US-Präsident Barack Obama will die Gouverneurin von Kansas, Kathleen Sebelius (60), zur Gesundheitsministerin machen. Dabei ist die Frau für Obamas Jahrhundertreform nur zweite Wahl. Ex-Senator Tom Daschle musste wegen einer Steueraffäre den Rückzug antreten. Bilder von Obamas Kabinett.

Washington. Ihr neues Amt tritt Kathleen Sebelius mit dem Makel an, nur zweite Wahl zu sein. Den Posten des Gesundheitsministers hatte US-Präsident Barack Obama eigentlich schon fest dem früheren Senator Tom Daschle zugesagt, der dann aber wegen einer Steueraffäre verzichten musste. Nun wird es der beliebten, in der Washingtoner Politik aber kaum erfahrenen Gouverneurin von Kansas überlassen bleiben, eines der schwierigsten und ambitioniertesten Reformprojekte Obamas umzusetzen nämlich, allen US-Bürgern den Zugang zu einer Krankenversicherung zu ermöglichen.

Als Gesundheitsministerin wird die Demokratin eine Behörde mit 65 000 Mitarbeitern leiten. Bislang hat das Ministerium einen Mammutetat von jährlich etwa 700 Milliarden Dollar, in Obamas neuem Budgetentwurf sind über die kommenden zehn Jahren zusätzlich allein 634 Milliarden Dollar für die Gesundheitsreform vorgesehen. Mehr als 45 Millionen US-Bürger also jeder sechste haben keine Krankenversicherung. Ihre Zahl steigt in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise täglich, weil viele Menschen mit dem Arbeitsplatz zugleich auch die Krankenversicherung verlieren.

In ihrer politischen Karriere hat Sebelius gelernt, mit großen Zahlen zu jonglieren. Jahrelang war sie die staatliche Versicherungskontrolleurin von Kansas, ehe sie zur Gouverneurin des Prärie-Staats gewählt wurde. Ihre Wahl dort war eine kleine Sensation: Kansas ist eine Bastion der konservativen Republikaner. Sebelius arbeitete eng mit der Gegenpartei zusammen. Ihre von Obama gelobte Fähigkeit zur Kooperation wird in Washington auf die Probe gestellt werden, wo das Jahrhundertprojekt der Gesundheitsreform ohne Zustimmung aus beiden Parteien nicht zu stemmen sein wird.

"Wir als Nation werden stärker sein, wenn die Menschen Zugang zu hochqualifizierter, erschwinglicher Gesundheitsversorgung haben", sagte Sebelius im vergangenen Jahr. Den gegenwärtigen Zustand empfindet sie als zutiefst ungerecht. Das ineffiziente und dennoch enorm teure US-System sieht Sebelius für die Unternehmen des Landes auch als Nachteil im globalen Wettbewerb.

Krankenversicherung ist im derzeitigen US-System kein Menschenrecht, sondern eine Ware, die man sich leisten können muss. Krankheit zählt zu den Hauptgründen für privaten Ruin. Anders als etwa in Deutschland sind Arbeitgeber nicht verpflichtet, Versicherungsbeiträge für ihre Angestellten zu entrichten. Diese Beiträge sind aber zu hoch, als dass Geringverdiener sie alleine bezahlen können.

Sebelius wird die Gesundheitsreform, für die ein Gesetzentwurf erst noch erarbeitet werden muss, gegen den Widerstand von Politikern und Lobbyisten durchkämpfen müssen. Viele Republikaner, aber auch manche Demokraten stehen der Idee eines neuen staatlichen Sozialprogramms mit unabsehbaren Kosten kritisch gegenüber. Gefördert werden die Vorbehalte von Pharmaindustrie und Versicherungsbranche, die staatliche Auflagen wie etwa Preisobergrenzen fürchten.

Unweigerlich wird Sebelius in ihrem neuen Amt an ihrer neuen Kabinettskollegin Hillary Clinton gemessen werden. Die damalige First Lady war Anfang der 90er Jahre mit dem Versuch einer Gesundheitsreform in Washington grandios gescheitert, seither hatte es keinen neuen Anlauf mehr gegeben. Mit Clinton verbindet Sebelius immerhin, dass Politik sozusagen Familiensache ist: Sebelius’ Vater war Gouverneur von Ohio und ihr Schwiegervater war Kongressabgeordneter allerdings für die Republikaner.