Berlin. Schäfer-Gümbel gibt seine politischen Ämter bei der SPD auf. Künftig wird er für die Entwicklungshilfeorganisation GIZ arbeiten.

Thorsten Schäfer-Gümbel will sich bis Jahresende aus allen seinen Ämtern zurückziehen. Das gab der stellvertretende Vorsitzende der SPD am Dienstag auf einer Pressekonferenz bekannt.

Auch ein neuer Posten ist für den früheren Hoffnungsträger der SPD ist bereits gefunden: Wie Schäfer-Gümbel mitteilte, soll er am 1. Oktober, seinem 50. Geburtstag, Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) werden.

Thorsten Schäfer-Gümbel, der oft aufgrund seiner Initialen „TSG“ genannt wird, ist aktuell Abgeordneter im hessischen Landtag und dort auch SPD-Fraktionsvorsitzender. Zudem ist er Vorsitzender der hessischen SPD. Dreimal scheiterte er mit einer Spitzenkandidatur bei hessischen Landtagswahlen, zuletzt im Oktober 2018.

Das Wichtigste in Kürze:

• Thorsten Schäfer-Gümbel zieht sich aus der Politik zurück

• Ab 1. Oktober wird „TSG“ in die Entwicklungshilfe einsteigen

• Der stellvertrende SPD-Vorsitzende scheiterte dreimal bei hessischen Landtagswahlen

• 2018 holte er das schlechteste SPD-Ergebnis in Hessen seit 1946

• Als Grund für das Ergebnis nannte Schäfer-Gümbel den „Sturm aus Berlin“

• Nancy Faeser könnte eine mögliche Nachfolgerin sein

„Der Sturm aus Berlin war zu stark“

Auf der Pressekonferenz zu seinem Politik-Aus sprach Schäfer-Gümbel auch nochmal über die Niederlage der hessischen SPD bei der Landtagswahl 2018. Damals waren die Sozialdemokraten erstmals unter die 20-Prozent-Marke gerutscht. Schäfer-Gümbel machte dafür nun, Monate später, auch die Bundesregierung verantwortlich. „In jedem Fall war der Sturm aus Berlin zu stark“, sagte der 49-Jährige.

Der „Point of no return“ (Der Punkt, an dem es kein zurück gab“) sei die „Causa Maaßen“ gewesen, sagte Schäfer-Gümbel. Der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen hatte mit seinem Aussagen zu den Chemnitz-Demonstrationen fast für einen Bruch der großen Koalition in Berlin gesorgt.

Daher galt die Hessenwahl unter anderem als Schicksalswahl für die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles. Schäfer-Gümbel hielt sich nach dem desaströsen Wahlergebnis seiner Partei damals aber mit öffentlichen Anschuldigen zurück. Rückblickend auf den Wahlabend sagte er: „Ich hätte mich auch anders verhalten können, mit möglicherweise anderen Konsequenzen.“

Schäfer-Gümbel hatte sich schon nach der Wahl entschieden

Laut eigener Aussage hatte sich Schäfer-Gümbel, der am Dienstagvormittag noch getwittert hatte,

dass es „ein guter Tag werde“, schon direkt nach der Wahlniederlage entschieden, personelle Konsequenzen zu ziehen. Darüber habe er auch zeitnah Andrea Nahles informiert.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Unabhängig von den Einflüssen aus Berlin übernehme er selbst für das Wahlergebnis die Verantwortung. „Am Ende ist immer der Spitzenkandidat für das Ergebnis verantwortlich“, sagte Schäfer-Gümbel. Für ihn sei es aber nur ein „Abschied aus Ämtern“. Sein Wille, zu gestalten, sei von dem Rückzug ungebrochen.

GIZ: Zuletzt Streit um Vorstandsposten

Mit dem Wechsel in die staatliche Entwicklungshilfeorganisation GIZ schließe sich für „TSG“ nun ein Kreis. Sein Studium der Agrarwissenschaften habe er begonnen, um Entwicklungshelfer zu werden. Nun sei er in Absprache mit dem Aufsichtsratsvorsitzender der GIZ, Martin Jäger, für das Amt als Arbeitsdirektor nominiert worden.

Die Entscheidung über die endgültige Berufung werde am 9 April von der GIZ getroffen, teilte Schäfer-Gümbel mit.

Bei der Besetzung des GIZ-Führungspostens hat die SPD das Vorschlagsrecht. Im Oktober wollten die Sozialdemokraten den früheren thüringischen Wirtschaftsminister und früheren Wahlkampfmanager von Gerhard Schröder, Matthias Machnig, als GIZ-Arbeitsdirektor einsetzen. Nach Kritik an der Personalie hatte Machnig im Oktober dann auf einen Posten verzichtet.

