Erstmals seit 36 Jahren müssen in Großbritannien Koalitionsgespräche geführt werden. Premier Brown lässt den Konservativen den Vortritt.

London. Der britische Tory-Chef David Cameron hat den Liberaldemokraten ein umfassendes Abkommen über eine Machtteilung angeboten. Er werde den Drittplatzierten der Parlamentswahl ein „großes, offenes und umfassendes Angebot“ machen, sagte Cameron am Freitag in London.

Er wolle mit den Liberaldemokraten zusammenarbeiten, um die „großen und dringenden Probleme“ anzugehen. Der Parteichef der Lib Dems, Nick Clegg, hatten zuvor angedeutet, dass die Tories die neue Regierung bilden sollten. Premierminister Gordon Brown hatte den Konservativen daraufhin den Vortritt bei den Sondierungsgesprächen gelassen.

Er respektiere Cleggs Entscheidung, mit den Konservativen zu sprechen, hatte Labour-Chef Brown gesagt. Dabei sollten sich beide Seiten „so viel Zeit nehmen, wie sie brauchen“. Wenn sich die beiden Parteien aber nicht einigten, werde seine Labour-Partei mit den Liberaldemokraten verhandeln. Dem amtierenden Premierminister steht laut britischem Wahlrecht eigentlich das Vorrecht bei der Regierungsbildung zu, wenn es keine eindeutigen Mehrheiten gibt.

Die Liberaldemokraten waren bei der Parlamentswahl am Donnerstag drittstärkste Kraft geworden und sind nun das Zünglein an der Waage. Die Konservativen von Cameron haben zwar die meisten Sitze gewonnen, eine absolute Mehrheit aber verfehlt. Nach der Auszählung von 641 der 650 Wahlkreise errangen die Tories 302 Sitze (36,2 Prozent) im britischen Unterhaus. Browns seit 13 Jahren regierende Labour-Partei konnte demnach mit 256 Mandaten (29,0 Prozent) rechnen, die Liberaldemokraten mit 56 Sitzen (23,0 Prozent).