Viele Vorwürfe, aber auch Freude: zwei Frauen aus den Trümmern gerettet.

Rom. Es ist ein verzweifelter Wettlauf gegen die Zeit: Mehr als 5000 Helfer suchen im verwüsteten L'Aquila und der Umgebung nach Überlebenden des schweren Erdbebens vom Montag - aber mit jeder Stunde verringern sich die Chancen, in der verwüsteten Stadtlandschaft noch Menschen lebend aus dem Schutt ziehen zu können.

Die Zahl der Toten ist bis gestern Abend auf 228 gestiegen. 15 Menschen würden nach dem Beben der Stärke 5,8 bis 6,2 noch vermisst, mehr als 1000 wurden verletzt, sagte Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi. Die Sucharbeiten sollten noch 48 Stunden fortgesetzt werden.

Allerdings gab es gestern auch Glücksmomente: Am Morgen wurden eine 98-Jährige und eine Schwangere 30 Stunden nach dem Erdbeben lebend aus den Trümmern geborgen. Die meisten der 17 000 Obdachlosen sind in Zelten untergebracht oder wurden bereits in Unterkünfte an der Adria-Küste gebracht.

Seit Montag wurden mehr als 280 Nachbeben bis zur Stärke von 4,8 registriert. Gestern Abend löste ein Erdstoß der Stärke 5,3 neue Panik aus, es soll dadurch neue Opfer geben. Angesichts der Gefahr neuer Beben warnte Berlusconi die Bewohner evakuierter Stadtteile vor einer Rückkehr. Innenminister Roberto Maroni gab gestern 130 Millionen Euro für die Rettungseinsätze frei.

Luftbilder zeigen das ganze Ausmaß der Verwüstung in L'Aquila und den Nachbarorten. Und die Italiener fragen sich: Warum wurde so schlampig gebaut? Warum stürzten in der seismisch unruhigen Region ausgerechnet viele jüngere Gebäude ein? Geologen und Bauexperten sprechen von "schlecht ausgeführter und zusammengepfuschter Bauweise", selbst bei öffentlichen Gebäuden. In anderen gefährdeten Ländern wie den USA oder Japan sei dies undenkbar. "Ein solches Erdbeben hätte in Kalifornien nicht ein einziges Menschenleben gekostet", sagte Franco Barberi, Chef der Landeskommission für Naturgefahren.

Berlusconi bedankte sich für die vielen Hilfsangebote aus dem Ausland, auch aus Deutschland, lehnte sie aber ab. Die Italiener seien "ein stolzes Volk" und kämen allein zurecht.