Üblicherweise ist bei Politikern erst nach 100 Tagen im Amt eine erste Bilanz fällig. Doch US-Präsident Barack Obama hat einen derart rasanten Start hingelegt, dass schon nach einem Monat Zeit ist für einen ersten Zwischenbericht. Raus aus dem Weißen Haus.

Washington. Bloß raus aus Washington, heißt die neue Devise. US-Präsident Barack Obama tourt übers Land, als sei noch immer Wahlkampf. Begegnungen mit Bürgern, Händeschütteln, Beifall: Bei Besuchen vor Ort schlägt Obama ein Wohlwollen entgegen, das ihm in Washington nicht immer zuteil wird. In Colorado unterzeichnete er das Konjunkturpaket, in Arizona kündigte er Milliardenhilfen für überschuldete Hauskäufer an. Am Freitag ist Obama genau einen Monat im Amt Zeit für eine erste Zwischenbilanz. Es war ein schwieriger Start, da sind sich die meisten Beobachter einig.

"Obamas Team schlägt sich ganz gut, aber es gab Schlaglöcher auf dem Weg", urteilt Politikprofessor Costas Panagopoulos von der Fordham-Universität in New York. Die Stolper-Liste des ersten Monats: Steuerskandale brachten Gesundheitsminister Tom Daschle zu Fall und beschädigten Finanzminister Tim Geithner. Dessen Plan zur Bankenrettung enttäuschte so sehr, dass die Wall Street abstürzte. Die Republikaner verweigerten sich standhaft Obamas Bitte zur Zusammenarbeit. "Sollte jemand gedacht haben, dass Regieren für Obama ein Spaziergang wird, ist jetzt Umdenken angesagt", resümiert Panagopoulos.

Viele neue US-Präsidenten kommen mit dem Anspruch eines grundlegenden Neubeginns nach Washington und müssen dort die Erfahrung machen, dass ihr Wille zur Veränderung an den Streitritualen einer eingefahrenen parteipolitischen Kultur abprallt. Obamas Probleme der ersten Wochen sind Probleme, wie sie für den Politikbetrieb in Washington eigentlich typisch sind. Doch gerade die Vertrautheit dieser Skandälchen hat das Zeug, Obamas Image als Verkörperung des Wandels auszuhöhlen zur Freude der Konservativen.

Es hat nicht lange gedauert, bis die politischen Gegner Obama ins Fadenkreuz nahmen. "Die ersten Tage der Regierung Obama waren ein Anschauungsbeispiel in Amateurhaftigkeit", kritisiert Kathleen Parker, die konservative Kolumnistin der "Washington Post". Der rechte Wortführer William Kristol vom "Weekly Standard" analysiert: "Der Zug springt aus den Gleisen. Die Republikaner sind erleichtert über Obamas schwachen Start." Der einflussreiche konservative Radio-Talker Rush Limbaugh kann sich Genugtuung nicht verkneifen: "Ich hoffe, dass Obama scheitert", sprach er unverblümt ins Mikrofon.

Diese Urteile geben freilich nur eine Seite des politischen Spektrums wieder. Obamas Anhänger verweisen darauf, dass der Präsident in den ersten Wochen mehr erreicht habe als viele seiner Vorgänger in einer ganzen Amtszeit nämlich die grundlegende Neudefinition des Verhältnisses zwischen Staat und Wirtschaft: In den 787 Milliarden Dollar des Konjunkturpakets sind viele Sozialprogramme für die Armen und Schwachen enthalten. Lebensmittelmarken, Arbeitslosengeld, Bildungsbeihilfen: Der Staat kümmert sich wieder um seine bedürftigen Bürger, und er greift regulierend in die Wirtschaft ein.

Zwei weitere neue Gesetze der Obama-Regierung stärken zudem die Rechte von Frauen gegen Lohndiskriminierung, und sie gewähren Beihilfen für die Krankenversicherung von Kindern. Auch die angekündigte Schließung des Lagers Guantanamo ist ein Wendepunkt.

Bruce Buchanan, Politikprofessor an der University of Texas in Austin, würde Obamas bisherige Leistungen auf einer politischen Mess-Skala "etwas oberhalb von okay" einordnen. Buchanan verweist darauf, dass der Präsident in Umfragen durch anhaltend hohe Zustimmungswerte von 60 bis 70 Prozent gestützt werde gerade deswegen suche der Präsident so oft den direkten Kontakt mit den Bürgern außerhalb von Washington. "Man kann nicht sagen, dass er den Boden unter den Füßen verloren hätte", sagt der Professor.