Reinhardt appelliert an die Regierung in Kabul, so schnell wie möglich eine eigene Armee aufzubauen.

Hamburg. Nach dem Anschlag auf die Bundeswehr in Afghanistan mit drei toten und fünf verletzten deutschen Soldaten hat einer der renommiertesten deutschen Generale eine klare Begrenzung des Einsatzes gefordert. "Man muss deutlich sagen: Wir sind nicht für immer und ewig da", betonte Klaus Reinhardt, ehemaliger Vier-Sterne-General, gestern gegenüber dem Abendblatt.

Der promovierte Historiker Reinhardt, ehemals Kommandeur der Hamburger Führungsakademie und sehr erfolgreicher Befehlshaber der Kfor-Friedenstruppe im Kosovo, meint: "Jeder, der in einen Auslandseinsatz geht, ist gut beraten, so früh wie möglich an eine Exit (Abzugs-)Strategy zu denken. Man sollte nun in Afghanistan an sie herangehen. Es kann nicht sein, dass wir die verschiedenen Einsätze - im Balkan sind wir im 14. Jahr, im Kosovo im achten Jahr, in Afghanistan bald im sechsten Jahr - immer so weiterführen. Isaf heißt ja Unterstützungs-Truppe, also muss man der Regierung Karsai auch irgendwann sagen: Bis hierher und nicht weiter, ihr solltet bald eure eigene Armee aufgebaut haben." Die afghanische Regierung solle die Voraussetzungen für einen Abzug der Bundeswehr schaffen. "Aber mit eineinhalb bis zwei Jahren muss man mit Sicherheit noch rechnen."

Reinhardt empfiehlt, den Focus vor allem auf die Ausbildung der örtlichen Polizei zu legen und diese "anständig zu bezahlen. Wenn ein Polizist vom Staat monatlich 50 Euro bekommt, aber von den Taliban 500, dann haut der ab. Und mehr als 60 Prozent der ausgebildeten Polizisten desertieren. Hier muss angesetzt werden."

Wird denn nicht die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch verteidigt? "Ich möchte diesen Spruch des früheren Verteidigungsministers Struck nicht weiter infrage stellen, ich habe ihn mehrfach infrage gestellt", sagt der Ex-General dazu. "Aber wir sind nun mal drin; der Kanzler Schröder hat uns da reingebracht nach dem Prinzip der uneingeschränkten Solidarität. Jetzt geht es um die Frage, wie kann man aus dieser Situation vernünftig wieder herauskommen - vernünftig im Sinne der Sicherheit unserer Soldaten und dessen, was die internationale Gemeinschaft dort versucht - nämlich einen 24-jährigen Bürgerkrieg zu beenden. Daher meine Forderung: Klare Zielsetzung, klare Limitierung in der Größenordnung und auch in der Zeitachse."

Der Grundfehler in Afghanistan sei, dass man zu stark auf eine militärische Befriedung und auf einen Kampf gegen die Taliban setze und den staatlichen und vor allem wirtschaftlichen Wiederaufbau nicht auf die gleiche Ebene stelle. "Wenn man das mal in Zahlen ausdrückt: Bisher hat man knapp acht Milliarden Euro für den zivilen Wiederaufbau aufgewendet, aber 90 Milliarden für den militärischen Einsatz, Und wenn es uns nicht gelingt, die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Bevölkerung - vor allem im Süden - in den Griff zu bekommen, wenn es uns nicht gelingt, den Menschen zu zeigen, dass es sich lohnt, mit uns zusammenzuarbeiten, dann werden wir in Schwierigkeiten geraten. Aber das geht nur in Verbindung mit den örtlichen Clanchefs." Der Westen müsse viel stärker auf die Clan-Struktur einwirken, "denn dort werden im Grunde viele Entscheidungen getroffen".

Sollte die Bundeswehr nicht besser sofort abziehen? "Nein, die Bundeswehr kann jetzt nicht abziehen", sagt Klaus Reinhardt. "Wir würden unser gesamtes Renommee bei der Europäischen Union und bei unseren Freunden in der Nato verlieren. Wir sind einer der großen Stabilisatoren dort oben im Norden. Und nicht nur deutsche Soldaten werden da oben ja durch die Bundeswehr geführt, es sind eine ganze Reihe anderer Staaten, die mit uns zusammen dafür sorgen, dass es der Zivilbevölkerung besser geht. Es gilt, diesen Ansatz nun auch in den Süden hinunterzuschieben."