Ulla Schmidts Dienstwagenaffäre zieht Kreise. Neben der Ministerin nutzten vier Bundesminister Dienstwagen im Urlaub.

Hamburg. Neben Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) haben mindestens vier weitere Minister aus der Bundesregierung ihre Dienstwagen im Urlaub genutzt. Wie eine Umfrage des Hamburger Abendblatts (Dienstag-Ausgabe) in den Bundesministerien ergab, haben auch Arbeitsminister Olaf Scholz, Justizministerin Brigitte Zypries, Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (alle SPD) ihre Dienstlimousinen für Urlaube in Anspruch genommen, ohne dass sie dazu aus Sicherheitsgründen verpflichtet sind.

Arbeitsminister Olaf Scholz fuhr nach Angaben seines Ministeriums im Sommer 2008 mit seinem Dienstwagen in den Urlaub nach Südtirol, wobei der Minister selbst am Steuer gesessen habe. Laut Ministerium versteuert Scholz die private Dienstwagennutzung mit monatlich aktuell 1888,87 Euro als geldwerten Vorteil.

Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul hat sich in diesem Sommer nach Angaben ihres Ministeriums in ihren niedersächsischen Urlaubsort Bad Pyrmont fahren lassen, so wie auch in den Jahren zuvor. Die Ministerin habe den Wagen leer zurück nach Berlin fahren lassen und sich nach dem Urlaub wieder abholen lassen. Beide Hin- und Rückfahrten habe die Ministerin jeweils privat abgerechnet, so eine Sprecherin.

Justizministerin Zypries nutzte laut ihrem Ministerium im Jahr 2006 für einen fünftägigen Urlaub in Norddeutschland ihren Dienstwagen, den sie selbst gefahren habe. Diese Fahrten seien im Fahrtenbuch als privat ausgewiesen und versteuert worden.

Verkehrsminister Tiefensee macht derzeit mit seinem Dienst-Audi A8 Urlaub im Brandenburgischen, teilte ein Ministeriumssprecher mit. Er fahre den Wagen selbst. Tiefensee zahle für die private Dienstwagennutzung eine Pauschale und führe ein Prozent des Fahrzeug-Bruttolistenpreises an den Staat ab.

Aus dem Familien- und dem Bildungsministerium hieß es, die Ministerinnen Ursula von der Leyen und Annette Schavan (beide CDU) hätten ihre Dienstwagen noch nie für Urlaube genutzt. Andere Ministerien machten keine Angaben zum Umfang der privaten Dienstwagennutzung der Minister.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) unterliegen der höchsten Gefährdungsstufe 1 und sind aufgrund ihrer Ämter auch in ihren Urlauben auf ihre gepanzerten Dienstwagen und Personenschützer angewiesen.

Unterdessen wurde bekannt, dass der gestohlene Dienstwagen von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt nicht gegen Diebstahl versichert ist. Es sei „gängige Praxis“, die Fahrzeuge weder Teil- noch Vollkasko zu versichern, sagte die Sprecherin der Ministerin, Dagmar Kaiser, am Montag. Aufgrund der Vielzahl der Fahrzeuge sei das kostengünstiger. Der Mercedes S 420 CDI war während des Urlaubs der SPD-Politikerin an der spanischen Mittelmeerküste entwendet worden, der Wiederbeschaffungswert liege bei 100.000 Euro, heißt es.

Schmidt zeigte unterdessen für die massive Kritik an der Nutzung ihres Dienstwagens im Urlaub keinerlei Verständnis – und erntet beißenden Spott. Die Ministerin habe wohl das Prinzip der Abwrackprämie für Altautos nicht richtig verstanden, lästerte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. „Muss sie sich noch mal erklären lassen.“ Denn dass die SPD-Politikerin den Mercedes S-Klasse samt Fahrer für gerade einmal zwei dienstliche Termine nach Spanien beordert hatte, war am Wochenende nur deshalb bekanntgeworden, weil Diebe das Auto gestohlen hatten.

