Demonstranten schwenken tibetische Flaggen und fordern die Unabhängigkeit.

Peking. Ein Volk steht auf gegen die Fremdherrschaft. Bei den schwersten antichinesischen Protesten in Tibet seit knapp zwei Jahrzehnten hat es laut Augenzeugenberichten Tote und Verletzte gegeben. Eine Vertreterin der Notfallzentrale in der Hauptstadt Lhasa sprach von mehreren Toten, der Rundfunksender Radio Free Asia berichtete, chinesische Sicherheitskräfte hätten mindestens zwei Menschen erschossen.

Die Eskalation der Gewalt löste weltweit Sorge aus. Das geistige Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, zeigte sich äußerst besorgt über die Lage in seiner Heimat. Die Aufstände seien Ausdruck der wachsenden Verbitterung der Tibeter über die mehr als 50-jährige Besatzung, sagte er in seinem indischen Exil. Er rief China auf, die Gewalt sofort zu beenden.

Auch die Bundesregierung rief zum Gewaltverzicht auf und warnte vor Reisen in die Krisenregion. Man beobachte die Entwicklungen in Lhasa "mit Sorge und rufe alle Seiten auf, Gewalt unbedingt zu vermeiden", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Auch die EU-Staats- und Regierungschefs sowie die Uno-Menschenrechtskommissarin Louise Arbour riefen die Führung in Peking zur Zurückhaltung auf.

Die Demonstrationen in Lhasa wurden von buddhistischen Mönchen angeführt. Ihnen schlossen sich immer mehr Tibeter an. Als die chinesischen Sicherheitskräfte eingriffen, kam es zur Gewalt.

Wütende Tibeter verwüsteten Läden von chinesischen Besitzern und setzten sie in Brand. Auf dem Platz vor dem Jokhang-Tempel in der Altstadt wurden Autos von Polizei und Feuerwehr umgestürzt und angesteckt. "Die Polizei hat in die Menge geschossen", berichteten Augenzeugen. Ein Augenzeuge sagte, er habe zwei Leichen am Barkor genannten Pilgerweg um den Jokhang-Tempel in der Altstadt gesehen. Ein Großaufgebot von Soldaten setzte am Abend eine Ausgangssperre durch. Zwei Mönche unternahmen einen Selbstmordversuch, indem sie sich die Pulsadern aufschnitten.


Fotos vom Aufstand in Tibet Online unter www.abendblatt.de/tibet