Jagel. Der Ukraine-Krieg hat vieles verändert. Auch die öffentliche Darstellung des Kanzlers. Ein Bild im Eurofighter scheut Scholz nicht.

Olaf Scholz sitzt ohne Jacket im Cockpit des Eurofighters und lässt sich gründlich alles erklären. Der Kanzler im Kampfjet: Ein solches Bild von sich hätte der Sozialdemokrat vor Beginn des Krieges in der Ukraine womöglich gemieden. Der russische Angriff hat viel verändert. Als junger Mann entschied sich Scholz gegen die Bundeswehr und absolvierte Zivildienst in einem Pflegeheim. Jetzt ist er Bundeskanzler, während in Europa Krieg herrscht.

Scholz wollte als Kopf einer „Fortschrittskoalition“ Deutschland einmal von hinten aufrollen. Es ging ihm um Respekt und Zusammenhalt, um die Modernisierung des Landes nach den Merkel-Jahren. Für Scholz bedeutet Putins Angriff auf die Ukraine, dass er sich tagtäglich mit Fragen von Krieg und Frieden in Europa befassen muss. Mit Waffenlieferungen und Munitionsproduktion. Das hätte sich der Sozialdemokrat weiß Gott nicht ausgesucht.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Cockpit des Eurofighters.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Cockpit des Eurofighters. © AFP | Axel Heimken

Scholz gleicht in seiner Arbeitsweise einem Mitarbeiter vom Bürgeramt

Allerdings ist Scholz nicht der Typ, der mit den Umständen hadert, die ihm das Weltgeschehen bereitet. Er gleicht da einem Mitarbeiter im Bürgeramt, der einen Antrag auf einen Reisepass oder die Ausstellung einer Geburtsurkunde mit demselben Einheitspuls abarbeitet wie die Umschreibung eines Fahrzeugsbriefs. Manche sehen darin eine Stärke da Kanzlers, andere seine größte Schwäche.

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Wenige Tage nach Kriegsbeginn entschied Scholz kurzerhand, als Reaktion auf die Bedrohung durch Russland die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro zu modernisieren. An die Lieferungen immer schwerer und durchschlagskräftiger Waffen an die Ukraine tastete sich Scholz heran, ebenso an die Bundeswehr. Als seine Vertraute Christine Lambrecht mit dem Verteidigungsministerium überfordert war, tauschte der loyale Scholz sie gegen Boris Pistorius aus. Einen Ausfall auf dem Posten konnte er sich nicht leisten.

Scholz besucht Großmanöver Air Defender

Scholz selbst sah man erst in einen Panzer klettern, kürzlich besuchte der Kanzler die Marine. Jetzt steigt er also in Jagel in den Eurofighter und bleibt zehn Minuten auf dem Pilotensitz. Scholz besucht hier auf dem Fliegerhorst Jagel in Schleswig-Holstein das internationale Luftwaffen-Großmanöver „Air Defender“.

Auf Einladung Deutschlands beteiligen sich daran tausende Soldaten aus Nato-Staaten und anderen Partnernationen. 250 Luftfahrzeuge aus 25 Nationen üben vom 12. bis zum 23. Juni den gemeinsamen Verteidigungsfall. Deutschland ist das Drehkreuz. Die Übung ist seit Jahren geplant, aber jetzt soll sie eine Botschaft der Abschreckung an Russland senden.

Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte in Jagel die Großübung Air Defender.
Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte in Jagel die Großübung Air Defender. © AFP | Axel Heimken

Auswirkungen auf zivilen Flugverkehr bisher gering

Im Vorfeld hatte es die Sorge gegeben, dass aufgrund der zahlreichen militärischen Flüge und zeitweise gesperrter Lufträume der Platz am Himmel über Deutschland eng werden könnte. Dass zivile Flüge ausfallen, es zumindest aber massive Verspätungen geben könnte – und das ausgerechnet zu Beginn der Urlaubszeit.

Dies hat sich bisher jedoch nicht bestätigt. Die Zwischenbilanz sei „positiv“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Matthias von Randow, dieser Redaktion. „Dank der guten Wetterbedingungen und der intensiven Vorbereitungen bei der Deutschen Flugsicherung, den Fluggesellschaften und Flughäfen ist es bislang zu weniger Beeinträchtigungen gekommen als erwartet.“

Es riecht nach Kerosin, ein losdonnernder Tornado unterbricht den Kanzler

Es riecht nach Kerosin. Scholz steht vor einer Reihe von Kampfjets: vor einer Gripen aus Ungarn, einer F16 aus der Türkei, einer finnischen F18, einem deutschen Tornado, dem deutschen Eurofighter, einer F16 aus den USA und einem US-Kampfflugzeug vom Typ A10 – von Piloten auch liebevoll „Warzenschwein“ genannt.

Die Übung sei ein Zeichen, „dass wir gut vorbereitet sind, dass wir Landes- und Bündnisverteidigung miteinander trainieren“, sagt Scholz. „Damit wir jeden Zentimeter des…“, fährt der Kanzler fort, muss aber abbrechen, weil ein Tornado auf der Startbahn so laut losdonnert, dass sein Wort nicht mehr zu hören ist. „Damit die Aussage auch ernst genommen wird von allen, dass wir bereit sind, jeden Zentimeter unseres Territoriums zu verteidigen“, bringt Scholz den Satz zu Ende.

Amerikanische A-10-Kampfflugzeuge fliegen über den Militärflugplatz in Jagel.
Amerikanische A-10-Kampfflugzeuge fliegen über den Militärflugplatz in Jagel. © AFP | Axel Heimken

Ein Militärflieger im Kanzlerbüro?

Zum Abschied bekommt Scholz vom Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, ein Modellflugzeug geschenkt, das an die „Air Defender“-Übung erinnern soll. „Ich weiß, sie haben ein großes Büro“, sagt der Generalleutnant. „Ich hoffe, da findet es einen Platz.“ Ein Militärflugzeug im Kanzlerbüro? Alles scheint möglich.