Berlin. Krisen, Kriege, schlechte Nachrichten. Gibt es eigentlich ein Zeichen der Hoffnung für die Welt? Ja, man muss nur sehr genau hinsehen.

Krieg in der Ukraine, Krieg in Nahost, Klimakrise und Krise der Demokratie: Die gesamte Welt scheint aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. In fast allen Winkeln des Planeten brennt es lichterloh, der Strom schlechter Nachrichten scheint nicht mehr abzureißen.

Das war auch das Grundgefühl auf der 60. Münchner Sicherheitskonferenz, die am Sonntag nach drei Tagen zu Ende ging. Rund 50 Staats- und Regierungschefs und mehr als 100 Minister aus aller Welt debattierten dort gemeinsam mit Parlamentariern, Militärs, Wissenschaftlern, Wirtschaftslenkern und Vertretern internationaler Organisationen über den Zustand der Welt und Wege zur Stabilisierung der internationalen Ordnung.

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An Warnungen vor noch mehr Chaos und Leid fehlte es in München nicht: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj etwa forderte mehr Unterstützung für sein Land, damit dieses die von Russlands Staatschef Wladimir Putin befohlene Invasion abwehren kann. Es gehe um die regelbasierte Weltordnung insgesamt: „Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es Putin gelingen, die nächsten Jahre zur Katastrophe zu machen.“

Für Positives muss man lange suchen und seine Ansprüche herunterschrauben

UN-Generalsekretär António Guterres wiederum zeigte sich besorgt über die bevorstehende Offensive der israelischen Armee in Rafah im Süden des Gazastreifens. Der Terror der palästinensischen Hamas gegen Israel sei durch nichts zu rechtfertigen, sagte der Portugiese. Und betonte zugleich: „Rafah steht im Zentrum des ganzen humanitären Hilfseinsatzes. Eine umfassende Offensive gegen die Stadt wäre für die 1,5 Millionen palästinensischen Zivilisten dort, die schon jetzt ums Überleben kämpfen, verheerend.“

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    Gibt es eigentlich ein Zeichen der Hoffnung für die Welt? Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, der deutsche Diplomat Christoph Heusgen, zitierte zum Auftakt des Treffens aus einer Weihnachtskarte, die ihm der amerikanische Investor und Philanthrop George Soros im vergangenen Jahr geschickt hatte. Darin fanden sich folgende Sätze: „Irgendwo gibt es einen Silberstreif. Aber wir wissen noch nicht, wo er ist.“

    Man muss schon ziemlich lange suchen und seine Ansprüche weit herunterschrauben, um eine Ahnung davon zu bekommen, wo der Silberstreif sein könnte. Einige Hinweise darauf lieferte die Konferenz aber womöglich:

    Der Westen steht fest zusammen – bis auf Weiteres

    Putins Aggression gegen die hat der transatlantischen Partnerschaft neues Leben eingehaucht. Im Weißen Haus residieren mit Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris zwei Staatslenker, die sich fest zur politischen und militärischen Zusammenarbeit mit den Europäern bekennen. Die USA und die Europäer unterstützen die Ukraine mit Waffen und Geld und arbeiten zugleich daran, das eigene Militärbündnis stärker zu machen. Das ist umso wichtiger, als der ehemalige Präsident Donald Trump, der wieder an die Spitze des Staates gewählt werden will, unlängst Amerikas Sicherheitsgarantien im Rahmen der Nato infrage gestellt hat. Das fügte sich nahtlos ein in die Politik, die er während seiner Amtszeit von 2017 bis 2021 verfolgt hatte.

