Polen gedachte der Toten mit zwei Schweigeminuten. Der russische Präsident Medwedew erklärte den Montag zum offiziellen Trauertag.

Moskau/Berlin. Nach dem Tod des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski bei einem Flugzeugabsturz in Russland trauern Polen und Russen gemeinsam um die Opfer der Katastrophe. Das öffentliche Leben in Warschau kam am Sonntagmittag zum Stillstand, als die Stadt mit zwei Schweigeminuten der insgesamt 96 Toten gedachte. Der russische Präsident Dmitri Medwedew erklärte den Montag zum offiziellen Trauertag. Kaczynskis Maschine war auf dem Weg zu einer Gedenkfeier für die Opfer des Massakers von Katyn abgestürzt.

In Katyn und weiteren Orten waren 1940 insgesamt 22.000 Polen vom sowjetischen Geheimdienst NKWD hingerichtet worden. An der Gedenkfeier im Westen Russlands wollten zusammen mit Kacynski und seiner Frau Maria zahlreiche ranghohe Vertreter der polnischen Gesellschaft teilnehmen. Keiner von ihnen überlebte das Flugzeugunglück. „Das ist unglaublich - dieses tragische, verfluchte Katyn“, sagte Kaczynskis Amtsvorgänger Aleksander Kwasniewski. „Ein verfluchter Ort, eine schreckliche Symbolik.“

Neben dem polnischen Präsidentenpaar kamen bei dem Flugzeugabsturz unter anderem Notenbankchef Slawomir Skrzypek, Generalstabschef Franciszek Gagor, Vize-Außenminister Andrzej Kremer und der stellvertretende Parlamentspräsident Jerzy Szmajdzinski ums Leben. Ein weiteres prominentes Opfer ist die Solidarnosc-Mitbegründerin Anna Walentynowicz. „Die Elite unseres Landes ist tot“, sagte der ehemalige Solidarnosc-Führer und spätere Präsident Lech Walesa.

1. WIE DER ABSTURZ SICH EREIGNET HABEN SOLL

2. PORTRÄT LECH KACZYNSKI

3. KANZLERIN ANGELA MERKEL ZUM ABSTURZ

4. WELTWEITE TRAUER UM KACZYNSKI

Pilot versuchte trotz Warnung der Fluglotsen zu landen

Die 26 Jahre alte Präsidentenmaschine, eine Tupolew Tu-154, stürzte am Sonnabend bei dichtem Nebel kurz vor der Landung am Flughafen der westrussischen Stadt Smolensk in einem Waldstück ab. Es sei bereits der vierte Landesversuch des Piloten gewesen, der trotz Warnungen der Fluglotsen die Maschine zu Boden bringen wollte, teilte ein Sprecher der Regionalregierung von Smolensk mit.

Nach Angaben des örtlichen Gouverneurs Sergej Anufrijew kollidierte das Flugzeug vor Erreichen der Landebahn mit mehreren Bäumen. Der staatliche Nachrichtensender Rossija-24 zeigte Aufnahmen der weit verstreuten Flugzeugtrümmer in einem Waldstück, in dem mehrere Brände ausgebrochen waren. Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin übernahm persönlich die Leitung der Ermittlungen zur Absturzursache.

Putin reiste noch am Sonnabend nach Smolensk, um gemeinsam mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk an der Absturzstelle einen Kranz niederzulegen. Auch der Zwillingsbruder des verunglückten Präsidenten, Jaroslaw Kaczynski, kniete dort nieder und betete.

