Berlin. Deutschland ist längst im Visier russischer Spionage, erst recht im Ukraine-Krieg. Warum der mutmaßliche Verrat beim BND absehbar war.

Überraschend kommt der mutmaßliche Verrat beim Bundesnachrichtendienst (BND) zugunsten von Russland nicht. Auch in Schweden, Österreich, Tschechien und Norwegen wurden zuletzt Fälle bekannt. Deutschland ist seit vielen Jahren im Visier russischer Spionage.

In der vergangenen Zeit beobachten europäische Nachrichtendienste allerdings eine Offensive. Seitdem Russland völkerrechtswidrig die Halbinsel Krim 2014 erobert und die EU daraufhin Sanktionen gegen Russland verhängt hatte, sind deutsche Geheimdienstler besorgt. Der Krieg in der Ukraine hat die Sicherheitslage noch einmal verschärft. Lesen Sie auch: Verdacht auf Russland-Spionage: BND-Mann festgenommen

Der frühere Chef des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, sprach im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk vom Krieg als „Stunde der Spione“ – wenn die Netzwerke von Wirtschaftsbeziehungen, Austausch von Fachkräften und Wissen aufgrund des Krieges und der Sanktionen gekappt werden, dann nutzen Staaten illegale Wege, um an Informationen, Technik und Know-How zu kommen: vor allem Spionage. Auch interessant: Verdächtige Drohnenflüge: Hat Putin Deutschland im Visier?

Spionage für Russland: Ein Wissensvorsprung kann kriegsentscheidend sein

Zugleich ist Wissen auch im Krieg zentral, kann einen Vorsprung an der Front bedeuten, wenn die Militärtaktik des Gegners bekannt wird. Dass Russland im Krieg auf Spionage als Waffe setzt, überrascht Fachleute nicht. Wie erfolgreich Russland damit am Ende ist, bleibt allerdings offen. Häufig scheitern Anwerbungen von Spionen, sind die Zugänge zu zentralen Informationen aus Regierung und Militär für die angeworbenen Spione nicht zugänglich.

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Und doch: Es häufen sich die Fälle und Verdachtsfälle. Erst im November verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf einen entlassenen Bundeswehr-Reserveoffizier wegen Spionage für den russischen Geheimdienst zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann viele Jahre Informationen über die Reserve der Bundeswehr an die russischen Nachrichtendienste weitergegeben hatte.

Spionage für Russland: Mehrere Hunderte Agenten längst ausgewiesen

2015 überfallen Hacker das IT-System des Bundestags. Heute ist für die deutschen Sicherheitsbehörden klar: Es war ein Spionageangriff aus Russland. Vor kurzem schaltete sich der Verfassungsschutz ein, weil zwei Ministeriumsmitarbeiter in Berlin sich auffällig russlandfreundlich geäußert hatten.

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Spione wirbt Russland nicht nur unter Deutschen an. Unter hohem Aufwand werden Personen mit gefälschten Identitäten in Deutschland über Jahre aufgebaut, bandeln sich an entscheidende Positionen in Wirtschaft und Politik an. Viele Spione sind den deutschen Sicherheitsbehörden jedoch bekannt und werden überwacht. Mehrere Hundert Agenten wurden bereits seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine aus EU-Staaten ausgewiesen. Lesen Sie auch: Russland-Connection? Aus für Chef des Cyber-Sicherheitsamts

Nach der Festnahme hat der Verteidigungsexperte der Union, Henning Otte (CDU), einen stärkeren Fokus der Sicherheitsbehörden auf die Bekämpfung von Spionage in Deutschland gefordert. „Es braucht ein enges Netz aller Expertise im Sicherheitsbereich. Dazu gehört auch, dass wir uns nicht nur auf Extremismus in den eigenen Reihen der Sicherheitsbehörden befassen, sondern stärker die Gefahr aus dem Ausland ins Visier nehmen“, sagte Otte im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir müssen schneller und besser werden in der Abwehr ausländischer Spionage. Wir wissen zu wenig darüber, was ausländische Geheimdienste in Deutschland treiben. Das ist ein Risiko für unsere Sicherheit“, sagte Verteidigungspolitiker Otte.

Der aktuelle Spionagefall beim BND zeige, dass „das innere Gefüge des Dienstes funktioniert. Die Behörde hat den Fall enttarnt und sogleich alle juristischen Wege eingeleitet, um diesen Fall aufzuarbeiten“, hob Otte hervor. „Zugleich zeigt der Fall, dass Russlands hybride Kriegsführung eine sehr aktuelle Bedrohung auch für Deutschland ist, Spionage ist zentrale Waffe in dieser militärischen Strategie. Putin und die russischen Geheimdienste schrecken nicht vor Gewalttaten in Deutschland zurück“, sagte Otte unserer Redaktion.