Brüssel. Reparieren statt wegwerfen: Ein neues EU-Gesetz soll die Lebensdauer vieler Produkte verbessern. Das müssen Verbraucher jetzt wissen.

Das kennen viele Verbraucher: Der Laptop streikt, die Waschmaschine läuft nicht mehr, eine Reparatur ist fällig. Aber die ist entweder horrend teuer oder wird vom Hersteller gleich verweigert, weil die Gewährleistungsfrist abgelaufen ist oder Teile angeblich nicht austauschbar sind. Also weg damit und ein neues Gerät anschaffen.

Die Europäische Union will diesen Kreislauf durchbrechen: Ein neues EU-Gesetz soll mit einem „Recht auf Reparatur“ die Nutzungsdauer von Produkten verlängern, Reparaturen verbilligen und so die Abfallmengen reduzieren. Auf diese Weise würden die Umwelt und die Kassen der Verbraucher geschont, erklärte EU-Verbraucherschutzkommissar Dirk Reynders. Er stellte den Gesetzentwurf der EU-Kommission in Brüssel vor. Wir fassen zusammen, was Verbraucher dazu wissen müssen.

Recht auf Reparatur: Was steht im EU-Gesetz?

Mit dem neuen Gesetz soll es einen Vorrang für Reparaturen geben, wenn Produkte innerhalb der allgemeinen Gewährleistungsfrist von in der Regel zwei Jahren kaputt gehen. Wenn die Reparatur dann nicht teurer ist als der Ersatz durch ein neues Gerät, muss der Händler die kostenlose Reparatur als Abhilfe anbieten – innerhalb einer zumutbaren Zeit und ohne Erschwernisse für den Verbraucher.

Ist die Gewährleistungsfrist nach zwei Jahren abgelaufen, soll bei vielen Produkten der Hersteller eine Pflicht zur Reparatur haben – befristet auf fünf bis zehn Jahre nach dem Kauf, je nach Warengruppe. Anfangs soll diese Pflicht etwa für Waschmaschinen, Trockner, Monitore, Fernseher oder Kühlgeräte gelten, die unter eine Ökodesign-Richtlinie der EU fallen.

Bald sollen auch Tablets und Smartphones folgen, später weitere Produkte. Für Verbraucher soll es attraktiver werden, fehlerhafte Produkte reparieren zu lassen und grundsätzlich mehr gebrauchte oder generalüberholte Produkte zu kaufen. Den finalen Gesetzestext müssen EU-Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten noch beschließen, die Signale sind aber positiv.

Wird Reparieren jetzt günstiger?

Das ist jedenfalls der Plan. Vorgesehen sind in jedem EU-Land Informationsplattformen für Reparaturen, die Verbrauchern einen Überblick über seriöse, auf Qualitätsstandards verpflichtete Reparatur-Anbieter und ihre Preise ermöglicht. Ziel: Mehr Transparenz und Wettbewerb bei den Reparaturkosten – was zu niedrigeren Preisen führen soll.

„Bisher war es für Verkäufer und Hersteller oft am einfachsten, dem Kunden den Neukauf zu empfehlen, obwohl das nicht nachhaltig ist und das Abfallaufkommen erhöht“, sagte EU-Verbraucherkommissar Reynders. Statt eines Neukaufs sollen künftig „Reparaturen zum neuen Normal“ werden, meinte Reynders. Dazu sollten die Verbraucher wählen können, ob sie das Produkt vom Hersteller oder einem unabhängigen Dienstleister reparieren ließen.

Recht auf Reparatur: Was gilt für Verbraucher heute?

Allgemein gilt eine gesetzliche Gewährleistungsfrist von zwei Jahren, in der Defekte (nicht Verschleiß oder Bedienungsfehler) vom Händler kostenlos behoben werden müssen - für gebrauchte Waren kann die Frist aber etwa in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf ein Jahr verkürzt werden. Seit dem 1. März 2021 müssen laut europäischer Ökodesign-Richtlinie Hersteller etwa von Waschmaschinen, Trocknern oder Geschirrspülern Ersatzteile zehn Jahre lang verfügbar halten.

Für Monitore, Fernseher oder Kühlgeräte und weitere Produkte beträgt die Frist sieben Jahre. Eine Liste aller lieferbaren Ersatzteile müssen Verbraucher im Internet einsehen können, die Auslieferung muss innerhalb von 15 Tagen erfolgen. Hersteller sind zudem verpflichtet, anhand von Dokumentationen zu erklären, welche Defekte auftreten können, wie Reparaturen durchzuführen sind und was sie kosten. Und sie müssen auch gewährleisten, dass das Gerät mit herkömmlichen Werkzeugen repariert werden kann.