Wird Nancy Faeser, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende in Hessen, neue hessische Fraktionsvorsitzende?
Wird Nancy Faeser, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende in Hessen, neue hessische Fraktionsvorsitzende? © „Nancy-Faeser.de“ | O. Gallas

Wird Nancy Faeser neue SPD-Landeschefin?

Eine mögliche Nachfolge von Schäfer-Gümbel in der hessischen SPD könnte Nancy Faeser antreten. Die 48-jährige Juristin ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Generalsekretärin in der hessischen SPD.

Allerdings wird Faeser auch als mögliche Bundesjustizministerin gehandelt. Der Posten der derzeitigen Justizministerin Katarina Barley wird frei, da Barley als SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl im Mai antritt.

Zu der Personalie wollte sich Schäfer-Gümbel am Dienstagnachmittag nicht äußern. In der kommenden Woche solle es laut „TSG“ eine Sondersitzung geben, in der sich die SPD-Abgeordneten über personelle und organisatorische Neugestaltungen austauschen sollten.

Die Wahl des neuen Vorsitzenden solle nach Schäfer-Gümbel in der letzten September- oder in der ersten Oktoberwoche stattfinden.

Für die Postenbesetzung hat „TSG“ schon eine Vorstellung: „Ich bin der Auffassung, dass Fraktions- und Landesvorsitz in einer Hand sein sollten.“

Thorsten Schäfer-Gümbel, hessischer SPD-Fraktionsvorsitzender, steht in seinem Büro im Landtag.
Thorsten Schäfer-Gümbel, hessischer SPD-Fraktionsvorsitzender, steht in seinem Büro im Landtag. © dpa | Boris Roessler

„TSG“ scheiterte dreimal bei hessischen Landtagswahlen

Politisch wird Thorsten Schäfer-Gümbel damit ein Stück weit unvollendet bleiben. Dreimal wollte er Ministerpräsident von Hessen werden, dreimal scheiterte er.

Dabei galt Schäfer-Gümbel lange als Hoffnungsträger – auch in der Bundes-SPD. Diese Hoffnungen hatten sich aber spätestens bei der hessischen Landtagswahl Ende Oktober 2018 erledigt. Schäfer-Gümbel und die SPD holten nur 19,8 Prozent, nie hatte die hessische SPD zuvor seit 1946 unter 20 Prozent gelegen.

Damit waren auch jegliche Hoffnungen auf einen politischen Regierungswechsel in Hessen, das seit 20 Jahren von der CDU regiert wird, dahin. Denn am Ende landeten die Grünen hauchdünn mit 66 Stimmen Vorsprung vor der SPD. Die FDP hätte in Koalitionsverhandlungen nur unter SPD-Führung eingewilligt. So war dies aber nicht möglich und die Grünen setzten ihr Regierungsbündnis mit der CDU unter dem jüngst an Krebs erkrankten Ministerpräsidenten Volker Bouffier fort.

Schäfer-Gümbel übernahm tief zerstrittene Partei

Leicht hatte es Schäfer-Gümbel in der ehemaligen SPD-Hochburg Hessen von Beginn an nicht. Vor der Landtagswahl wurde „TSG“ von der damaligen SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti zum Spitzenkandidaten nominiert. Ypsilanti hatte bei der Landtagswahl 2008 der CDU die absolute Mehrheit abgejagt und eine Rot-Grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linken angestrebt.

Allerdings hatte Ypsilanti im Wahlkampf jegliche Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen. Ihr wurde daraufhin Wortbruch vorgeworfen, vier Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion kündigten darauf an, sie bei ihrer geplanten Wahl zur Ministerpräsidenten nicht zu unterstützen. Ypsilanti zog ihren Vorstoß zurück, trug Neuwahlen mit und übergab Schäfer-Gümbel die Spitzenkandidatur.

Er sei „in schwierigster Zeit vorgeschlagen“ worden, sagte Schäfer-Gümbel am Dienstag.

2013 scheiterte Rot-Grün knapp

Bei der anschließenden Neuwahl grenzte sich Schäfer-Gümbel von Ypsilanti ab, zeigte sich zugleich aber für ein Bündnis mit allen Parteien offen. Im Vergleich zur Landtagswahl 2008 verloren die Sozialdemokraten dennoch 13 Prozent. „TSG“ gelang es in den vier anschließenden Jahren der Opposition, seine Partei zu rehabilitieren und 2013 30,7 Prozent zu erreichen. Da aber sowohl die FDP als auch die Linke knapp den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schafften, reichte es wieder nicht zu einem Rot-Grünen-Bündnis.

Das der Neuaufbau gelungen sei, habe „das Wahlergebnis 2013 eindeutig bestätigt“, so Schäfer-Gümbel. Fünf Jahre später folgte der Tiefschlag für seine Partei. (mit dpa)