Berlin. In Deutschland gilt das Recht auf Asyl. Über die Kosten streiten Bund, Länder und Kommunen erbittert. Doch wie hoch sind sie wirklich?

Das Grundgesetz schreibt das Recht auf Asyl fest, Deutschland hat zudem die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet, sich dem Schutz von Menschen vor Krieg und Gewalt verpflichtet. Seit Februar 2022 sind mehr als eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer vor Russlands Angriffskrieg hierher geflohen, das sind rund drei Viertel aller Geflüchteten, die im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen.

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Weltweit sind so viele Menschen auf der Flucht wie noch nie. Die wenigsten erreichen Europa, doch auch hier steigen die Asylzahlen. Rund 100.000 Menschen stellten in den ersten vier Monaten dieses Jahres einen Antrag auf Schutz in Deutschland – die meisten aus Syrien, Afghanistan und der Türkei.

Streit um die Kosten der Unterbringung und Integration: Stephan Weil (l-r, SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, nach dem Gipfel von Bund und Ländern in Berlin,.
Streit um die Kosten der Unterbringung und Integration: Stephan Weil (l-r, SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, nach dem Gipfel von Bund und Ländern in Berlin,. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Menschenleben lassen sich nicht aufrechnen gegen Geld – und doch debattieren Bundesregierung, Landesministerien und Kommunalpolitiker bei der Migration vor allem um eines: das Geld. Es geht um Milliarden für Sozialleistungen, die Unterbringung und Versorgung, aber auch für Integration. Organisieren müssen das vor allem die Landkreise, Städte und Gemeinden vor Ort. Sie sind Deutschlands Flucht-Manager.

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Kanzler Olaf Scholz erklärte nach dem Gipfeltreffen am Mittwoch im Kanzleramt, dass die Ampel-Koalition aus Bundesmitteln zusätzlich zu bisherigen Zahlungen mit einer weiteren Milliarde Euro hilft. Die Kommunen klagen, dies sei zu wenig. Und fordern eine monatliche Pro-Kopf-Pauschale von etwa 1000 Euro, die der Bund pro Geflüchteten überweist. Ein Ende des Kosten-Streits ist nicht in Sicht. Aber wer zahlt eigentlich wie viel für einen Geflüchteten? Ein kleiner Finanzplan:

Bürgergeld für eine Million Ukrainer

Ukrainer durchlaufen kein Asylverfahren. Anders als Schutzsuchende aus Syrien oder Afghanistan erhalten sie gleich das Bürgergeld vom Jobcenter, sofern sie erwerbfähig sind. Das sind 502 Euro pro Monat für Alleinstehende – genauso viel wie ein Deutscher erhält. Familien bekommen mehr, etwa für ein Kleinkind zusätzlich 318 Euro. Wer nicht erwerbsfähig ist, wie Rentner, bekommt Sozialhilfe: ebenfalls 502 Euro. Sozialverbände kritisieren seit Jahren, dass das Geld kaum zum Leben reicht.

Der Bund übernimmt die Kosten für das Bürgergeld komplett – auch für Menschen aus der Ukraine. 2023 liegt dieser Teil der Flüchtlingsfinanzierung bei etwa fünf Milliarden Euro. Auch bei den Kosten für die Unterkunft trägt der Bund die Hauptlast mit rund zwei Drittel, während die Kommunen ein Drittel zahlen, was immer noch rund zwei Milliarden entspricht.

Bund und Länder wollen Abschiebungen verschärfen, um die Kommunen bei der Versorgung zu entlasten. Menschenrechtler üben an der Praxis der Rückführungen scharfe Kritik.
Bund und Länder wollen Abschiebungen verschärfen, um die Kommunen bei der Versorgung zu entlasten. Menschenrechtler üben an der Praxis der Rückführungen scharfe Kritik. © picture alliance / dpa | Patrick Seeger

Gerade für kleine Gemeinden sind diese Kosten hoch. Der Landkreis Vogelsberg in Hessen rechnet zum Bau einer neuen Sammelunterkunft vor: für 400 Menschen belaufen sich die Betriebskosten auf jährlich 672.000 Euro, dazu Verpflegung, pro Person und Tag 18 Euro. Gesamt: 2,6 Millionen. Niedersachsen investiert 3000 Euro pro Monat und Geflüchteten in der Erstaufnahmeeinrichtung. Das schließt Kosten für Arztbesuche und Betreuer vor Ort ein.

Die Landkreise müssen viel Personalkraft investieren, um Geflüchtete unterzubringen. Immerhin: Der Bund stellt mehr als 300 Liegenschaften mit insgesamt 70.000 Plätzen bereit – und trägt die Kosten für den Umbau zu einer Asylunterkunft. Und doch ist nach Angaben der Landkreise nicht jede alte Bundeswehr-Kaserne tauglich für die Unterbringung von Familien auf der Flucht.