Trauer um Kaczynski - Weltweite Bestürzung über tragischen Tod

Der tragische Tod des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski hat weltweit Trauer und Bestürzung ausgelöst - nicht nur in der Politik, sondern auch bei vielen Bürgern. In Deutschland und ganz Europa gaben Gedenkgottesdienste der Trauer Raum. Am Brandenburger Tor in Berlin versammelten sich rund hundert Menschen zu einer Schweigeminute. In London wurden Blumenkränze vor der polnischen Botschaft niedergelegt. Papst Benedikt XVI. trauerte beim Regina-Coeli-Gebet in Castel Gandolfo mit der „geliebten polnischen Nation“.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Ehemann Joachim Sauer trugen sich am Sonntag ins Kondolenzbuch der polnischen Botschaft ein. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ordnete in Deutschland Trauerbeflaggung für den noch nicht festgelegten Tag der offiziellen Trauerfeier in Warschau an. Russlands Präsident Dmitri Medwedew, dessen Land ein nicht immer einfaches Verhältnis zu Polen hat, ordnete für diesen Montag Staatstrauer an.

Gleich nach dem Flugzeugabsturz am Sonnabend in Smolensk (Russland), bei dem Kaczynski, seine Frau Maria und eine hochrangigen Delegation den Tod fanden, hatten Kreml-Chef Medwedew und US-Präsident Barack Obama dem polnischen Volk kondoliert. Auch Bundespräsident Horst Köhler und Kanzlerin Merkel schickten Beileidsschreiben.

US-Präsident Obama nannte Kaczynski einen hervorragenden Staatsmann. „Der heutige Verlust ist verheerend für Polen, die USA und die Welt“, erklärte Obama. „Heute sind überall in Amerika die Herzen schwer. Die USA schätzen die tiefen und beständigen Bande mit dem polnischen Volk.“

Mit einer bewegenden Fernsehansprache wandte sich der russische Präsident Medwedew an das polnische Volk. Bei der Suche nach der Unglücksursache sicherte er Warschau enge Zusammenarbeit zu. Kaczynski war auf dem Weg zu einer Gedenkfeier für die Ermordung polnischer Soldaten durch den sowjetischen Geheimdienst vor 70 Jahren im russischen Katyn gewesen.

Mit Trauer und Bestürzung reagierten Bundesregierung und Bundestag auf den Tod Kaczynskis. Bundespräsident Köhler sprach seine „tief empfundene Anteilnahme“ aus: „Polen hat einen furchtbaren Verlust erlitten.“ Als „streitbaren Europäer“ würdigte Merkel den Präsidenten. „Es handelt sich um eine politische und menschliche Tragödie für Polen, unser Nachbarland“, sagte Merkel. „Lech Kaczynski wird uns auch in Deutschland fehlen.“

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte am Rande seines Südafrika-Besuchs in Kapstadt, dies sei „eine tragische Stunde“ für das Nachbarvolk. Mit Kaczynski und anderen Opfern der „fürchterlichen Tragödie“ verliere auch Europa Persönlichkeiten, auf die man habe bauen können, „wenn es darauf ankam“. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) übermittelte seinem Amtskollegen Bronislaw Komorowski „das Entsetzen, die tiefe Trauer und Anteilnahme des Bundestages“. Komorowski übernimmt laut Verfassung vorläufig die Geschäfte des Staatsoberhaupts in Polen.

Die spanische EU-Ratspräsidentschaft würdigte Kaczynski am Sonntag als „eine der bedeutendsten Figuren der jüngeren Geschichte Polens“. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nannte Kaczynski einen überzeugten Totalitarismus-Gegner und Kämpfer für Werte wie Demokratie und Freiheit. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bezeichnet den Tod des Präsidenten als eine „Tragödie für Polen“.

Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton drückte ihr Beileid aus und verschob auf Wunsch der polnischen Behörden ihre für diesen Montag geplante Reise nach Warschau. Der aus Polen stammende EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek erklärte: „Das ist eine unglaubliche Katastrophe in Europa. Europa hat einen großen Verlust erlitten. Polen erlebt eine unbeschreibbare Tragödie.“ Nie zuvor seien in Europa so viele hochrangige, vom Volk gewählte Persönlichkeiten zusammen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.

Der israelische Präsident Schimon Peres würdigte Kaczynski als einen „wahren Freund des Staates Israel“. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte am Sonntag: „Sein vorzeitiger Tod ist ein großer Verlust für das polnische Volk, und auch für uns und alle Völker, die nach Freiheit und Frieden streben.“