In einer Werkstatt des Technologiehändlers und - dienstleisters Komsa im sächsischen Hartmannsdorf wird ein Mobiltelefon überholt.
In einer Werkstatt des Technologiehändlers und - dienstleisters Komsa im sächsischen Hartmannsdorf wird ein Mobiltelefon überholt. © dpa | Sebastian Willnow

Für Smartphone und Tablets ist ab 2025 ein Label mit Reparierbarkeits-Index vorgeschrieben, der auf einer Skala von A bis E zeigt, wie gut ihre Geräte reparierbar sind. Die Hersteller müssen Reparaturinformationen und bestimmte Ersatzteile, wie zum Beispiel Displays und Akkus, für 7 Jahre zur Verfügung stellen. Darüber hinaus sollen Hersteller das Produkt künftig so gestalten, dass ein einfacherer Austausch von Komponenten möglich ist.

Wie groß ist die Entlastung für die Umwelt?

Die EU verspricht sich weniger Abfall, weniger Treibhausgas-Emissionen und einen geringeren Verbrauch von wertvollen Rohstoffen. In den 27 EU-Staaten wandern jährlich rund vier Millionen Tonnen gebrauchter Elektro- und Elektronikgeräte in den Müll, ein Viertel davon in Deutschland. Statistisch gesehen produziert also jeder Deutsche im Jahr mehr als zehn Kilo Elektroschrott. Laut einer Studie für die EU-Kommission könnte sich etwa die Nutzungsdauer von Smartphones im Durchschnitt von drei auf vier Jahre erhöhen, wenn die Handys haltbarer konstruiert werden und sich leichter reparierbar lassen.

Allerdings ist die Reparatur trotzdem nicht immer die beste Wahl. Als Faustregel gilt: Wasserkocher reparieren ist immer okay, bei der Waschmaschine sollte man genauer hinschauen. Denn gerade bei großen Haushaltsgeräten kann es ökologisch sinnvoller sein, neue, energieeffiziente Produkte zu kaufen, als alte zu reparieren. Darauf verweist auch auf der Bundesverband der deutschen Industrie: Das Recht auf Reparatur müsse an die jeweiligen Produkte angepasst sein.

Was plant die Ampel-Koalition für Deutschland?

Die Ampel-Koalition hatte schon im Koalitionsvertrag vereinbart, das Recht auf Reparatur zu erweitern. Die Koalition setzt zwar auf europaweite Vorgaben, hat sich aber auch ein Bundesgesetz vorbehalten, zum Beispiel mit einem Reparatur-Index nach französischem Vorbild. Das Verbraucherschutzministerium verspricht außerdem, unabhängige Reparatur-Initiativen zu stärken – sogenannte Repair-Cafes gibt es bereits in vielen Städten.

Verbraucherschützer fordern, dass die Bundesregierung nicht nur auf die EU wartet, sondern selbst aktiv wird – etwa über die Senkung der Mehrwertsteuer auf bestimmte Reparaturen. Der Verbraucherschutz Bundesverband bekräftigte am Mittwoch den Vorschlag, Verbrauchern einen staatlichen Zuschuss zu den Reparaturkosten zu zahlen, wie es etwa in Österreich schon eingeführt wurde. „Berlin muss nicht auf Brüssel warten“, sagt Verbandschefin Ramona Pop. Nach einer Umfrage im Auftrag des Verbands erwarten die Verbraucher nicht nur, dass ein Gerät lange hält, sondern auch, dass die Reparaturkosten verhältnismäßig sind.

Welche EU-Länder sind besser als Deutschland?

Eine Reihe europäischer Länder ist bereits weiter als Deutschland und die EU. In Frankreich etwa gibt es seit 2021 einen „Reparatur-Index“, der wie das Farb-Schema für die Energieeffizienz anzeigt, wie leicht ein Gerät zu reparieren ist- von Rot (schlecht reparierbar) bis Grün (gut reparierbar). Wer in Österreich kaputte Elektro- und Elektronikgeräte reparieren lässt, bekommt seit vorigem Jahr 50 Prozent der Reparaturkosten vom Staat zurück, maximal 200 Euro pro Reparatur.

Schon in den ersten drei Monaten wurden so hunderttausend Reparaturen gefördert. Verbraucher können dafür online Bons beantragen, die dann in der Reparatur-Werkstätten eingelöst werden. Hierzulande gibt es in Thüringen ein ähnliches Angebot als Pilot-Projekt, dort wurde voriges Jahr die Reparatur von rund 12.000 Geräten gefördert, im Schnitt mit 75 Euro. Belgien und Schweden haben den Mehrwertsteuersatz für Reparaturen gesenkt.