Berlin. London und Den Haag wollen eine Kampfjet-Koalition schmieden, die auch Trainings einschließt – doch die Rolle Deutschlands ist unklar.

Großbritannien und die Niederlande preschen vor: Beide Länder wollen die Ukraine mit F-16-Kampfjets aus amerikanischer Produktion ausstatten und auch die Ausbildung von Piloten übernehmen. Ist das bereits eine neue „internationale Koalition“ oder stoßen noch andere Staaten dazu? Wie positionieren sich die anderen Länder – und über welche Kampfflugzeuge verfügen sie? Ein Überblick.

Ukraine: USA müssen „auf den grünen Knopf drücken“

Der Wunsch-Kampfjet der Ukrainer ist die F-16 aus amerikanischer Produktion: Eine 1976 gebaute, kleine und wendige Maschine, von der weltweit rund 4500 Stück verkauft wurden. Dieses Flugzeug steht ganz oben auf der Liste der Ukrainer. „Es gibt verschiedene Typen von Kampfjets auf dem Markt, aber nach allem, was man hört, ist F-16 die beste. Konzentrieren wir uns also auf die F-16“, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba der „Bild“-Zeitung.

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Die Bundeswehr verfügt über 141 Eurofighter und 91 Tornados, aber nicht über F-16. Nach Angaben des amerikanischen F-16-Herstellers Lockheed Martin sind weltweit über 3000 Maschinen verschiedener Typen in rund 25 Ländern im Einsatz. Die USA besitzen etwa 1000 davon. „Deutschland hat Glück, denn die F-16 ist kein Leopard, es ist keine deutsche Technologie“, erklärte Kuleba.

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Und weiter: „Anders als im Fall der Leoparden ist Deutschland nicht derjenige, der den grünen Knopf drückt. Es sind die Vereinigten Staaten. Was wir also von Deutschland erwarten, ist, eine aktive Rolle beim Aufbau der Länderkoalition zu spielen.“ Der ukrainische Außenminister meint vor allem politische Unterstützung. „Wer wird die Vereinigten Staaten davon überzeugen, den grünen Knopf, zu drücken?“, fragte Kuleba. „Deutschland kann eine Menge tun.“

Deutschland könnte Militärflughäfen zur Verfügung stellen

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die ukrainische Forderung nach westlichen Kampfjets indirekt mit einem deutlichen Nein quittiert. Bei der Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am vergangenen Sonntag in Berlin fragte ihn ein Journalist, ob die Bundesregierung auch an die Verschickung von Kampfflugzeugen denke.

Der Kanzler machte um die Jet-Frage einen großen Bogen und verwies auf die bereits erfolgten Entsendungen von Militärgütern zur Luftabwehr. Er erwähnte dabei „sehr moderne Waffen“ wie das Patriot-System, Iris-T oder den Flakpanzer Gepard. „Das ist das, worauf wir als Deutsche uns jetzt konzentrieren“, so Scholz.

Wunsch-Jet der Ukraine: Eine F-16-Maschine kurz vor der Landung auf dem US-Militärflugplatz im rheinland-pfälzischen Spangdahlem.
Wunsch-Jet der Ukraine: Eine F-16-Maschine kurz vor der Landung auf dem US-Militärflugplatz im rheinland-pfälzischen Spangdahlem. © dpa | Harald Tittel

Regierungssprecher Steffen Hebestreit interpretierte die Kanzler-Sätze öffentlich als wattiertes Nein auf den ukrainischen Wunsch nach Kampfjets aus Deutschland: „Ich würde seine Einlassung als zurückhaltend bewerten.“ Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte unserer Redaktion, dass das Nein zumindest für den Moment auch für die Ausbildung von ukrainischen Kampfpiloten gelte: „Der Themenkomplex Kampfjet-Koalition schließt derzeit nach hiesiger Auffassung das Thema Ausbildung mit ein.“

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Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), lehnt für Deutschland die Lieferung von westlichen Kampfjets an die Ukraine ab. Sie bringt allerdings die Möglichkeit ins Spiel, militärische Flughäfen zu Verfügung zu stellen. „Deutschland hat F-16-Kampfjets nie besessen und geflogen. Deshalb ist Deutschland bei der Koalition der Länder, die F-16-Jets fliegen beziehungsweise an den Maschinen ausbilden, außen vor“, sagte Strack-Zimmermann unserer Redaktion.

„Deutschland könnte allerdings militärische Flughäfen für die Ausbildung an F-16-Kampfjets zur Verfügung stellen, die durch Piloten aus anderen Ländern durchgeführt wird“, so die FDP-Politikerin. „Gegebenenfalls kann auch die Logistik für die Wartung der Maschinen gestellt werden“

Hofreiter: Lieferung von Eurofightern und Tornados kommt nicht in Frage

Der Chef des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), hält die Verschickung von Kampfjets an die Ukraine für „grundsätzlich sinnvoll“. Deutschland habe mit der Exportfreigabe für die polnischen MiG-29 bereits einen wichtigen Beitrag geleistet. „Die Kampfflugzeuge in den Bundeswehrbeständen, Eurofighter und Tornados, eignen sich jedoch nicht für einen schnellen Einsatz in der Ukraine und kommen für eine Lieferung nicht in Frage“, sagte Hofreiter unserer Redaktion.

„Es ist sehr zu begrüßen, dass Großbritannien und die Niederlande eine gemeinsame Koalition zur Lieferung von F16 und zur Ausbildung ukrainischer Piloten starten“, fügte der Grünenpolitiker hinzu. „Wir sollten prüfen, ob Deutschland hierzu einen logistischen Beitrag leisten kann.“

Großbritannien hat gar keine F-16-Jets im Bestand, Niederlande haben 40

Die britische Royal Air Force hat zwei Flotten von Kampfjets: 137 Eurofighter und 29 Maschinen vom Typ F-35 Lightning II. Aufgrund der Restriktionen beim Technologietransfer ist es ausgeschlossen, dass die in den USA gebauten hochmodernen F-35 an die Ukraine geliefert werden. F-16-Jets haben die Briten nicht in ihrem Bestand.

