Berlin. Die Bundesregierung will nun doch Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine liefern. Ist Deutschland Kriegspartei? Die wichtigsten Fragen.

Deutschland zögerte, Polen preschte vor: In der Panzerfrage waren die Europäer zuletzt gespalten. Jetzt will Deutschland Kampfpanzer an die Ukraine liefern, die USA ebenso. Wie kam es dazu? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Ist Deutschland jetzt Kriegspartei?

Nein. Mit der Lieferung von 14 Leopard-Kampfpanzern vom Typ 2A6 weitet Deutschland seine militärische Unterstützung für die Ukraine aus. Darüber hinaus genehmigt die Bundesregierung den Re-Export von Leopard-Panzern durch andere Länder. Das ist Teil eines größeren Pakets: Insgesamt wollen europäische Länder zwei Bataillone zur Verfügung stellen. Zu einem deutschen Kampfpanzer-Bataillon gehören üblicherweise 44 Leopard-2-Panzer. Es geht bei der Lieferung in die Ukraine also um knapp 90 Panzer.

Die zwei Leopard-Bataillone sollen „sehr schnell“ gebildet werden, kündigte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) an. Beim ersten Bataillon mit 2A6-Panzern seien die Partnerstaaten beteiligt. Die Variante 2A6 sei das „leistungsfähigste Gerät“, das es aktuell gebe, erklärte der Minister. Die sechswöchige Ausbildung der Ukrainer könne „Anfang Februar“ in Deutschland beginnen, heißt es in einem Schreiben von Verteidigungsstaatssekretärin Siemtje Möller (SPD) an den Verteidigungsausschuss, das unserer Redaktion vorliegt. In etwa drei Monaten könnten die ersten Leopard-Panzer aus Deutschland in der Ukraine sein, so Pistorius.

Beim zweiten Bataillon sollen die Panzer auch aus den Beständen der Industrie kommen, vermutlich in der älteren Version Leopard 2A4, betonte Pistorius. Die Bundesrepublik ist mit der Entsendung von Kampfpanzern genauso wenig Kriegspartei wie zuvor etwa mit der Verschickung des Luftabwehrsystem Iris-T. Sie transportiert das militärische Gerät in die Ukraine, damit sich das Land im Angriffskrieg der Russen selbst verteidigen kann.

Deutschland entsendet keine eigenen Soldaten. Keine Bundeswehr-Piloten fliegen Maschinen im Einsatz über der Ukraine. Die Lage könnte sich erst ändern, wenn Russland ein Nato-Land attackieren würde. Dann wäre Deutschland nach Artikel 5 des Nato-Vertrags zum Beistand verpflichtet.

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Warum liefert Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerechnet jetzt Leopard-Panzer?

Die Ukraine hat bereits kurz nach Kriegsbeginn im März 2022 die erste Anfrage nach westlichen Kampfpanzern gestellt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war lange Zeit sehr zurückhaltend. Wichtige Leitplanken für ihn: Deutschland dürfe nicht zur Kriegspartei werden. Eine Eskalation mit einer Ausweitung des Krieges müsse verhindert werden. Alle Aktionen der Bundesregierung müssten eng mit den internationalen Partnern abgestimmt werden, vor allem mit den Amerikanern.

Das ausschlaggebende Moment für Scholz war wohl ein Telefonat mit US-Präsident Joe Biden am Dienstag vergangener Woche. In dem Gespräch soll ihm der Amerikaner zugesagt haben, eine Lieferung von Abrams-Kampfpanzern in die Ukraine zu prüfen. Zuletzt verdichteten sich die Hinweise in US-Medien, dass die Vereinigten Staaten 30 bis 50 Abrams-Panzer nach Kiew entsenden.

Zusätzliches Argument: Im Westen grassiert die Befürchtung, dass die ausgelaugte ukrainische Armee in einer Frühjahrs-Offensive von den Russen überrollt werden könnte.

Weshalb verschicken die USA nun doch Kampfpanzer?

