Die Särge gefallener US-Soldaten dürfen weder fotografiert noch gefilmt werden – mit diesem Medienverbot will Präsident Barack Obama jetzt offenbar Schluss machen. Bilder von der Rückkehr Gefallener.

Washington. Seine Ankündigung, er wolle das Medienverbot überprüfen lassen, hat er nach Berichten der "Washington Post" und des Magazins "Newsweek" jetzt noch einmal bekräftigt. Damit zeichnet sich ein neuer Umgang des Weißen Hauses mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak ab.

Auch US-Verteidigungsminister Robert Gates erwarte, dass eine Prüfung des Verbots "in diesen Tagen" stattfinde, sagte sein Sprecher der "Washingon Post". Gates suche "eine bessere Ausge wogenheit zwischen der individuellen Zustimmung betroffener Familien und dem Recht des amerikanischen Volkes, die gefallenen Helden zu ehren". Man wolle versuchen, eine Berichterstattung zu ermöglichen.Das Medienverbot bezieht sich auf die Luftwaffenbasis Dover Air Foce Base im Bundesstaat Delaware, wo die Särge sämtlicher gefallener Soldaten ankommen und entladen werden. Mit dem "Fallen Hero Commemoration Act" (Gesetz zu Gedenkfeiern gefallener Helden), das bereits seit dem Golfkrieg 1991 besteht, unterbindet das Verteidigungsministerium die fotografische Abbildung der Transporte bzw. behält sie ausdrücklich nur bestimmten, "akkreditierten" Fotografen vor.

Hintergrund war vor Jahren ein peinlicher medialer Zufall gewesen: Präsident George Bush senior hatte in Washington eine launige Pressekonferenz gegeben, als zur selben Zeit in Dover die ersten Opfer der US-Invsion in Panama 1989 ausgeladen wurden; Fernsehsender zeigten auf geteilten Bildschirmen die in die US-Flagge gehüllten Särge in Dover und daneben den Präsidenten, der bei seiner Rede einen Witz machte.

Weißes Haus und Pentagon reagierten wütend: Berichte über Kriegsopfer sollten besser kontrolliert werden. In der Folge wurden ausgesuchte Fotografen nur dann in Dover zugelassen, "wenn es im Interesse der Regierung war", sagt Meredith Fuchs, Beraterin des National Security Archive, das sich seit 2005 für eine Veröffentlichung von Gefallenenfotos einsetzt.Sowohl Republikaner wie auch Demokraten genehmigten Ausnahmen: Unter Bill Clinton veröffentlichte das Pentagon Fotos von Särgen, in denen Opfer des Anschlags auf das Kriegsschiff USS Cole im Oktober 2000 im Jemen nach Dover kamen. George W. Bush ließ Air Force-Fotos von Opfern des 11. September veröffentlichen, die beim Anschlag auf das Pentagon starben. "Sie wollten mit den Fotos unseren Zorn über die Terroranschläge schüren", sagt Fuchs. Im März 2003, mit Beginn des Irakkriegs, wurde der Foto-Bann noch einmal verschärft.

Das erste Mal waren die Amerikaner während des Vietnam- Krieges geschockt worden, als sie im Fernsehen sahen, wie Särge von Gefallenen auf einem Stützpunkt auf Hawaii wie am Fließband aus den Flugzeugen rollten. "Solche Bilder bringen den Leuten die Folgen des Kriegs natürlich näher", sagt S. Robert Lichter, Leiter des Zentrums für Medien und Öffentlichkeitsarbeit an der George Mason University in Virginia. Aber das führe nicht zwangsläufig zu Demoralisierung oder einer Anti-Kriegsstimmung: "Was die Leute gegen den Krieg einnimmt ist nicht, dass Amerikaner dabei sterben, sondern die Befürchtung, dass sie für etwas Falsches sterben", sagt Lichter.

Für viele Familien gefallener US-Soldaten ist die würdevolle Ankunfts-Zeremonie in Dover, bei der ein Militärpfarrer ein Gebet spricht und eine Acht-Mann-Ehrengarde die Särge zum Bestattungswagen trägt, ein wichtiger Dank der Nation an diejenigen, die für den Krieg den höchsten Preis bezahlten. Eine Mehrheit von 60 Prozent der Amerikaner sprach sich bei Umfragen 1991 und 2004 dafür aus, Bilder von der Zeremonie zu veröffentlichen. Ein Drittel befand hingegen, nur die Angehörigen sollten dabei zugelassen werden. Immer wieder versuchten Angehörige oder Bürgerrechtler, unter Berufung auf das "Freedom of Information Act" (Gesetz zur Informationsfreiheit) eine Veröffentlichung von Fotos zu erreichen. 2004 erstritt der US- Journalist Russ Kick die Herausgabe von 361 Fotos von ankommenden Särgen vom Pentagon und veröffentlichte sie auf seiner Homepage. 2006 gewann der Fotograf Todd Heisler einen Pulitzer-Preis für seine Serie über gefallene US-Marines, die aus dem Irak heim nach Colorado gebracht wurden; Heisler konnte nur fotografieren, weil die Angehörigen zustimmten. Seit 2001 veröffentlicht die "Washington Post" unter "Faces of The Fallen" zumindest die Passfotos aller US-Soldaten, die im Irak (4225) und in Afghanistan (640) gefallen sind insgesamt sind es derzeit 4865 Tote. Für Präsident Barack Obama birgt der Plan, offener mit diesen tragischen Kriegsfolgen umzugehen, auch ein Risiko. Gerade will er zehntausende zusätzlicher US-Soldaten nach Afghanistan schicken damit. steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Fotos von Särgen um die Welt gehen werden. Auf der anderen Seite will er die Regierungsarbeit ausdrücklich transparenter machen. Dazu würde nicht passen, die Särge von Dover zu verstecken.