Die Hoffnungen auf konkrete Zielvorgaben, die Merkel wünscht, sind gesunken. Aber die Kanzlerin spricht von “guten Chancen auf gemeinsame Positionen“.

Heiligendamm. Allmählich lichtet sich der Nebel auf dem Wasser vor Heiligendamm und Kühlungsborn, die Sonne kommt durch. Gute Vorzeichen für Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Verhandlungsziele beim Gipfeltreffen der G 8 in Heiligendamm? Die Berliner Regierungschefin weiß: "Meeresluft ist klare Luft, die ordnet die Gedanken und konzentriert sie vielleicht ein bisschen auf das Wesentliche."

Unmittelbar vor Beginn der Tagung sind gestern Morgen allerdings die Hoffnungen auf konkrete Klimaschutzziele gesunken. Die Unterhändler der USA und Deutschlands haben sich noch nicht auf verbindliche Vorgaben im Kampf gegen die Erderwärmung geeinigt. Nun soll ein Mittagessen unter Freunden die Sache richten.

Nur die engsten Mitarbeiter auf beiden Seiten sind dabei, als Merkel und US-Präsident George W. Bush sich vor der zum Tagungshotel gehörenden Burg Hohenzollern in Heiligendamm begrüßen. Bei Kraftbrühe Mecklenburger Art, Beelitzer Spargel mit Kalbsschnitzel und Walderdbeeren auf Sauerrahm-Eis führen die beiden ein 75-minütiges Gespräch, das die Kanzlerin anschließend als "recht gut und erfolgreich" beurteilt.

Bei ihrer kurzen Bilanz wirkt Merkel sachlich und ernst, mit sparsamen Gesten unterstreicht sie ihre Worte und wendet sich Bush optimistisch lächelnd zu, als sie von den guten Chancen auf "gemeinsame Positionen" spricht. Bush bedankt sich überschwenglich für die Gastfreundschaft, freut sich über den schönen Tagungsort, den er schon vom vergangenen Jahr her kennt, und betont mehrfach die Führungsstärke seiner "Freundin Angela". Die nickt und bleibt gelassen.

Und dann sagt der US-Präsident ausdrücklich, dass die Staaten gemeinsam an einem Abkommen arbeiten sollten, welches die Uno-Vereinbarung zum Klima von Kyoto nach 2012 ablösen soll. So deutlich hätte Bush das wohl vor zwei Monaten noch nicht formuliert. Auch spricht der US-Präsident ausdrücklich darüber, wie notwendig es ist, klimaschädliche Treibhausgase zu reduzieren. Ob Merkel ihren Gast aber schon überredet hat, doch einer konkreten Prozentzahl zum Abbau der Treibhausgase zuzustimmen, bleibt zunächst offen.

Ihren Einfluss auf George Bush stellt die Kanzlerin zunächst auf andere Art unter Beweis. Als der Präsident nach seiner Aussage schon gehen will, sieht er erst im letzten Moment den Dolmetscher. "Wollen Sie übersetzen?", verwirrt er den Mann. "George, hab Geduld", hält Merkel ihren Gast freundlich-bestimmt in Schach. Als der Dolmetscher fertig ist, fragt Bush: "Is that what I said?" ("Habe ich das so gesagt?") Und die Kanzlerin antwortet: "Almost 100 percent" ("Fast 100 Prozent"). Aufgeräumte Stimmung, lachender Abgang.

Währenddessen sind die anderen G-8-Teilnehmer nacheinander eingeflogen. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso ist am Vormittag der Erste, gefolgt vom japanischen Premier Shinzo Abe, Romano Prodi (Italien), Steven Harper (Kanada), Nicolas Sarkozy (Frankreich) und Tony Blair (Großbritannien). Als Letzter kommt Russlands Präsident Wladimir Putin. Der hatte sich im Vorfeld des Gipfels vor allem über die amerikanischen Pläne für ein Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien aufgeregt. Ein weiteres Betätigungsfeld für die unermüdliche Moderatorin Angela Merkel.

Für jeden Staatsgast die gleiche Prozedur: Aussteigen, Begrüßung am Ende der Treppe durch Mecklenburgs Ministerpräsidenten Harald Ringstorff (SPD), roter Teppich, kurzer Weg hinüber zum Hubschrauber, Abflug nach Heiligendamm.

Gegen Abend zieht Angela Merkel erste Bilanz. "Wir fahren jetzt noch über die Texte, aber am Thema Klima kann niemand vorbei", sagt die Kanzlerin. Sie spüre eine konstruktive Atmosphäre. "Viele haben einige Schritte gemacht, wir werden am Donnerstag sehen, wie wir das zusammenbinden." Wer miteinander rede, rede nicht übereinander. Das sei das Wesen von G 8.

Außerdem signalisiert Merkel "volle Unterstützung" für die Polizei. Es sei ein legitimer Vorgang, dass sich die gewählten Chefs von Regierungen hier treffen. "Die Globalisierung ist da, und es geht darum, sie zu gestalten." Gesehen hat sie die Demonstranten auf ihrem Hubscharuber-Flug von Berlin zu Tagung nicht.

Gegen 19 Uhr fliegen die Chefin und ihre Gäste samt Partnern zum Abendessen auf dem Gutshof Hohen Luckow, rund 25 Kilometer südöstlich von Heiligendamm. Im Rittersaal des 300 Jahre alten Herrenhauses ist festlich eingedeckt.