Lange hatte sich das Pentagon geweigert. Anfang vergangener Woche hatte US-Verteidigungsstaatssekretär Colin Kahl betont, die Abrams-Panzer seien zu teuer, zu schwierig zu warten, sie schluckten zu viel Turbinen-Treibstoff für den Düsenantrieb. Zudem dauere die Ausbildung zu lang. Präsident Biden rang sich am Ende doch dazu durch, um ein politisches Signal zu senden: Der transatlantische Schulterschluss funktioniert auch in Zeiten des Ukraine-Kriegs.

Welche Länder machen bei der Kampfpanzer-Koalition mit?

  • USA: 30 bis 50 Abrams-Panzer.
  • Deutschland: 14 Leopard 2A6-Panzer.
  • Großbritannien: 14 Kampfpanzer vom Typ Challenger 2.
  • Polen: 14 Leopard-Panzer.
  • Niederlande: 18-Leopard-Panzer, die von der Bundeswehr geleast wurden, sollen der Ukraine zur Verfügung gestellt werden.
  • Norwegen: Die Regierung in Oslo prüft noch. Nach norwegischen Presseberichten könnten bis zu 8 der insgesamt 36 Leopard-Panzer zur Verfügung gestellt werden.
  • Finnland: unbestimmte Menge an Leopard-Panzern.
  • Portugal: unbestimmte Menge an Leopard-Panzern.
  • Spanien: Nach der Entscheidung aus Berlin hat Spanien seine Bereitschaft bekräftigt, Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Zahlen wurden zunächst nicht genannt.
  • Frankreich: Zur Frage, ob Frankreich nun mit der Lieferung von Leclerc-Kampfpanzern nachziehen würde, äußerte sich Paris zunächst nicht. Am Sonntag hatte Präsident Emmanuel Macron eine Lieferung von Leclerc-Panzern nicht ausgeschlossen.

Wie reagiert die Ukraine?

Unterschiedlich. Präsident Wolodymyr Selenskyj kommentierte die Leopard-Zusage aus Berlin zurückhaltend: „Viele Bemühungen, Worte, Versprechen.“ Er sei zwar dankbar, der Bedarf der Ukraine sei aber größer als 15 Kampfpanzer. Der stellvertretende Außenminister Andrij Melnyk sagte unserer Redaktion: „Die Ukrainer erwarten, dass die Deutschen jetzt diese Leoparden-Allianz in den nächsten Tagen bilden und anführen werden, damit bereits im März Hunderte Kampfpanzer an die Front verlegt werden können.“

Zum Teil gehen die Forderungen der Ukrainer aber schon deutlich weiter. Melnyk verlangte westliche Kampfjets wie F-16, F-35, Eurofighter, Tornados oder Rafales. Auch Kriegsschiffe und U-Boote benötige sein Land.

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Der Kanzleichef von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Andrij Jermak, deutete ebenfalls die Möglichkeit der Lieferung von Kampfjets an. Ähnlich Außenminister Dmytro Kuleba: „Jetzt F-16? Ja!, ich übernehme das“, schrieb er auf Facebook über ein Gespräch mit einem nicht genannten europäischen Kollegen.

Was sagt der Kanzler zu den Forderungen nach Kampfjets?

Die Lieferung von Kampfflugzeugen oder die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine schloss Scholz am Mittwoch im Bundestag aus. „Dass es nicht um Kampfflugzeuge geht, habe ich ja sehr früh klargestellt und mache das auch hier“, sagte der SPD-Politiker. Als kurz nach Kriegsbeginn über Flugverbotszonen diskutiert worden sei, hätten er und US-Präsident Biden gesagt: „Das werden wir nicht tun. Und an dieser Haltung hat sich gar nichts geändert und wird sich auch nichts ändern.“

Wie geschwächt ist die Bundeswehr durch die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine?

Die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) forderte eine schnelle Versorgung der Bundeswehr mit Ersatzmaterial. „Es geht jetzt darum, umgehend neue Panzer, Artillerie, Munition zu bestellen und die Instandsetzung von großem Gerät zu beschleunigen“, sagte sie unserer Redaktion.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, sieht die Einsatzbereitschaft der Truppe weiter geschwächt. „Wenn wir nicht nur die Ukraine unterstützen wollen, sondern auch selbst wieder verteidigungsfähig sein wollen“, müsse die Politik die Industrie stärken.

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