Bis Donnerstag sollen die etwa 600 Aktivisten der Flotille abgeschoben werden. Die weltweite Kritik an Israels Vorgehen wächst.

Jerusalem. Nach massiver internationaler Kritik an seinem Vorgehen will Israel nun alle etwa 600 noch inhaftierten Aktivisten des internationalen Gaza-Hilfskonvois umgehend freilassen. Ein Sprecher der israelischen Regierung teilte am Dienstagabend mit, dies sei bei einer Beratung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit Ministern beschlossen worden. Die Ausweisung solle noch in der Nacht beginnen und binnen 48 Stunden abgeschlossen werden.

Zunächst hatte es geheißen, Häftlinge sollten vor Gericht gestellt werden, falls sie sich nicht identifizieren und einer Ausweisung zustimmen. An der Dringlichkeitsberatung mit Netanjahu waren Verteidigungsminister Ehud Barak, Innenminister Eli Jischai sowie Justizminister Dan Meridor beteiligt.

„Alle Ausländer, die an Bord der Flottille waren und festgenommen wurden, werden ab Dienstagabend abgeschoben“, hieß es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung des Büros von Regierungschef Netanjahu. Die Entscheidung sei vom Sicherheitskabinett getroffen worden, das sieben Minister der Regierung umfasst. Nach Angaben des israelischen Militärrundfunks sollen die Abschiebungen bis Donnerstag abgeschlossen werden.

Die Gefangenen, unter ihnen fünf der an dem Hilfskonvoi für die Palästinenser beteiligten elf Deutschen, werden in einer Haftanstalt in Beerscheva in der Negev-Wüste festgehalten . „Derzeit befinden sich fünf deutsche Staatsangehörige im Gefängnis in Beerscheba“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Sie würden von der deutschen Botschaft in Tel Aviv „konsularisch betreut“. Botschaftsmitarbeiter hätten inzwischen mit ihnen sprechen können. Das Schicksal eines weiteren Deutschen sei unklar. Die Botschaft bemühe sich jedoch „weiterhin intensiv“ bei den israelischen Behörden, seinen Verbleib zu klären.

Fünf weitere deutsche Aktivisten, die an Bord der sechs Schiffe des Hilfskonvois waren, konnten inzwischen aus Israel ausreisen; unter ihnen auch zwei Bundestagsabgeordnete der Linkspartei und der frühere Abgeordnete Norman Paech aus Hamburg .

Auch der schwedische Bestseller-Krimiautor Henning Mankell war am Dienstag auf dem Heimweg. Er sei in Sorge um die noch in israelischer Haft sitzenden Aktivisten, sagte der Schöpfer des Kommissars Wallander der Zeitung „Expressen“ während des Rückflugs aus Israel. Nach Angaben des Außenministeriums in Stockholm waren insgesamt elf Schweden an Bord der Schiffe der Gaza-Flottille.

Nach der blutigen Kommandoaktion Israels gegen die Gaza-„Solidaritätsflotte“ hagelt es weiter weltweit heftige Kritik an der Regierung in Jerusalem. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte das Vorgehen der israelischen Marine, die USA zeigten sich im UN-Menschenrechtsrat in Genf „tief besorgt“ und der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach angesichts von mindestens neun Toten gar von einem Massaker und fügte hinzu: „Sie (die Israelis) haben der Welt einmal mehr gezeigt, wie gut sie morden können“.

Deutsche Gaza-Aktivisten erhoben ebenfalls schwere Vorwürfe gegen Israel. Die Bundestagsabgeordnete Inge Höger von der Linkspartei beschrieb die gewaltsame Aktion des israelischen Militärs gegen einen internationalen Schiffskonvoi mit den Worten: „Wir haben uns wie im Krieg gefühlt.“

Bei dem Einsatz israelischer Elitesoldaten waren am frühen Montag im Mittelmeer mindestens neun Menschen getötet worden. Nach Medienberichten und ersten Augenzeugenschilderungen soll die Zahl jedoch weit höher sein. 45 ausländische Aktivisten wurden am Dienstag noch in israelischen Krankenhäusern behandelt. Die meisten von ihnen seien Türken, Passagiere des angegriffenen türkischen Schiffes „Mavi Marmara“, hieß es. Nach Darstellung der deutschen Aktivisten begann der Überfall des israelischen Elitekommandos am Montag gegen 4.30 Uhr, Schlauchboote näherten sich der „Mavi Marmara“. Die Soldaten seien maskiert und schwer bewaffnet gewesen. Die Deutschen wehrten sich gegen Vorwürfe, dass auch die Aktivisten Gewalt angewandt hätten.

Unter dem Eindruck der Militäraktion öffnete Ägypten inzwischen die Grenze zum Gazastreifen für Kranke und Hilfsgüter. Die Regierung teilte mit, humanitäre Hilfe und medizinische Güter dürften ab sofort über den Grenzübergang Rafah zu den Palästinensern gebracht werden. Wie lange die Grenze offen bleiben sollte, war unklar.

Unterdessen hat Israel nach Angaben von Außenamtssprecher Jigal Palmor erhebliche Schwierigkeiten, die neun bei der Erstürmung Getöteten zu identifizieren. Augenzeugen und Aktivisten seien nicht bereit gewesen zu helfen, sagte Palmor in Jerusalem. Auch bei der geplanten Abschiebung von einigen Aktivisten gibt es Palmor zufolge Probleme. Das liege an den fehlenden diplomatischen Beziehungen zu einer Reihe von Ländern. Einen Grund für eine Entschuldigung sieht Israel nicht. „Wir müssen uns nicht dafür entschuldigen, dass wir uns selbst verteidigt haben“, sagte Vizeaußenminister Danny Ajalon. Israels Premier Benjamin Netanjahu sprach von Notwehr der Soldaten.

Ein israelisches Marinekommando hatte am Montagmorgen ein Schiff des mehrere Boote umfassenden Verbandes gestürmt. Dabei waren neun Menschen getötet worden. Der Schiffskonvoi wollte Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen, der von Israel seit der Machtübernahme der radikalislamischen Organisation Hamas im Sommer 2007 blockiert wird. Nach israelischen Angaben wurden neun Menschen getötet und sieben israelische Soldaten verletzt. Auch 48 Passagiere seien verletzt worden, meldete der Militärrundfunk. Die Streitkräfte hatten hunderte der Aktivisten von Bord der Schiffe und in ein Gefängnis gebracht. Mehrere Dutzend wurden bereits abgeschoben, darunter auch fünf deutsche Aktivisten.