Nach Angaben des niederländischen Verteidigungsministeriums besitzt das Land rund 40 F-16-Kampfjets, die in den kommenden Jahren durch fortschrittlichere F-35 ersetzt werden sollen. Dass ein Teil der bald ausgemusterten Flotte schon jetzt der Ukraine überlassen werden könnte, erscheint also machbar.

Beim Europarat-Gipfel in Island hatten sich der niederländische Premier Mark Rutte und Großbritanniens Premier Rishi Sunak auf eine „internationale Koalition“ verständigt.
Beim Europarat-Gipfel in Island hatten sich der niederländische Premier Mark Rutte und Großbritanniens Premier Rishi Sunak auf eine „internationale Koalition“ verständigt. © AFP | Alastair Grant

Großbritannien kündigte den Aufbau einer Flugschule für ukrainische Piloten an. Damit könnten diese an verschiedenen Flugzeugtypen ausgebildet werden, unterstrich Premierminister Rishi Sunak. Es handele sich um „einen Grundkurs, in dem die Piloten die Navigation verschiedener Kampfjet-Modelle lernen“. Diese Grundausbildung beginne ab dem Sommer.

Piloten-Ausbildung in Frankreich dauert rund drei Monate

Auch Paris gibt bei der Ausbildung ukrainischer Kampfpiloten grünes Licht. Er habe „die Tür“ für das Training ukrainischer Piloten „ab sofort“ geöffnet, sagte Präsident Emmanuel Macron am Montag dem französischen Fernsehsender TF1. Es gebe zu Beginn der Ausbildung eine „Vereinbarung, die mehrere europäische Länder getroffen haben“. Macron fügte hinzu, dass auch andere europäische Länder wie Großbritannien dazu bereit seien und die USA einen solchen Schritt in Erwägung ziehen würden.

Aktuell verfügt Frankreich über 250 Kampflugzeuge der Typen Rafale und Mirage. F-16-Maschinen hat das Land nicht. Bei dem Training würden ukrainische Piloten, die Erfahrungen mit Kampfflugzeugen aus der Sowjetzeit haben, auf französischen Mirage-Jets umgeschult. Das dauere rund drei Monate, hieß es in französischen Militärkreisen. Mit diesen Kenntnissen könnten die Ukrainer in rund sechs Wochen für den Betrieb von F-16-Jets fitgemacht werden.

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Auf die Frage, ob Frankreich auch Kampfjets liefern werde, antwortete Präsident Macron: „Nein, ich habe nicht von Flugzeugen gesprochen.“ Der Beginn der Schulung könnte mittel- und langfristig aber durchaus den Weg für die Lieferung von Flugzeugen ebnen. Gerade wurden 13 Mirage-Maschinen ausgemustert. Diese könnten in drei Monaten flottgemacht und an die Ukraine abgetreten werden, heißt es.

USA halten weiter an Nein für Kampfjet-Lieferungen fest

Allem Drängen aus Kiew zum Trotz: US-Präsident Joe Biden hält weiter an seiner Entscheidung fest, die Ukraine vorläufig nicht mit Kampfflugzeugen vom Typ F-16 auszustatten. Dahinter steht nach wie vor die Sorge, dass Moskau diesen Schritt als Eskalation begreifen und mit dem Einsatz strategischer Nuklearwaffen beantworten könnte.

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Eine These, die viele Militärexperten jedoch für wenig belastbar halten. Die Begründung des Weißen Haus, dass die Ukraine im Kampf gegen Russland diese spezifische Waffe zur systematischen Sicherung des eigenen Luftraums gar nicht benötige, findet parteiübergreifend immer weniger Zustimmung. Außen- und Verteidigungspolitiker von Demokraten wie Republikanern drängen Präsident Biden seit Wochen, er möge seine Politik revidieren.

„F-16 können der Ukraine dabei helfen, Luftüberlegenheit zu erreichen und Russland entscheidend zu schwächen”, sagt stellvertretend der demokratische Kongressabgeordnete Jason Crow. Crow hebt damit auf Äußerungen des hohen Pentagon-Beamten Colin Kahl ab, der einen 18-monatigen Trainingszeitraum veranschlagt, bis ukrainische Kampfpiloten F-16-Jäger wirkungsvoll einsetzen könnten.

Andere Verteidigungsexperten wie der frühere Nato-General Phil Breedlove rühmen die schnelle Lernfähigkeit des ukrainischen Militärs. Wer jetzt mit der Ausbildung von Piloten beginne, so der Tenor, könne spätestens im Herbst auf dem Schlachtfeld „einen wesentlichen Unterschied” machen. Die US-Administration hält sich bei der Frage des Trainings von Mitgliedern der ukrainischen Luftwaffe bedeckt.

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte allerdings kürzlich: „Wenn ein anderes Land Kampfjets an die Ukraine liefern möchte, würden wir das sicher unterstützen – solange dies eine souveräne Entscheidung ist.“ In Regierungskreisen wird inoffiziell darauf verwiesen, dass in punkto Militärhilfe für die Ukraine „nichts in Stein gemeißelt ist”. Befürworter von substanziellen F-16-Lieferungen an Kiew schöpfen daraus vorsichtigen Optimismus. Biden habe schließlich über lange Zeit auch die Lieferung von US-Kampfpanzern vom Typ Abrams ausgeschlossen, betonen sie. Anfang dieses Jahres stimmte er doch zu.