Die schwarz-gelbe Koalition streitet, ob es genauere Regeln für Späh-Software geben muss. Bayern stoppt den Einsatz der Trojaner vorerst.

Berlin. Die umstrittene staatliche Schnüffel-Software sorgt für Zoff in der schwarz-gelben Koalition. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert vom Innenressort Vorschläge zur Änderung des BKA-Gesetzes, um die Privatsphäre und den Grundrechtsbereich besser zu schützen. Dagegen wirft Innenminister Hans-Peter Friedrich (FDP) seiner Kabinettskollegin vor, Ermittler unter „Generalverdacht“ zu stellen. Friedrich rief die Länder auf, die umstrittene Software nicht mehr zu verwenden. Nach Baden-Württemberg hat auch Bayern erklärt, die Trojaner zunächst nicht weiter einsetzen zu wollen.

Das Bundesverfassungsgericht hat der Überwachung von Computern enge rechtliche Grenzen gesetzt. Die Online-Durchsuchung eines Rechners sei nur bei konkreter Gefahr für hochrangige Rechtsgüter zulässig, befanden die Richter 2008 in einem richtungsweisenden Urteil. Für das Abhören von Internet-Telefonaten – dazu waren die strittigen Trojaner ursprünglich gedacht – gelten aber die weniger strengen Regeln der tausendfach praktizierten Telefonüberwachung - solange es allein dabei bleibt.

Friedrich wandte sich gegen Leutheusser-Schnarrenberger, die gefordert hatte, die Bürger müssten besser vor „Ausschnüffelei“ geschützt werden. Die Sicherheitsbehörden handelten auf klaren rechtlichen Grundlagen, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. „Die von den Bundessicherheitsbehörden eingesetzte Software ist immer so konfiguriert, dass sie genau die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts beachtet.“

Auch der zum Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums gehörende Zoll bestritt, die vom Chaos Computer Club angeprangerte Spionagesoftware eingesetzt zu haben. „Die Software, die wir verwenden, ist eingeschränkt auf Telefonüberwachung. Alles andere können wir für uns ausschließen“, sagte der Sprecher des Zollkriminalamtes in Köln, Wolfgang Schmitz.

Friedrich plädierte im Deutschlandfunk dafür, die vom Chaos Computer Club (CCC) angeprangerte Software nicht mehr einzusetzen, solange sie mehr könne, als gesetzlich zulässig sei. Der CCC hatte aufgedeckt, dass Ermittler in Bayern zum Abhören von Internet-Telefonaten eine Spionagesoftware eingesetzt haben, deren Funktionen über das verfassungsrechtlich Erlaubte womöglich hinausgehen. So kann sie Bildschirmfotos (Screenshots) vom Rechner des Verdächtigten machen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte am Dienstag, dass der Einsatz der Trojaner vorerst gestoppt werde. Er wolle das Ergebnis der Prüfung des bayerischen Datenschutzbeauftragten abwarten. Herrmann betonte zugleich, die bayerische Polizei habe sich immer an die rechtlichen Vorgaben gehalten.

Trotz der kontroversen Debatte um die Spionagesoftware halten Sicherheitsbehörden des Bundes grundsätzlich an der Überwachung von Computern mit Hilfe von Trojanern fest. Das Abhören verschlüsselter Internet-Telefonate direkt auf dem Rechner des Verdächtigen – die „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“ (TKÜ) – sei ein wichtiges Ermittlungsinstrument, hieß es aus Sicherheitskreisen in Berlin.

Innenminister Friedrich sprach sich aber dafür aus, den Einsatz solcher Software klar in der Strafprozessordnung zu regeln. Er hoffe dazu auf einen Vorschlag des Bundesjustizministeriums.

Leutheusser-Schnarrenberger sieht dagegen den Innenminister in der Pflicht. Sie sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Wir müssen alles tun, damit die Bürger das Vertrauen in den Rechtsstaat nicht verlieren.“ Sie forderte, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum „Computergrundrecht“ in der Gesetzgebung stärker zu berücksichtigen, namentlich im BKA-Gesetz. Dieses ist die Grundlage für Kompetenzen des Bundeskriminalamtes (BKA) zur Abwehr terroristischer Gefahren und die Grundlage auch für die Online-Durchsuchung, also Durchsuchungen der Festplatte.

Neben Bayern haben mehrere andere Bundesländer Trojaner für die Quellen-TKÜ verwendet: Baden-Württemberg, Niedersachsen, Brandenburg und Schleswig-Holstein. Die Innenministerien und Ermittlungsbehörden betonten jedoch, dass dabei immer gesetzliche und richterliche Auflagen eingehalten worden seien. Den Angaben zufolge handelte es sich immer nur um eine Handvoll Einsätze.

Aus einer Statistik des Bundesamtes für Justiz geht hervor, dass in Deutschland im vergangenen Jahr rund 21 000 Telefon- und Internetanschlüsse überwacht wurden. Das waren rund 400 mehr als ein Jahr zuvor. Insgesamt wurden 5439 Überwachungsverfahren angeordnet - eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr um 138. In vielen Fällen nutzen Verdächtige mehrere Telefon- oder Internetanschlüsse. Das Bundesland mit den meisten Überwachungsverfahren war erneut Bayern mit 1341. Auf den beiden nächsten Plätzen folgen Baden-Württemberg (639) und Niedersachsen (559). (dpa)