Berlin. Die Huthi-Attacken auf Schiffe im Roten Meer haben Folgen für die Weltwirtschaft und Europa. Die Antwort könnte eine militärische sein.

Die Spannungen im Roten Meer nehmen zu: Nach wiederholten Angriffen der Huthi-Rebellen auf internationale Handelsschiffe haben die USA und Großbritannien Stellungen der Miliz im Jemen bombardiert. Die mit dem Iran verbündeten Huthis sind Teil einer antiisraelischen Allianz. Der Konflikt mit den Rebellen hat auch Folgen für Deutschland: Handelsrouten sind gestört, zudem könnte sich die Bundeswehr an einer Marinemission in der Region beteiligen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur aktuellen Lage.

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Huthi-Attacken im Roten Meer: Wie reagieren Reedereien auf die Gefahr?

Dem Verband Deutscher Reeder (VDR) zufolge gibt es auf Handelsschiffen fast keine Möglichkeit, sich gegen den Beschuss mit ballistischen Raketen, Flugdrohnen oder gegen Angriffe mit Drohnenbooten zu schützen. „Um Angriffe zu erschweren, schalten Schiffe inzwischen teilweise ihr automatisches Datenidentifikationssystem an Bord aus“, berichtet VDR-Hauptgeschäftsführer Martin Kröger unserer Redaktion. Das berge allerdings die Gefahr, im Falle eines Angriffs nicht rechtzeitig von Marineeinheiten in der Region geortet zu werden. Viele Reedereien meiden deswegen die Passage durch das Rote Meer und den Suez-Kanal.

Stattdessen nehmen die Schiffe den etwa 6000 Kilometer langen Umweg um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas. Der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd zufolge dauern Fahrten in die USA dadurch eine Woche länger, nach Europa bis zu zwei Wochen länger. Die Folge für das Unternehmen seien „Zusatzkosten pro Monat in hoher zweistelliger Millionenhöhe“, sagte ein Firmensprecher dieser Redaktion. Durch die längere Alternativroute erreichen laut VDR etwa 700.000 20-Fuß-Standardcontainer aus den USA und Europa verspätet ihr Ziel in Asien und gingen damit vermutlich auch verzögert auf den Rückweg.

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Welche Bedeutung hat der Suez-Kanal?

Die Route ist eine zentrale Ader der Weltwirtschaft, sie verbindet Asien und Europa. Knapp 24.000 Schiffe passierten den Suez-Kanal im Jahr 2022. Als im März 2021 der Frachter „Ever Given“ im Suez-Kanal auf Grund lief und die Durchfahrt rund eine Woche lang blockierte, gerieten die Lieferketten im eng getakteten globalen Handel massiv durcheinander.

„Die Außenhandelsunternehmen haben aus der Blockade des Suez-Kanals 2021 gelernt und sich deutlich diversifiziert“, sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, dieser Redaktion. „Größere Versorgungsprobleme erwarte ich daher nicht, vielleicht gibt es vereinzelt Lieferengpässe.“

Die „Galaxy Leader“ im Roten Meer.
Die „Galaxy Leader“ im Roten Meer. © AFP | -

Was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft?

Es verspäten sich von der Industrie benötigte Vorprodukte. Der Elektroauto-Hersteller Tesla muss seine Produktion in Grünheide bei Berlin ab Ende Januar wegen fehlender Bauteile für knapp zwei Wochen weitgehend stoppen. „Erste Lager laufen leer, Produktionsbeeinträchtigungen deutscher Unternehmen werden sichtbar“, warnt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Hinzu kämen höhere Transportkosten wegen höherer Frachtraten sowie steigender Versicherungskosten. Bald dürften sich demnach auch die Abläufe in den Häfen verschärfen, weil Schiffe später ankommen und Container für den Export auf Abholung warten.

Schifffahrt meidet Rotes Meer: Was sind die Folgen für Verbraucher?

Dauert die Krise an, könnten einzelne Produkte zeitweilig nicht oder nur mit Verzögerung verfügbar sein. Denkbar ist außerdem, dass Unternehmen Zusatzkosten auf die Verbraucher umschlagen, die Preise für bestimmte Produkte könnten also steigen.

Den bisherigen Schaden für die deutsche Industrie kann das Bundeswirtschaftsministerium nicht beziffern. Auch Hinweise auf „gesamtwirtschaftliche“ Auswirkungen gebe es bislang nicht. Der Chef des dänischen Reederei-Riesen Maersk, Vincent Clerc, warnte in der „Financial Times“ allerdings vor einer lang andauernden Krisensituation im Roten Meer: „Das könnte erhebliche Auswirkungen auf das globale Wachstum haben.“

Was bewirken die Luftschläge gegen die Huthis?

„Dabei geht es in erster Linie darum, den Huthi Grenzen aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass wir eine Einschränkung der freien Seeschifffahrt nicht hinnehmen“, sagte der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid dieser Redaktion. Der Konflikt im Jemen und die damit einhergehende Bedrohung durch die Huthis müssten aber politisch-diplomatisch gelöst werden.

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Neu rekrutierte Huthi-Kämpfer halten bei einer Zeremonie am Ende ihrer Ausbildung Waffen hoch.
Neu rekrutierte Huthi-Kämpfer halten bei einer Zeremonie am Ende ihrer Ausbildung Waffen hoch. © DPA Images | Osamah Yahya

Greift die Bundeswehr militärisch ein?

Die USA haben bereits die Mission „Operation Prosperity Guardian“ zum Schutz der Handelsschifffahrt ins Leben gerufen. Die Europäische Union berät darüber, eine eigene Marinemission zur Sicherung der Seewege im Roten Meer aufzustellen. „Die Bundesregierung steht bereit, sich an einer solchen Mission zu beteiligen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Wie ein Beitrag der Bundeswehr aussehen könnte, ist aber noch offen. „Das kann von der Entsendung von Offizieren bis zur Entsendung von Schiffen gehen“, sagte SPD-Politiker Schmid.

Der Verband Deutscher Reeder fordert einen stärkeren militärischen Schutz der Schifffahrt. „Ohne Marineeinheiten ist der Schutz der zivilen Handelsschifffahrt in dem Seegebiet um das Rote Meer nicht möglich“, sagte Kröger. Angesichts der kritischen Lage im Roten Meer müsse Deutschland dem Schutz von Handelsschiffen und der wichtigen Handelsroute „höchste Priorität“ einräumen. In enger Abstimmung mit den EU-Partnern und der Nato solle sich die Bundeswehr nach Möglichkeit aktiv an der Schutzmission „Operation Prosperity Guardian“ beteiligen.

„Wir sind eine der großen Handelsnationen dieser Welt“, sagte BGA-Präsident Jandura. „Aus meiner Sicht wäre es ein wichtiges Signal an unsere Verbündeten und Partner, wenn sich Deutschland aktiv für den Schutz unserer geopolitischen Interessen engagiert, im Ernstfall auch militärisch.“