Der Staatstrojaner entlarvt die Hilflosigkeit der Politiker in der digitalen Welt. Macht hat aber nur, wer die modernen Codes beherrscht.

Hamburg. 0zaftis_file_execute proc near; CODE XREF:

_0zapftis_download_store_EXE+19Fp; var_D1= byte ptr -0D1h

hProcess= dword ptr -0D0h...

Für die meisten Menschen ist es eine wirre Kette von Zahlen, Zeichen und Buchstaben. Doch für Informatiker sind die Computerbefehle dahinter leicht erkennbar. Mit diesen Zeichen beginnt der Code der wohl heikelsten Passage des Staatstrojaners. Die Spionage-Software macht das Laden von Programmen auf einen Computer möglich. Sie erlaubt das Lesen und Schreiben von Dateien oder das Benutzen von Kameras und Mikrofonen. Die Software steuert den Computer fern. Und das ist laut Bundesverfassungsgericht illegal.

Die Politik diskutiert nun über den Einsatz des Schnüffelprogramms im Kampf gegen Verbrechen. Behörden von Bund und Ländern schieben sich gegenseitig Verantwortung zu. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wies den Vorwurf zurück, dass die Software verbotene Online-Durchsuchungen ermöglicht habe, und verlangte von der Bundesregierung, Klarheit für künftige Computerüberwachungen zu schaffen. Doch der Ruf nach Klarheit entlarvt auch die Unklarheit und Unkenntnis der Politik gegenüber den Codes der digitalen Welt.

Sprache ordnet unser Leben, Sprache ist Macht. Doch wie mächtig sind Politiker im Bundestag und Beamten in den Sicherheitsbehörden noch, wenn sie die Sprache nicht mehr verstehen, die bei der Ausführung von Gesetzen eine immer wichtigere Rolle spielt? Sind Hacker die neuen Mächtigen, weil sie die Codes verstehen, auf denen eine Gesellschaft aufgebaut ist, die so stark wie nie digital vernetzt ist? Der amerikanische Rechtswissenschaftler Lawrence Lessig spricht davon, dass der "Code das Gesetz ist". Wer den Code beherrscht, bestimmt die Werte einer modernen Gesellschaft. Die Firma DigiTask GmbH versteht diesen Code. Der private Softwarehersteller mit Sitz in Hessen gilt für Polizei und Behörden in Deutschland als wichtigster Lieferant von Abhörtechnik. DigiTask programmierte auch die Software für den Staatstrojaner, den die bayerische Polizei eingesetzt hatte. DigiTask könne nur den Schlüssel liefern, lässt nun der Anwalt der Firma verlauten. Welche Tür geöffnet werde, dafür sei man nicht verantwortlich. Ob die illegalen Funktionen des Spionageprogramms tatsächlich zum Einsatz kamen, ist bisher unklar. Für den Rechtsexperten der FDP im Bundestag, Marco Buschmann, offenbare der Fall des Trojaners, dass "selbst die Behörden, die diese Software eingesetzt haben, dem Hersteller blind vertraut haben". Die Ermittler des Landeskriminalamts wussten nicht, ob sie mit der Software eine "digitale Pistole oder digitales Dynamit" gebrauchen. "Durch fehlendes Wissen unterhöhlen Behörden das Gesetz, ohne es zu ahnen", sagt Buschmann. Und sie begeben sich in eine gefährliche Abhängigkeit zu Unternehmen wie DigiTask. Wer Vergleiche zur analogen Verbrecherjagd zieht, dem wird die Gefahr einer solchen Entwicklung deutlich: Bei der Durchsuchung von Wohnungen verdächtiger Personen vertraut der Staat zu Recht ausschließlich erfahrenen Sicherheitsbeamten - bei der Online-Durchsuchung anscheinend nicht.

Buschmann selbst versteht die Codes der Programmierer nicht. In seiner wie auch in anderen Parteien gibt es wenige Mitglieder, die der Sprache der digitalen Welt mächtig sind - meist Informatiker oder Softwaretechniker.

Geht es nach dem Sicherheitsforscher Sandro Gaycken müssen sowohl Politiker als auch Behörden noch viel stärker mit eben diesen Fachleuten zusammenarbeiten, um das Gewaltmonopol des Staates auch in Zeiten der Digitalisierung zu sichern. "Das konventionelle, analoge Denken vieler Politiker stößt bei der zunehmenden Digitalisierung an seine Grenzen", sagt Gaycken vom Institut für Informatik der FU Berlin. Auf den Cyberwar könne die Politik beispielsweise auch nicht mehr mit Sperrverträgen oder Rüstungskontrollen reagieren. "Umdenken will man aber oft nicht", kritisiert Gaycken.

Der aktuelle Fall löst nun aber mehr aus als die Debatte über den Einsatz von Trojanern bei Ermittlungen. Wie auch bei der Finanzkrise und den Spekulationen von Banken oder bei der Regulierung von Konzernen wie Google oder Facebook bleibt beim Bürger das Gefühl, die Politik ist der Komplexität der modernen Gesellschaft nicht mehr gewachsen. Vielleicht auch, weil die Menschen sich selbst dem nicht mehr gewachsen fühlen.

Doch Experten wie Gaycken heben hervor: Politiker müssen Laien bleiben, denn sie vertreten auch den Bürger als Laien. Nicht jeder im Bundestag könne die Codes der Programmierer beherrschen. Gemeinsam mit Fachleuten gelte es, der Sprachlosigkeit mit einem staatlichen Wissen gegenüberzutreten - nicht anders, als Experten die Behörden auch in Fragen des Straßenbaus oder der Konjunkturschwankung beraten.

Beim Straßenbau hat der Staat Erfahrungen mit Risiken und Nebenwirkungen. Beim Umgang mit dem Recht in der durchdigitalisierten Gesellschaft beginnt er diese erst zu sammeln. Doch das langfristige Ziel scheint klar: Der Staat muss eine verständliche Sprache für Risiken und Nebenwirkungen von Trojanern finden. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger versuchte es nun schon einmal. Sie forderte einen "Software-TÜV" für alle Programme, die Behörden bei Ermittlungen einsetzen.