Im Tarifstreit ist eine Einigung erzielt worden. Vieles ist richtig und fair. Aber es gibt perspektivische Nachteile. Ein Kommentar.

Zunächst das Positive: Neue Warnstreiks in Kitas, Schulen und Verwaltungen bleiben den Bürgern erspart. Bei der Tarifeinigung für den öffentlichen Dienst der Länder ist dieses Mal eine besonders lange Laufzeit gelungen. Acht Prozent mehr Lohn sollen rund eine Million Beschäftigte stufenweise innerhalb von 33 Monaten bekommen. Damit können die Kassenwarte in den Ländern planen und Rücklagen für die künftigen Ausgaben bilden. Das bringt Klarheit.

Darüber hinaus ist es richtig, dass Krankenschwestern und –pfleger zusätzlich zur Gehaltserhöhung ein Extra-Plus von 120 Euro im Monat bekommen. Die Arbeitsbelastung in diesem Bereich ist extrem hoch, es herrscht Personalmangel. Deshalb müssen hier neue Anreize gesetzt werden. Kein Wunder, dass Ver.di-Chef Frank Bsirske jubiliert: „Das ist das beste Ergebnis für einen Lohnabschluss im Länderbereich seit vielen Jahren.“ Er hat mit seinen Gewerkschaftskollegen deutlich mehr herausgeholt als bei der letzten Tarifrunde.

Das Geld wird an anderer Stelle fehlen

Alles in allem ist der Abschluss ein fairer Kompromiss. Er hat jedoch Nebenwirkungen, die man auf dem Radarschirm haben muss. Die 15 Bundesländer – Hessen ist aus der Gemeinschaft ausgeschert – müssen insgesamt 7,3 Milliarden Euro locker machen. Das ist Geld, das an anderer Stelle fehlt, zum Beispiel für Investitionen.

Ein Hochtechnologieland wie Deutschland ist dringend darauf angewiesen. So warnen die Finanzminister von Niedersachsen und Sachsen bereits vor Engpässen in ihren Etats. Die Länder insgesamt leiden ohnehin unter einer angespannten Haushaltssituation. Da sie den größten Teil der öffentlichen Verwaltung schultern, geben sie rund 35 Prozent ihres Budgets für Personal aus. Das ist deutlich mehr als der Bund und die Kommunen.

Belastungen werden durch die Tarifeinigung noch größer

Die Belastung wird mit der aktuellen Tarifeinigung noch größer. Diese wurde vor dem Hintergrund einer jahrelang guten Wirtschaftslage mit geringer Arbeitslosigkeit erzielt. Die öffentlichen Kassen hatten Milliardenzuflüsse, gespeist von den Steuereinnahmen von Beschäftigten und Firmen. Dieser warme Finanzregen wird jedoch in Zukunft weniger üppig ausfallen.

Wichtigster Grund: Die exportlastige Wirtschaft in Deutschland muss mit einer Konjunkturdelle rechnen. Der für VW, Daimler & Co. so wichtige Markt in China wächst weniger rasant, zudem sorgen die Handelskrieg-Drohungen von US-Präsident Donald Trump für Unruhe. Finanzminister Olaf Scholz hat daher recht mit seinem Zwischenruf, dass die fetten Jahre in Deutschland vorbei seien. Sprich: dass der Verteilungsspielraum der öffentlichen Hand schrumpft.

Die Debatte ist aus den Fugen geraten

Das Problem ist nur, dass der SPD-Politiker den Satz vor allem als Kampf-Vokabel gegen die Union anwendet. Deren Forderung, den Solidaritätszuschlag für alle abzuschaffen, will er einen Riegel vorschieben. Für die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung, für die sich Arbeitsminister Hubertus Heil stark macht, ist hingegen Geld da. Fünf Milliarden Euro pro Jahr sind jedoch keine Kleinigkeit.

All dies zeigt, dass die Debatte in Deutschland aus den Fugen geraten ist. Es gibt zu viele Umverteilungsvorschläge, die den Staat als den großen Regulator für mehr Gerechtigkeit sieht. Die CDU/CSU öffnete das soziale Füllhorn mit der Mütterrente, die SPD möchte Sanktionen bei Verstoß gegen Hartz-IV-Regeln abschaffen und stattdessen ein „Bürgergeld“ einführen.

Das Dilemma in Deutschland ist, dass derzeit zu wenig über Wettbewerb und Leistung geredet wird. Nur wenn das Geld von den Unternehmen auf dem Weltmarkt erwirtschaftet wird, kann der Staat großzügig sein. Dieser Zusammenhang darf mit Blick auf künftige Tarifabschlüsse nicht vernachlässigt werden.