Nach dem Tod des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski und weiterer Spitzenpolitiker befindet sich Polen in Trauer. Auch in der Nacht kamen immer wieder Menschen zum Präsidentenpalast. Heute gedenkt Polen mit zwei Schweigeminuten der Opfer des Flugzeugabsturzes.

Warschau/Moskau. Demonstrativer Schulterschluss zwischen Polen und Russland nach der Flugzeugkatastrophe von Smolensk: Die beiden Regierungschefs Donald Tusk und Wladimir Putin gedachten noch am Sonnabendabend am Unglücksort des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski und der anderen 95 Todesopfer. Gemeinsam legten sie Blumen nieder. Putin versicherte Tusk, dass russische und polnische Spezialisten bei der raschen Aufklärung des Unglücks eng zusammenarbeiten würden.

1. WIE DER ABSTURZ SICH EREIGNET HABEN SOLL

2. PORTRÄT LECH KACZYNSKI

3. KANZLERIN ANGELA MERKEL ZUM ABSTURZ

4. WELTWEITE TRAUER UM KACZYNSKI

In Polen ließen unterdessen Tausende von Menschen ihren Tränen über den Tod des 60-Jährigen und zahlreicher anderer hochrangiger Vertreter des Landes freien Lauf. Die ganze Nacht zum Sonntag hindurch pilgerten Hunderte zum Präsidentenpalast, um den Toten die letzte Ehre zu erweisen. Vor dem Amtssitz des Staatsoberhaupts in Warschau zündeten die Menschen Grabkerzen an und legten Blumen nieder. Der Platz verwandelte sich in ein Meer aus Kränzen und Lichtern. Am Sonnabend hatten Tausende dort und auf dem benachbarten Platz des Sieges ihr Mitgefühl für die Opfer des Absturzes demonstriert.

Bereits am Sonnabendabend waren die ersten Leichen aus Smolensk zur gerichtsmedizinischen Untersuchung nach Moskau gebracht worden. Kaczynskis Zwilling Jaroslaw hatte seinen Bruder und dessen Frau noch am Unglücksort identifiziert.

Katyn wurde am Sonntag erneut ein Ort tiefer Trauer. Zahlreiche Angehörige der Absturzopfer stellten Kerzen auf. Kaczynski und seine Delegation waren auf dem Weg nach Katyn gewesen, um der Tausenden polnischen Offiziere zu gedenken, die dort im Zweiten Weltkrieg vom sowjetischen Geheimdienst ermordet worden waren. Am Eingang der Gedenkstätte wehten die mit Trauerbändern versehenen russische und polnische Fahne auf Halbmast.

Unterdessen wurde der Flugschreiber geöffnet. Russische und polnische Experten sollen die sogenannte Black Box gemeinsam auswerten. Die russischen Flugbehörden werfen dem Piloten der polnischen Regierungsmaschine „eigenmächtiges“ Handeln vor. Die Sichtweite zum Unglückszeitpunkt habe nur 400 Meter betragen, sagte Transportminister Igor Lewitin. Vorgeschrieben seien Landungen ab 1000 Metern Sicht.

In der russischen Hauptstadt werden auf Anweisung von Putin auch Trauerfeiern für polnische Angehörige organisiert. Am Sonntag wurden dort mehrere Flugzeuge und Züge aus Polen erwartet. Auch in der weißrussischen Stadt Witebsk nahe der Grenze zu Russland sollten Maschinen mit Angehörigen landen. Der autoritäre Präsident Alexander Lukaschenko wies die Behörden an, den Trauernden bei der Weiterreise nach Russland nach Kräften zu helfen.

Bei Trauergottesdiensten, die am Sonnabendabend in Warschau, Krakau und vielen anderen Städten Polens stattfanden, riefen die Bischöfe zur nationalen Versöhnung auf. Im Warschauer Dom sagte Erzbischof Kazimierz Nycz, der tragische Flugzeugabsturz habe ganz Polen getroffen. Die Tragödie müsse zur Einheit der Nation beitragen.

Ein Nachfolger Kaczynskis soll bis spätestens 20. Juni gewählt werden. Ursprünglich sollten die Präsidentenwahlen im Herbst stattfinden. Der polnische Parlamentschef Bronislaw Komorowski, der gemäß der Verfassung bis zur Neuwahl die Geschäfte des tödlich verunglückten Staatsoberhauptes übernommen hat, kündigte am Sonnabend an, er werde innerhalb von 14 Tagen über den Wahltermin entscheiden. Der Urnengang muss dann an einem Sonntag innerhalb von 60 Tagen nach dieser Entscheidung stattfinden. Komorowski wird nach derzeitigem Stand selbst bei der Präsidentenwahl antreten. Er war bereits Ende März von der liberalen Regierungspartei Bürgerplattform PO zu ihrem Kandidaten ernannt worden.

Der Absturz der Tupolew hatte auch international Bestürzung ausgelöst. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kondolierte dem polnischen Volk ebenso wie Papst Benedikt XVI., Kremlchef Dmitri Medwedew, US-Präsident Barack Obama, Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Staatsministerin Cornelia Pieper sagte: „Ich bin der Auffassung, dass wir darüber nachdenken sollten, auch in Deutschland die Anteilnahme mit dem polnischen Volk dadurch zu zeigen, dass man die Flagge auf Halbmast setzt.“