Die Staatschefs fanden sie authentisch, kompetent und “analytisch gut strukturiert“. Zudem habe sie eine gute Portion norddeutschen Humors . . .

Heiligendamm. Glück ist, wenn Gelegenheit und gute Vorbereitung zusammentreffen. Diese Phase durchlebt Angela Merkel gerade. Die Bundeskanzlerin hat in der Außenpolitik derzeit einen sehr guten Lauf. EU-Ratspräsidentschaft und G-8-Vorsitz - die 52 Jahre alte CDU-Chefin trifft die Mächtigen der Welt und leitet diese Zusammenkünfte. Schöne Bilder wie jetzt in Heiligendamm sind dabei meist garantiert.

Lob kommt zum Beispiel von Wladimir Putin: Merkel habe die schwierige Aufgabe hervorragend gemeistert, als einzige Frau ein Männerkollektiv zu leiten. Respekt zollt auch George W. Bush: seine Freundin Angela lege Führungsstärke an den Tag.

Beobachter der Gespräche im mecklenburgischen Ostseebad meinen, Angela Merkel habe die richtige Mischung aus Festigkeit und Freundlichkeit, wenn sie mit ihren Kollegen verhandle. Sie gebe jedem das Gefühl, wichtig zu sein und ernst zu nehmende Anliegen zu haben. Unaufgeregt und sachorientiert, verbindlich im Ton und beharrlich in der Sache, verfolgt die Kanzlerin ihre Ziele und leistet Überzeugungsarbeit. Affektiertheit und Geringschätzung der Partner in der Öffentlichkeit sind ihre Sache nicht.

So war zum Beispiel ihr Auftritt vor den Journalisten nach dem Durchbruch in der Klimafrage am Donnerstag natürlich, gelöst und effizient. "Wir haben uns schon geeinigt, dann kann ich Sie ja auch gleich informieren", sagt die Kanzlerin zur Überraschung der Presse am Nachmittag, denn Merkels Kommen war erst für den Abend angekündigt worden.

Und als sie schon eine ganze Reihe von Fragen geduldig beantwortet hat, schaut sie auf die Uhr und sagt fast entschuldigend: "Zwei Fragen noch. Ich bin ja hier die Chefin und muss ja auch noch leiten. Ich habe den Kollegen versprochen, dass es pünktlich weitergeht."

Diese Kollegen aus Frankreich, Großbritannien, Italien, USA, Kanada, Japan, Russland und der EU-Kommission hat die Kanzlerin gut im Griff. "George, hab' Geduld", hält Merkel ihren Gast freundlich-bestimmt in Schach, als US-Präsident Bush fast den Dolmetscher übergeht. Nicolas Sarkozy sieht sie nach, dass der auf dem roten Teppich noch mit dem Handy telefoniert. Aber als der neue französische Präsident ausgiebig vor den Kameras posiert, drängt Merkel den Kollegen sanft Richtung Tagungssaal. "Du bist der Letzte", raunt sie ihm zu.

Bei den zahlreichen Familienfotos lassen sich die Herren ebenfalls von der Gastgeberin dirigieren. Sie weist die Plätze an und trägt zur Freude der Fotografen gern Jacketts in leuchtenden Farben. Ein Lichtblick im dunklen Einheitslook der Herren. Man kann unterstellen, dass Männer, die höchste politische Ämter bekleiden, Manieren und gutes Benehmen gegenüber Frauen haben. Aber gegenüber der Kanzlerin ist keine aufgesetzte Höflichkeit im Spiel: Die Kollegen respektieren Angela Merkel, weil sie authentisch und kompetent ist.

Charme und Überzeugungskraft der gebürtigen Hamburgerin funktionieren nicht unbedingt in großen Hallen oder über den Fernsehschirm. In kleinerer Runde oder gar von Angesicht zu Angesicht werden ihre Natürlichkeit, ihr norddeutscher Humor und ihre Schlagfertigkeit zu Trümpfen. Sei es gegenüber Amtskollegen oder ganz normalen Bürgern. "Wenn Sie schon den ganzen Trubel hier haben, dann muss ich Ihnen wenigstens mal Hallo sagen", überrascht sie wartende Anwohner am Gut Hohen Luckow, wo die G-8-Gäste zu Abend gegessen haben.

Angela Merkel ist zudem analytisch gut strukturiert. Beim Gipfel in Brüssel im März, als die EU sich auf ehrgeizige Klimaziele einigte, fragte die Kanzlerin die Staats- und Regierungschefs, ob man sich darüber einig sei, dass es Klimawandel gebe. Alle nickten brav. Und ob man auch sich einig sei, dass man etwas unternehmen könne und müsse. Wieder einhellige Zustimmung.

Na, dann, so schlussfolgerte die Berliner Regierungschefin, brauche man verbindliche Ziele, um glaubwürdig zu bleiben. Die EU-Lenker konnten dieser klaren naturwissenschaftlichen Ableitung der promovierten Physikerin nichts entgegensetzen.

Auch vor dem G-8-Gipfel wendete sie diese Strategie an, konsultierte zunächst alle Teilnehmer und meinte, da die Unterhändler sich nun schon auf einen Text geeinigt hätten, könne man den doch auch gleich beschließen. Und wieder konnten sich die Gipfel-Partner dieser bestechenden Logik nicht verschließen. So war das wichtigste Thema von Heiligendamm bereits nach fünf Stunden erledigt.

Bislang galt die CDU-Chefin schon als Politikerin mit Analysefähigkeit, Beharrungsvermögen und Prinzipientreue. Aber in Mecklenburg hat sie sich auch als gute Gastgeberin gezeigt, die wahrhaftig sein will und nicht pompös: regionale Spezialitäten beim entspannten Essen im barocken Herrenhaus Hohen Luckow, lockerer Plausch auf der Hotelterrasse von Heiligendamm oder auf der Seebrücke. Auch Petrus muss ein Fan der Kanzlerin sein: Er schenkte ihr mit Sonne, blauem Himmel und leichter Brise eine Bilderbuch-Kulisse dazu.

Über ihren Gipfel-Erfolg von Heiligendamm kann Angela Merkel sich freuen, aber nicht darauf ausruhen. Vielleicht erhofft sich die Pastorentochter am Sonnabend beim Evangelischen Kirchentag in Köln geistige Stärkung. Denn in zwei Wochen will die Kanzlerin zum Abschluss ihrer EU-Ratspräsidentschaft beim Gipfel in Brüssel ihr nächstes Meisterstück vollbringen: die Lösung der Verfassungskrise.