    Harris hingegen sagte in München: „In diesen unruhigen Zeiten ist klar: Amerika kann sich nicht zurückziehen. Amerika muss für die Demokratie kämpfen. Wir müssen internationale Regeln und Normen verteidigen. Und wir müssen an der Seite unserer Alliierten stehen.“ Kanzler Olaf Scholz (SPD) wiederum sagte: „Wir stehen geschlossener zusammen denn je.“

    Neuer Schwung für Europa

    Die äußere Bedrohung zwingt auch die europäischen Staaten zu mehr Kooperation. Putins Krieg gegen die Ukraine hat erneut deutlich gemacht, dass die Europäische Union dringend eine weltpolitische Rolle einnehmen muss. Sie muss in Europa und in der unmittelbaren Nachbarschaft die bessere Alternative zu den Verlockungen sein, die autoritäre Staaten wie Russland oder China bieten können. In Sachen Ukraine-Unterstützung raufen sich die EU-Staaten immer wieder zusammen, erst Anfang des Monats brachten sie ein Hilfspaket im Umfang von 50 Milliarden Euro auf den Weg.

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte mehr Unterstützung für sein Land.
    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte mehr Unterstützung für sein Land. © DPA Images | Sven Hoppe

    Zugleich geht es darum, den europäischen Pfeiler innerhalb der Nato zu stärken. Das EU-Mitglied Finnland, das jahrzehntelang neutral war, ist bereits der Nato beigetreten, der Beitritt Schwedens soll rasch folgen. Nun geht es um gemeinsame europäische Rüstungsprojekte, eine gemeinsame Planung und womöglich auch um eine grenzüberschreitende Konsolidierung der europäischen Rüstungsindustrie.

    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte in München: „Wir müssen als Europäer mehr in unsere eigene Sicherheit investieren.“ Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (CDU), sagte, sie werde im Falle einer zweiten Amtszeit den Posten eines EU-Verteidigungskommissars in der europäischen Exekutive schaffen. „Ich denke, das ist angemessen.“

    Kampf gegen die Kriegsmüdigkeit

    Die militärische Lage in der Ukraine ist heikel, den verteidigenden Truppen geht die Munition aus. In Europa und in den USA werden die Stimmen lauter, die den Sinn der fortwährenden Militärhilfe für die Ukraine infrage stellen. Auf der Sicherheitskonferenz ließen mehrere prominente Redner aus dem Westen keinen Zweifel daran, dass sie einschlägigen Forderungen nicht nachgeben werden. Dazu zählten US-Vizepräsidentin Harris und Bundeskanzler Scholz. Der sagte in München: „Der politische und finanzielle Preis, den wir dann zu zahlen hätten, wäre um ein Vielfaches höher als alle Kosten unserer Unterstützung der Ukraine heute und in Zukunft.“

    Der Kanzler trat bei der Konferenz mit breiter Brust auf: Deutschland ist nach den USA der zweitwichtigste Unterstützer der Ukraine – mit weitem Abstand zu allen anderen europäischen Nationen. Am Freitag erst hatte er in Berlin mit dem ukrainischen Präsidenten ein bilaterales Sicherheitsabkommen unterzeichnet. Entsprechende Verträge gibt es auch zwischen der Ukraine und Frankreich sowie Großbritannien.

    Die Nahost-Diplomatie ist noch nicht am Ende

    Zu den Konferenzteilnehmern in München gehörten neben zahlreichen hochrangigen Vertretern aus der arabischen Welt auch der israelische Präsident Isaac Herzog und Außenminister Israel Katz. Am Rande des Treffens gab es intensive Gespräche über eine mögliche weitere Waffenruhe, die Freilassung weiterer Hamas-Geiseln und die Versorgung der Menschen im abgeriegelten Gazastreifen. Ein Durchbruch steht noch aus. Wichtig ist aber, dass die Gespräche überhaupt weitergehen.

    US-Außenminister Antony Blinken sagte in München, er sehe Chancen für ein Ende der Gewaltspirale. Zugleich machte sich Blinken abermals für eine Zwei-Staaten-Lösung stark. „Ich denke, dass sich Israel in den kommenden Monaten eine außergewöhnliche Chance bietet, diesen Zyklus tatsächlich ein für alle Mal zu beenden.“ Israels Staatspräsident Isaac Herzog sagte, bei jeder Nachkriegslösung für die Region müsse die Sicherheit Israels garantiert sein. Derzeit erscheine ein palästinensischer Staat wie eine Belohnung für den Krieg, den die Hamas begonnen habe.