Beziehung“ zwischen Washington und Israel nichts ändern, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, am Dienstag. US-Präsident Barack Obama bedauere den Tod der Aktivisten und werde in den kommenden Tagen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan sprechen.