Berlin. Der Konflikt um Transnistrien, völkerrechtlich Teil Moldawiens, flammt wieder auf. Worum geht es? Und welche Interessen hat Russland?

  • Völkerrechtlich ist Transnistrien Teil der Republik Moldau
  • Doch schon lange wird das Gebiet von russlandfreundlichen Separatisten regiert
  • Worum geht es in dem Konflikt? Und welche Interessen hat Moskau?

Der Palast der Republik in Tiraspol ist ein strahlend weißer Prunkbau, ein Paradebeispiel sowjetischer Architektur. Wiederholt haben dort zuletzt Abgeordnete aus allen Teilen Transnistriens über die aktuelle Lage in dem schmalen Landstrich im Osten der Republik Moldau beraten. Das Ergebnis: Eine Resolution, in der sich die abtrünnige Region an den russischen Föderationsrat sowie die Staatsduma „mit der Bitte über die Realisierung von Maßnahmen zum Schutz Transnistriens angesichts des zunehmenden Drucks durch Moldau“ wendet.

Was genau das De-Facto-Regime in Transnistrien von Russland erwarten, ist nicht klar. In Moldau selbst sind Experten entspannt. Noch. Doch die frühere Sowjetrepublik ist wie kein anderes europäisches Land in den Strudel des Ukraine-Kriegs gezogen worden. Seit dem Beginn des russischen Überfalls vor zwei Jahren steht die proeuropäische Regierung unter Präsidentin Maia Sandu unter massivem Druck. Etwa ein Viertel der rund 2,5 Millionen Einwohner gilt als prorussisch. Moskau schürt Spannungen durch gezielte Störfeuer und Desinformationskampagnen, finanziert Demonstrationen gegen die Regierung.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Immer wieder rückt Transnistrien in den Fokus. Das Gebiet zwischen dem östlichen Ufer des Dnister und der Westgrenze der hatte sich nach dem Zerfall der Sowjetunion 1990 für unabhängig erklärt, was 1992 in einem kurzen, aber blutigen Konflikt eskalierte. International wird die Unabhängigkeit Transnistriens von keinem Land anerkannt, das Gebiet gehört völkerrechtlich zu Moldau. Die Regierung in der Hauptstadt Tiraspol gilt als moskaunah. In der Region leben rund 450.000 Menschen, die zum Großteil die Unabhängigkeit Transnistriens unterstützen. Zudem sind dort rund 1500 russische Soldaten stationiert.

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Annexion durch Putin? Transnistrien im Strudel des Ukraine-Kriegs

Seit dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine gab es Befürchtungen, Russland wolle entlang der Schwarzmeer-Küste eine Landverbindung nach Transnistrien schaffen und das Separatistengebiet annektieren. Vor diesem Hintergrund hatte Wadim Krasnoselski, der Präsident Transnistriens, zu einem Kongress der „Abgeordneten aller Ebenen“ geladen.

Die US-amerikanische Denkfabrik ISW hatte bereits befürchtet, dass die Delegierten auf diesem Kongress die Annexion durch Russland fordern könnten. Was nun folgt, ist allerdings unklar. Schlimmstenfalls, so prognostiziert es das ISW, könnte der russische Präsident Wladimir Putin bald die Annexion verkünden – ein Szenario, das von den ISW-Forschern bislang als unwahrscheinlich eingeschätzt wird.

Zum Unabhängigkeitstag 2023 wehen die Flaggen Transnistriens und Russlands Seite an Seite.
Zum Unabhängigkeitstag 2023 wehen die Flaggen Transnistriens und Russlands Seite an Seite. © IMAGO/SNA | IMAGO stock

Experten fürchten, Russland könnte Annexion Transnistriens fordern

Eine Annexion Transnistriens könnte Putin den Vorwand verschaffen, russische Bürger schützen zu müssen, und damit einen Anlass für eine militärische Intervention in dem Gebiet, das völkerrechtlich Teil der Republik Moldaus ist – eines EU-Beitrittskandidaten. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssten reagieren. Die Konsequenzen könnten verheerend sein.

Transnistrien liegt im Osten Moldaus, an der Grenze zur Ukraine.
Transnistrien liegt im Osten Moldaus, an der Grenze zur Ukraine. © DPA Images | dpa-infografik GmbH

Gesprächspartner in der Republik Moldau geben sich aber betont gelassen. „Nichts davon wird geschehen“, sagte Vladislav Kulminski, zeitweise wichtigster Verhandler für die moldawische Regierung im Transnistrien-Konflikt. Valeriu Pasa, Chef einer moldawischen Denkfabrik, glaubt Moskau hinter den alarmierenden Nachrichten – allerdings bevor die Separatisten Moskau um Schutz gebeten haben.

Für den drastischen Schritt hat der Kongress in Tiraspol womöglich sogar einen sehr profanen Grund. Die moldawische Regierung plant die Aufhebung für Steuererleichterungen für transnistrische Unternehmen. In einem Betrag für die Deutsche Welle schreibt der moldawische Journalist Vitalie Calugareanu, dass die Regierung von diesem Schritt durch „die Panik, die durch die Unwahrheit über die mögliche Annexion Transnistriens durch Russland ausgelöst wird“, abgehalten werden soll.

Russland-Reportagen von Jan Jessen