Ex-Kabinettskollege und CSU-Chef Horst Seehofer feixte: „Das ist schon ein Pech.“ Denn nicht nur für die Ministerin, auch für die SPD kommt diese Dienstwagenaffäre mitten im Bundestagswahlkampf denkbar ungelegen. Die in Umfragen unverändert hinter der Union herhinkenden Sozialdemokraten würden in dieser Woche gern mit einer Wahlkampf-Offensive ihres Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier die Schlagzeilen beherrschen. Die SPD-Spitze gab der Ministerin nach einer Debatte im Präsidium, zu der Schmidt per Telefon zugeschaltet war, Rückendeckung. Die Ministerin handele nach Recht und Gesetz, sagte Generalsekretär Hubertus Heil.

Vor der Bundespressekonferenz rechtfertigte Schmidts Sprecherin Dagmar Kaiser die Angelegenheit mit dem Dienstwagen-Privileg für Regierungsmitglieder. „Es ist alles korrekt, und es ist alles von den Richtlinien gedeckt. Es gibt überhaupt kein Wackeln“, sagte sie. Die Ministerin selbst meldete sich erstmals in der „Aachener Zeitung“ zu Wort. „Der Dienstwagen steht mir, auch aus Sicherheitsgründen, jederzeit zur Verfügung", sagte sie. Private Fahrten rechne sie ab. Es habe in ihren acht Jahren als Ministerin nie Beanstandungen gegeben. Die ganze Debatte jetzt sei Theater im Sommerloch.

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm gab sich betont zurückhaltend. Jedes Ministerium entscheide im Rahmen der Richtlinien eigenverantwortlich, wie Dienstwagen genutzt würden. Erstaunen löste das Gesundheitsministerium mit der Rechnung aus, es sei günstiger, den Wagen samt Fahrer von Berlin ins 2500 Kilometer entfernte Denia bei Alicante zu holen, als dort einen Leihwagen zu mieten. Wenn man für Hin- und Rückfahrt bei einem Verbrauch von 7,7 Litern pro 100 Kilometer 500 Euro für Sprit veranschlage, entspreche dies bereits der Miete für einen vergleichbaren Leihwagen pro Tag, rechnete Kaiser vor. Allerdings seien darin die Kosten für die Unterbringung des Fahrers noch nicht eingerechnet, räumte sie ein.

Dagegen rechnete der Bund der Steuerzahler in der Bild-Zeitung vor, dass die umstrittene Reise des Fahrers der Ministerin nach Spanien den Steuerzahler fast 10.000 Euro gekostet hat. Danach müssen allein für die Hinfahrt 3.800 Euro angesetzt werden, unter anderem für Benzin. Hinzu kämen Maut-Gebühren und mindestens sechs Hotel-Übernachtungen, die mit insgesamt rund 600 Euro veranschlagt werden. Für die Dienstzeit und Überstunden setzt der Steuerzahler-Bund weitere 4.872 Euro an.

Damit koste die Reise den Steuerzahler mindestens 9.386 Euro, sagte Hauptgeschäftsführer Reiner Holznagel laut der Zeitung. Weitere Kosten, wie beispielsweise für den nach dem Diebstahl nötigen neuen Dienstwagen, seien nicht berücksichtigt.

Freilich treibt die Gesundheitsministerin auch das Ansehen der Bundesregierung um. Es sei selbstverständlich, dass sie bei offiziellen Terminen im Urlaub mit Dienstwagen vorfahre. Schließlich repräsentiere sie „die Regierung unseres Landes“, sagte sie der „Aachener Zeitung“.

Zum Einsatz kam der ungepanzerte Mercedes nur für die Fahrt zum örtlichen Bürgermeister. Für den Vortrag zur Gesundheitsversorgung vor deutschen Residenten am Montagabend wurde nun nach dem Diebstahl ein Leihwagen beschafft. Auf ein Ersatzfahrzeug aus Berlin sei kurzfristig verzichtet worden, sagte die Sprecherin. Im übrigen wolle Schmidt dem Bundestag alles offenlegen. FDP-Chef Guido Westerwelle mahnte, das sei dringend geboten. Die Erklärungsversuche des Ministeriums würden die Fragezeichen eher noch größer machen.

Autovermieter nutzten Schmidts Malheur prompt zur Eigenwerbung. Repräsentative Mercedes-Modelle gebe es schon ab 500 Euro die Woche, warben sie. Kleinwagen seien noch günstiger.