Leistungen für Asylsuchende etwa aus Syrien

Wer nicht aus der Ukraine flieht, muss ins Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) – und bezieht in dieser Zeit Hilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Seit 2023 sind das 410 Euro etwa für einen alleinstehenden Syrer oder Afghanen. Darunter fällt „Taschengeld“ (182 Euro) und sachbezogene Leistungen (228 Euro) pro Monat. Für Babys und Kleinkinder gibt es beispielsweise 278 Euro zusätzlich.

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2022 stellten 218.000 Menschen erstmals einen Antrag auf Asyl, das Bamf entschied zugleich in dem Jahr mehr als 228.000 Anträge. Zahlen zu Kosten gibt es vom Statistischen Bundesamt bisher nur bis 2021, wo 399.000 Schutzsuchende staatliche Leistungen bezogen. Die Bundesländer zahlten demnach insgesamt 4,3 Milliarden Euro für das Jahr: für Unterkunft, Lebenshaltungskosten, Heizung, Kleidung.

Auch an diesen Kosten beteiligt sich der Bund zusätzlich: Für das Jahr 2023 veranschlagt die Bundesregierung rund fünf Milliarden Euro im Haushalt. Allerdings: 2016 bis 2021 übernahm der Bund die Kosten für Asylantragsteller mit einer monatlichen Pro-Kopf-Pauschale von 670 Euro komplett, eine Folge der Krise von 2015. Hier sind die Gemeinden vor Ort heute stärker belastet. Nach eigenen Angaben mit 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Sprache, Schule, Kita: Kosten für die Integration

Flüchtlinge mit einem Aufenthaltstitel haben Anspruch und Pflicht, einen Integrationskurs zu besuchen, genauso wie Ukrainer. Die Kosten für mindestens 600 und bis zu 1000 Einheiten vor allem mit Deutschunterricht trägt der Bund: knapp drei Milliarden Euro pro Jahr.

Kinder von Geflüchteten sollen zudem die Schule besuchen. Mehr als 200.000 junge Menschen allein aus der Ukraine betreuen Lehrkräfte gerade in deutschen Klassenzimmern. Im Schnitt kostet ein Schulplatz rund 7000 Euro pro Jahr. Einen Anspruch auf einen Kita-Platz haben Geflüchtete für ihre kleinen Kinder ebenso wie deutsche Familien. Schule und Kita ist Sache der Länder und Kommunen, sie tragen die Kosten.

Sarajevo: Ein Flüchtlingskind aus Syrien schläft in einem Zelt im Park gegenüber des Rathauses. Tausende Menschen stecken seit Jahren auf den Fluchtrouten in Europa fest. So wie hier auf dem Balkan.
Sarajevo: Ein Flüchtlingskind aus Syrien schläft in einem Zelt im Park gegenüber des Rathauses. Tausende Menschen stecken seit Jahren auf den Fluchtrouten in Europa fest. So wie hier auf dem Balkan. © dpa | Amel Emric

Für die Städte und Gemeinden vor Ort entsteht vor allem ein großer Ausgabenposten, der sich schwer auf den einzelnen Geflüchteten runterrechnen lässt: das Personal. In Schulen, in Kitas, aber auch in den Jobcentern und Ausländerbehörden. Sie alle managen die Versorgung und Integration von Menschen auf der Flucht. Dazu kommen auch Angebote von Therapeuten, etwa für minderjährige Geflüchtete. Weitere Kosten fallen an, etwa bei Abschiebungen oder für Haftplätze in Abschiebegefängnissen. Für einen Haftplatz zahlt der Steuerzahler zwischen 100 und 170 Euro, pro Tag. Und das gilt nicht nur für ausreisepflichtige Ausländer.

Was Deutschland zahlt, was Deutschland bekommt

Im Finanzplan des Bundes sind noch einige Milliarden Euro mehr veranschlagt, etwa die Entwicklungshilfe für den globalen Süden. Geld, mit dem die Ursachen der Flucht bekämpft werden sollen. Doch das hilft den Ländern und Kommunen nicht, die Menschen in Deutschland zu versorgen. SPD-Ministerpräsident Stephan Weil hielt vor einigen Wochen dem Bund eine Zahl hin: 16 Milliarden Euro müssen die Länder für die Versorgung der Schutzsuchenden dieses Jahr aufbringen. Die Bundesregierung zahlt zusätzlich ebenfalls: 15 Milliarden Euro als Finanzhilfe an die Länder und Kommunen.

Worüber kaum jemand in der Politik redet: Wie viel ein Mensch diesem Land auch zurückgeben kann. Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft beschäftigt mittlerweile jedes vierte Unternehmen Geflüchtete. Schon 2020 hielten die Gesetzlichen Krankenkassen fest: Beiträge von Zuwanderern entlasten die Kassen um etwa acht Milliarden Euro im Jahr.

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